Tod im Vergnügungsviertel
Ein Feuer in Diskotheken in Murcia tötet 13 Menschen – Betreiber und Behörden weisen Verantwortung von sich
Murcia – mar. 13 Menschen starben am Morgen des 1. Oktober in einer Diskothek in Murcia, ihre Körper verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Bis Mittwoch konnten noch nicht alle Leichen durch die Forensiker identifiziert werden. Von Vermissten, deren Zahlen zunächst ständig schwankten, geht die Einsatzleitung mittlerweile nicht mehr aus. Dutzende Menschen wurden ambulant von Sanitätern und Notärzten behandelt, vier Personen mussten wegen Rauchvergiftungen in Krankenhäuser eingeliefert werden.
Gegen sechs Uhr morgens brach in der Diskothek mit Feiersälen „La Fonda Milagros“im Shopping- und Unterhaltungsviertel Las Atalayas im Osten der 450.000-Einwohner-Stadt Murcia ein Feuer aus, das auch auf die benachbarten Diskotheken „Teatre“und „Golden“übergriff. Dort konnten die Menschen indes teils geordnet, teils in Panik in Sicherheit gebracht werden. Doch für die 13, die im „Fonda“in einem gesonderten Raum feierten, der sich auf einer Galerie befand und nur über einen schmalen Korridor zugänglich war, gab es keine Rettung. Die Diskothek wurde zur Todesfalle. Alle Leichen wurden, so die Feuerwehr, auf nur 20 Quadratmetern gefunden.
Opfer mit Namen und Gesicht
Während das „Teatre“seit Jahren eine beliebte Diskothek und Anlaufstelle im Nachtleben von Murcia war, wurde das „La Fonda Milagros“, das erst im Vorjahr durch eine Abtrennung vom Teatre entstand, vor allem zu einem Treffpunkt der örtlichen Latino-Gemeinde, für Geburstags- und Abschlussfeiern und auch die berühmten „Quinceañeras“, die Weihen zum 15. Geburtstag. Die Toten, zwischen 20 und 48 Jahre alt, stammen denn auch alle aus Lateinamerika, aus Kolumbien, Ecuador und Nicaragua, einige hatten bereits die doppelte, also auch die spanische Staatsbürgerschaft, andere suchten erst seit wenigen Jahren ihr Glück in der „alten Welt“.
Drei Waisenkinder gehören zur Bilanz dieser Tragödie und etliche weitere zerstörte Leben. Allmählich bekommen die Schicksale der
Opfer und Angehörigen Namen und Gesichter. Sei es die junge Frau, die kurz vor ihrem Tod eine Audio-Nachricht in die WhatsappGruppe ihrer Familie sandte: „Wir werden hier sterben, ich liebe Dich Mama“, soll sie gesagt haben – oder sei es der Großvater aus Nicaragua, der durch verschiedene Schicksalsschläge sechs seiner sieben Kinder verloren hatte und nun versuchte, im als geordnet geltenden Europa wenigstens zweien seiner Enkel ein besseres Leben zu ermöglichen. Beide starben in dem Feuer, der Mann nimmt die auf ihn gerichteten TV-Kameras kaum wahr. Rund 100 Menschen habe die psychologische Notfalleinheit allein am Sonntag betreut, die im nahen Sportpalast einen Stützpunkt errichtete.
„Viele Verantwortliche, aber keine Schuldigen“, lautet der Zwischenbefund der Zeitung „El País“zum Stand der Ermittlungen. Recht schnell erfährt die Öffentlichkeit, dass der Club „La Fonda Milagros“nicht nur keine gültige
Betriebslizenz besaß, sondern dass seit Oktober 2022 sogar ein Schließungsbescheid vorlag, der spätestens im März 2023 hätte exekutiert werden müssen. 2019 hatten die Eigentümer einen Teil von der Diskothek Teatre abgetrennt und ein zweites Lokal, eben das „Fonda“eröffnet. Doch die Stadt akzeptierte diesen Umbau nicht und verlangte daraufhin ein neues Genehmigungsverfahren, weil es sich aus ihrer Sicht um einen neuen Betrieb handelte, auch wenn beide Lokale Belüftungssysteme und andere Einrichtungen teilten. Die Eigentümer verloren einen Einspruch dagegen vor Gericht. Danach geschah offensichtlich nichts mehr.
Weder der damals zuständige PSOE-Stadtrat, noch der seit Juni im Amt befindliche Nachfolger von der PP konnten gegenüber Medien erklären, wieso das Lokal dennoch geöffnet war. Letzterer verstieg sich, laut „El País“sogar zu der Aussage, „dass es schier unmöglich ist, zu wissen, ob ein Lokal, gegen das ein Schließungsbescheid vorliegt, noch arbeitet oder nicht“. Das herauszufinden, hätte nicht einmal eine Inspektion der Ortspolizei benötigt, ein Blick ins Internet hätte genügt. Der Anwalt des Betreibers stellt sich vor die Kameras und behauptet rundheraus,
dass sein Mandant, dem ein Dutzend weitere Etablissements gehören, den Schließungsbescheid nie erhalten habe. Im Frühjahr habe es sogar eine Gesundheitsinspektion gegeben, deren Beanstandungen der Betreiber „umgehend“bearbeitet hätte, sagt der Anwalt und schiebt noch nach, dass „mein Mandant immer nach den Vorschriften handelt“. Nach einer Betriebslizenz hatten die Inspekteure wohl nicht gefragt.
Mangel an Kontrollen
Die etwas größere Politik zeigt sich geschockt, Bürgermeister und Murcias Landeschef ordnen Trauertage an, treffen sich mit Angehörigen und den Konsuln der Staaten, aus denen die Todesopfer stammen. „Sie sollen jede Hilfe bekommen, die sie benötigen“. Die Überführung der Leichname in die alte Heimat wird das Land bezahlen. Auf das Chaos in der kommunalen Verwaltung, unter deren Aufsicht zumindest eine stadtweit bekannte Diskothek seit einem Jahr illegal betrieben werden konnte, gehen sie nicht ein. Die Behörden und die Gerichte sollen „mit aller Gründlichkeit und Härte“ermitteln.
Ein auf Veranstaltungsrecht und Gastronomie spezialisierter Anwalt wird durch die spanischen TV-Kanäle
gereicht. Sein Resümee im Angesicht des Trümmerfeldes von Murcia: Die gesetzlichen Vorschriften für solche Einrichtungen seien ausreichend und gut, allein die Umsetzung und die Kontrolle seien das Problem. Schlamperei, Faulheit, aber auch spekulatives Kalkül, Hinterzimmerdeals und Korruption. Das sind „Brandursachen“, nach denen man nicht lange suchen müsste. Nach der physikalischen Brandursache wird derweil noch immer gesucht. Angeblich soll es an gleicher Stelle 2009 bereits einen Kabelbrand gegeben haben. Auf Videos sind sprühende Feuerwerke rund um DJ und Bühne zu sehen, kaum zu glauben auch, dass die Theaterkulissen aus ähnlichen Verkleidungen auf geprüft feuerfestem Material waren. Aber wie gesagt, das ist „Sache der Behörden“.
Ein Richter am Oberlandesgericht Murcia hat am Dienstag 13 Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet und gleich einmal eine Nachrichtensperre verhängt. Er will sich so der medialen Kakophonie und dem manipulativen Geschacher von Anwälten und Politikern entziehen. Erst die Arbeit, dann die Medien. Sollte es bei dem Tatbestand bleiben, droht den Schuldigen, so sie irgendwann dingfest gemacht werden können, im Höchstfall eine Strafe von ein bis vier Jahren Gefängnis, auch Entschädigungszahlungen sind möglich.
Ob das Fehlen einer Betriebslizenz und der Ausbruch des Feuers in einen Zusammenhang zu stellen sind, ist spekulativ. Fakt ist aber, dass das „Fonda“, ginge alles nach Norm, an diesem Abend nicht geöffnet gewesen wäre. Es gibt also eine Kausalität, die sich strafrechtlich erschwerend auswirken sollte.
Zuletzt brannte im April 2023 in Madrid ein Restaurant wegen einer flambierten Pizza ab, wobei zwei Menschen starben. Damals waren Unachtsamkeit und verbotenes Dekomaterial an der Decke die Ursachen. Die tödlichsten Unglücke in spanischen Diskotheken ereigneten sich 1990 in Zaragoza mit 43 Toten beim Brand im „Flying“sowie 1983, als im „Alcalá 20“in Madrid 82 Menschen ums Leben kamen, die Erklärungen der Verantwortlichen damals ähneln jenen von heute fast aufs Wort.
Die Diskothek hatte nicht nur keine Lizenz – es gab sogar einen Schließungsbescheid