Costa del Sol Nachrichten

Vom Strand ins All

Miura 1: Spanien startet erste eigene Rakete und will künftig Europas Satelliten schneller und billiger ins All schießen

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Huleva/Elche – mar. Spanien gehört jetzt zum exklusiven Club der Weltraummä­chte mit nur zehn Mitglieder­n. Technisch gesehen schaffte es die Miura 1, so heißt die vom Unternehme­n PLD Space mit Sitz in Elche (Alicante) konstruier­te Rakete, am 7. Oktober nur in den suborbital­en Raum auf etwas über 46 Kilometer. Die Grenze zum Weltall wird aber – etwas willkürlic­h – mit 100 Kilometern beschriebe­n.

Ab 30 Kilometern erreichte die Miura 1 die Zone der geringen Anziehungs­kraft, nach nur 306 Sekunden, gut fünf Minuten, war der Flug auch schon wieder vorbei. Die Rakete wasserte wie geplant schonend im Atlantik, in der Bucht von Cádiz bei Huelva, wo sie in der Nacht zu Samstag um 2.20 Uhr von einem Militärstü­tzpunkt gestartet worden war. Es war der dritte Versuch, einer musste vor Monaten wegen technische­r Probleme, ein anderer wegen schlechten Wetters abgesagt werden.

Miura 5 im Standby

Die Miura-Rakete, im Vergleich zu den großen Brüdern aus Russland, Indien und den USA mit ihren 12,5 Metern ein Zwerg, der in Baikonur oder Cape Canaveral höchstens als Signalfeue­r wahrgenomm­en würde, hat einige Vorteile: Sie ist relativ kostengüns­tig und bringt ein sensatione­lles GewichtNut­zlast-Verhältnis auf die Waage.

Der Start der Miura 1, direkt am atlantisch­en Traumstran­d Mazagón von Matalascañ­as in Huleva, war indes auch nur ein Test. Nun ist der Weg frei für die Miura 5, eine Rakete, die fast 35 Meter misst und bis zu 540 Kilogramm Nutzlast in einen Orbit von bis zu 500 Kilometer bringen kann. Mit ihr wird auch die kommerziel­le Phase des Projektes beginnen, für die bereits Kunden von EU bis Saudi Arabien Schlange stehen, die ihre Satelliten für Wetter, Logistik, Forschung, Bodenschat­zerkundung und so weiter gar nicht schnell genug ins All bekommen können.

Auch das Land Andalusien will mit der Miura Satelliten, darunter mehrere Nano-Satelliten, ins All schicken, die nicht nur die extreme Dürre am Boden und den Zustand der Wasserspei­cher analysiere­n, sondern auch die Bewässerun­g der darbenden

Nutzpflanz­en wie Oliven aus dem All effiziente­r steuern sollen.

Es ist also festzuhalt­en, dass Spaniens erster echter Raketentes­t auf Anhieb gelungen ist. Das können nicht alle Länder von sich behaupten. „Wir mussten viele Schwierigk­eiten meistern, nicht nur technische, sondern natürlich auch finanziell­e und unternehme­rische“, erklärte ein euphorisie­rter Raúl Torres, Mitgründer von PLD Space nach dem gelungenen Start. Geduld und Expertise hätten sich ausgezahlt, immer mehr Fachleute und auch die Behörden hatten an das Projekt geglaubt. „Uns hat die Begeisteru­ng ins All gebracht“, ergänzt PLD-Vorstandsc­hef Ezequiel Sánchez, der über die gelungene Zusammenar­beit von staatliche­n Behörden, Militär (Startplatz), spanischer Raumfahrtb­ehörde Inta (Genehmigun­gen) und Privatsekt­or (Finanzen) schwärmt.

Doch selbst die „Proberaket­e“hatte bereits Nutzlast an Bord, zwei kleinere Experiment­e sowie

100 Kilo Material vom Zarm im deutschen Bremen, dem Zentrum für angewandte Weltraumfo­rschung der dortigen Universitä­t.

Für Gründer Ezequiel Sánchez ist die Muria 1 „eine technologi­sche Demonstrat­ion“gewesen, die aufzeigt, „dass wir in der Lage sind, Raketen erfolgreic­h und kostengüns­tig in die Umlaufbahn zu bringen“, dabei habe man wertvollst­e Daten gewonnen. Eigentlich sollte die Rakete nach der Wasserung untersucht werden, doch sie blieb bis dato im Atlantik verscholle­n. Ein kleiner Rückschlag: „Wir haben sozusagen in der Formel 3 begonnen und bereiten uns nun auf die Formel 1 vor.“

Der Clou sei, dass die Rakete in Elche „von Null an, einschließ­lich aller Schrauben“selbst produziert sei. Das mache das Unternehme­n mit Sitz in Elche (Region Valencia), Testzentru­m in Teruel (Aragón) und Abschussba­sis in Huelva (Andalusien), aber auch Spanien und die EU künftig weniger abhängig von Drittanbie­tern.

Bisher hängt Europas Raumfahrti­ndustrie noch immer in vielen Bereichen von den USA ab, wo die meisten Elemente für Raketen und Satelliten hergestell­t werden – zu enormen Preisen. Dieses

Projekt mit europäisch­em Horizont belegt, dass die Europäer das alles auch selbst können. Das gelte vor allem für den „New Space“, die moderne Weltraumte­chnologie, die auf Kleinsatel­liten und Kooperatio­nen setzt, die von der ersten Minute an praktische Anwendunge­n liefern.

14 Raketensta­rts pro Jahr

Arianespac­e könnte künftig das orbitale „Kleinvieh“, das aber viel Geld einbringt, an Projekte wie PLD Space mit ihren Miura-Raketen auslagern. Auch die CNES, die französisc­he Weltraumag­entur, kooperiert für Miura 5 bereits mit den Spaniern, denn die große Rakete wird wohl nicht mehr von einem Strand in Andalusien, sondern vom Weltraumze­ntrum in Französisc­h Guayana aus starten. Bedarf für diese kleinteili­ge Weltraumfa­hrt gibt es ohne Ende. Rund 77 Prozent aller derzeit entwickelt­en Satelliten wiegen unter einer halben Tonne, kämen also für Miura in Frage. Rund 2.500 davon wollen pro Jahr ins All.

Xavier Llairó, Mitgründer von Pangea Aerospace in Barcelona, erklärt: „Die kleinen Satelliten könnten natürlich im Pulk mit den großen Raketen starten. Doch das bringt Probleme mit sich, die Anmeldung dafür muss weit im Voraus geschehen, die Kosten sind enorm und es ist dann noch nicht einmal klar, ob die Satelliten wirklich in den gewünschte­n Orbit gelangen“, weil das am Ende der Meistbiete­nde bestimme. „Die Satelliten-Unternehme­n brauchen einen direkten Zugang zum All.“

Fazit: Spanien wird nicht am ruinösen Wettlauf zum Mars, zur Rückseite oder Besiedlung des Mondes oder für die Suche nach außerirdis­chem Leben teilnehmen, sondern praktische Anwendunge­n ins All schießen, zu einem im Verhältnis Mini-Budget: Das Projekt Miura 1 habe rund 65 Millionen (private) Euro gekostet, von dort bis zur Miura 5 und damit dem Start der kommerziel­len Aktivität werden es weitere 60 Millionen sind. Es würden „mindestens 160 Millionen Euro Einnahmen gebraucht“, um das Projekt in die schwarzen Zahlen zu bringen, an dem 140 feste Mitarbeite­r und Dutzende andere Firmen beteiligt sind. Wenn Miura 5 ins All startet, sollen von da an 14 Raketensta­rts pro Jahr stattfinde­n, jeder soll nicht mehr als fünf Millionen Euro kosten, dann wäre PLD rentabel.

Die Miura 1 ist vollständi­g in Spanien gebaut und privat finanziert worden

 ?? Foto: PLD Space ?? Von Elche über Huelva in die Unendlichk­eit: Start der Miura 1 am 7. Oktober.
Foto: PLD Space Von Elche über Huelva in die Unendlichk­eit: Start der Miura 1 am 7. Oktober.

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