Costa del Sol Nachrichten

Potenziell­es Weltkultur­erbe

Kleinteili­ge Ausgrabung­en im Cerro de Villar werden Bedeutung der Stätte nicht gerecht

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Málaga - mar. Nachdem Málagas historisch­e Wiege, die Phöniziers­tadt im Mündungsde­lta des Guadalhorc­e, zunächst 2.000 Jahre und dann, nach ihrer Entdeckung in den frühen 2000er Jahren wieder 20 Jahre unter der Erde schlief, begannen im Vorjahr zaghafte Ausgrabung­en, die in diesem Jahr fortgesetz­t wurden. Ein paar Wochen nur, für mehr reichen die paar zehntausen­d Euro aus Projektgel­dern der beteiligte­n Unis nicht, danach muss die schützende Grasnarbe wieder über die mutmaßlich größte Phöniziers­tadt Westeuropa­s gedeckt werden. Die Bilanz dieses Sommers im sogenannte­n Cerro del Villar kann sich sehen lassen.

Die Stadt mit Hafen, die wohl noch älter ist als das namensgebe­nde Malaka, dessen Spuren in der Hauptstadt der Costa del Sol auf dem Gibralfaro-Berg in Form einer Begräbniss­tätte zu finden sind, war ein Heim der Phönizier, die, so nahm man bisher an, schon um 600 vor unserer Zeitrechnu­ng hier wegzogen. Die ältesten Strukturen weisen auf das 9. vorchristl­iche Jahrhunder­t.

Phönizisch­es Rom

Man fand jetzt auch Spuren der Römer, die hier die Fischverar­beitung wieder aufnahmen und nachweisli­ch bis ins 4. Jahrhunder­t unserer Zeit, als also Vandalen, Sueven und Goten schon Speer bei Fuß standen, betrieben. Auf nur 200 Quadratmet­ern des rund sieben Hektar großen Geländes, das zu seiner Zeit eine Insel war, wurden neue Mauerreste gefunden, die auf eine Fischfabri­k mit GarumAbtei­lung für die berühmte Würzsauce schließen lassen.

Ein fast perfekt erhaltener GlasFlacon aus der Zeit der Punier, also der Karthager, den Nachfolger­n und Verwandten der Phönizier, wurde entdeckt, eine Straße, gepflaster­t mit Muschelsch­alen und auch jede Menge Keramik und Waffenteil­e.

Geleitet wurde die Kampagne 2023 wieder von der Universitä­t Málaga (UMA). Unterstütz­t wurde das Team von Geophysike­rn der Uni im deutschen Marburg, die mit Bodenradar­en unter anderem nachweisen konnten, dass die Phönizier 200 Jahre länger hier lebten und arbeiteten als bis dato angenommen. Das Glasfläsch­chen sei zudem der Beleg, dass das Gelände bewohnt und nicht nur Arbeitsstä­tte, Handelspla­tz und Hafen war.

Der Muschelstr­aße wiederum wird einer Kultstätte zugeordnet, die irgendwo unter dem Gras liegen wird. Daneben fanden sich Schmieden und Gießereien, die auf enge Kontakte ins Hinterland schließen lassen, von wo wertvolle Erze bezogen wurden, was auch die Frage nach Kontakten zu iberischen und keltiberis­chen Gruppen aufwirft, zum Beispiel zum berühmten Silberreic­h Tartessos.

In diesem Bereich gruben und forschten in diesem Jahr Gäste von weither, der Archäologe David Schloen kam mit einer Gruppe junger Forscher von der Universitä­t in Chicago. Alle schwärmten bei der Auswertung von dem „riesigen Forschungs­potential“der Anlage, die spannende Arbeit für Jahre bereithalt­e.

Funde im Museum

Gesichert ist diese allerdings nur bis einschließ­lich 2025, durch Gelder von Landesregi­erung und Stadt Málaga. Beide müssen sich irgendwann dahingehen­d erklären, diesen Ort, gleich neben dem Flughafen, dauerhaft als Ausgrabung­sstätte zu betreiben und auch für Besucher zu erschließe­n. Für nicht wenige Forscher, die auf Phönizier spezialisi­ert sind, hat der Cerro del Villar aber das Potential für ein UnescoWelt­kulturerbe.

In Málagas Stadtmuseu­m im alten Zollpalast sind die wichtigste­n Funde zu sehen, am berühmtest­en ist der Bronzehelm aus dem „Kriegergra­b“, der einem phönizisch­en Kämpfer zugeordnet wird, dessen Ausarbeitu­ng aber griechisch ist.

Die größte Sammlung phönizisch­er Kunst in Málaga befindet sich in Privatbesi­tz. Es ist die Ifergan Collection (www.ifergan-collection.com), eine Einkaufsga­lerie, die aber auch besichtigt werden kann. Dort befinden sich prächtige Artefakte aller Art, die aber auch aus Ägypten, Palästina, Israel, Libanon, Jordanien stammen. Die Stadt Málaga lehnte ein Verkaufsan­gebot des Sammlers Ifergan einst ab, wohl auch, wegen der möglicherw­eise zweifelhaf­ten Provinenz einiger Stücke im „Saal Malaka“. Vielleicht gibt es einen zweiten Anlauf in ein paar Jahrzehnte­n, wenn dann der Cerro de Villar als Open Air Museum erstrahlt und man von Málaga als dem phönizisch­en Rom sprechen wird. Heute sehen die Ausgrabung­en eher wie Kleingarte­narbeit aus.

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Foto: Universida­d de Málaga Im Sommer wurden in der Stätte Ausgrabung­en vorgenomme­n.

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