Auf Umwegen nach Vera
Das Abenteuer, das Karin und Volker Radomsky vor 30 Jahren nach Spanien führte
Vera – sg. Karin und Volker Radomsky feiern in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Seit 30 Jahren leben die 68- und 74-jÄahrigen Deutschen aus Bayern in Vera. „Das war das beste, was wir gemacht haben“, sagt Karin Radomsky heute. „Wir sind nicht ausgewandert“, schiebt sie hinterher, „sondern hängengeblieben.“Wie es zu dieser abenteuerlichen Geschichte kam und was ein angeblicher Prinz aus Saudi-Arabien damit zu tun hat, erzählen sie bei Kaffee und Kuchen in ihrem Haus in Las Bunganvillas in Vera.
Nachdem sie ihren Urlaub 1973 das erste Mal in Spanien in Salou verbrachten, entschieden sie sich 1989 Timeshare-Eigentümer zu werden mit dem Recht, jedes Jahr eine Ferienunterkunft in einer bestimmten Zeit zu bewohnen. Der Anbieter lud die Radomskys nach Vera ein, um sich das Angebot vor Ort anzusehen. „Wir flogen von München nach Almería und sind dann weiter mit dem Bus gefahren, damals gab es ja noch keine Autobahn, nur Serpentinen durch die Dörfer“, erzählt Karin Radomsky. „Es ging rauf und runter und wir fragten uns, wo denn das Meer war.“Bis es in Garrucha wieder auftauchte.
Denkwürdige Begegnung
Der erste Eindruck? „Wunderbar“, sagt Karin Radomsky, „mit der Sierra Cabrera im Hintergrund, wo unsere Zwillings-Töchter reiten konnten.“Die Familie nutzte das Timesharing, um sich so viel von Spanien anzusehen. Dass es sie schließlich nach Vera zog, hat mit einer denkwürdigen Begegnung in einer Hotel-Bar in München zu tun.
Die Radomskys besuchten eine Managementschulung für Timesharing. Nach einem langen Tag fragte Volker Radomsky in der Bar nach etwas zu essen und bemerkte, dass er gemustert wurde von einem Mann, der sich später als fünfter Prinz von Saudi Arabien vorstellte.
Die Männer kamen ins Gespräch und der Saudi machte einen Vorschlag. „Er wollte sich Bayern ansehen, aber inkognito, und ich sollte Fahrer und Guide sein“, sagt Volker Radomsky. Beim darauffolgenden Treffen kamen die Radomskys aus dem Staunen nicht heraus. „Er hatte uns durchleuchtet. Er erzählte uns, wie unsere Eltern und Geschwister hießen und dass ich als Sicherheitskraft für die US-Militär-Polizei in Bad Aibling arbeitete“, sagt Volker Radomsky. Er nahm den Job schließlich an und führte seinen Auftraggeber
durch Bayern. Das schien ihm so gut gefallen zu haben, dass er dem Deutschen das nächste lukrative Angebot machte: „Ich sollte für ihn in Kairo arbeiten für eine Menge Geld im Monat. Was genau ich zu tun haben sollte, war aber nicht ganz klar.“Die Radomskys überlegten und beschlossen, sich auf das Abenteuer und viele Geld einzulassen. „Wir haben in München alles aufgelöst. Die 16-jährigen Zwillinge waren in Deutschland ab- und an einer deutschen Schule in Kairo schon angemeldet“, erzählt Karin Radomsky.
Die Familie packte und machte sich im Auto auf den Weg. „Wir haben das zunächst als Urlaubsreise gesehen“, sagt Karin Radomsky. Bis zu einem Morgen 1992,
als sie im Hafen von Monaco frühstückten und aus den Nachrichten erfuhren, dass in Ägypten auf einen Bus mit Deutschen geschossen worden war. Sie beschlossen, den Plan Kairo aufzugeben. Nach Deutschland sollte es aber auch nicht zurückgehen. „Wir sind erstmal nach Spanien nach Puebla Laguna in Vera gefahren, wo wir ein Timesharing-Apartment für fünf Wochen hatten.“Aus den fünf Wochen wurden 30 Jahre.
„Es gab Schwierigkeiten am Anfang“, erzählt Karin Radomsky. „Erst fanden die Mädchen das Leben in Spanien lustig, aber hatten dann Probleme in der Schule wegen der Sprache. Sie hatten noch keine Freunde und wussten nicht, wo sie hin gehen sollten. Aber das hat sich eingespielt. Aus beiden ist etwas geworden.“Volker Radomsky baute sich ein Geschäft mit Handwerkerarbeiten auf und arbeitete zusätzlich 16 Jahre lang beim Aufbau des Oktoberfestes und auf vielen Dächern in München.
1997 kauften die Radomskys ein Eckhaus in der neuen Urbanisation Complejo de Mar in Pueblo Laguna in Vera - und leben noch heute hier. „Ich hatte nie das Gefühl, hier weg zu müssen.“Ob sie je etwas vermisst haben? „Überhaupt nichts“, sagt Karin, während Volker Radomsky Weißwurst, Breezen und Prinz Regent Torte einfallen. „Aber da würde ich wohl auch in Norddeutschland nicht so schnell fündig werden.“
Volker und Karin Radomsky haben den Wandel der Region miterlebt. „Damals gab es noch nicht viel, außer der FKK-Anlage in Vera, die vom Jugoslawien-Krieg profitierte“, erzählt Karin Radomsky. „Nach Mojácar zog es eher die Aussteigertypen, Hippies und Steuerflüchtige, die schnell Spanisch lernten und sich nicht zu erkennen gaben.“
Zu Anfang hat sich Karin Radomsky ein wenig als Freiwild gefühlt. „Manche Männer haben mit einem Lächeln puta (Hure) zu mir gesagt, wenn ich an ihnen vorbei ging.“Sie stand nicht allein mit dem unguten Gefühl da. „In den 1990er Jahren eröffneten ein paar Frauen ein Damencafé, das Rosa Café, das von außen und innen rosa gestrichen und dekoriert war. Zu Anfang hatten nur Frauen Eintritt, später durften dann auch Männer hinein.“
Deutschland empfinden Karin und Volker Radomsky, wenn sie zu Besuch sind, eher als stressig. „Die Menschen haben für nichts Zeit, aber fliegen und fahren überall hin, das ist schlimm“, sagt Karin Radomsky. In Spanien fühlen sie sich integriert. „Man kennt uns. Wir gehören dazu und sind akzeptiert. Unsere spanischen Nachbarn sehen uns nicht mehr nur als Deutsche und holen sich Tipps von Volker, das ist toll.“
„Spanische Nachbarn sehen uns nicht mehr nur als Deutsche, das ist toll“