Costa del Sol Nachrichten

Ein typischer Kompromiss

EU einigt sich unter spanischer Leitung auf Reform des Strommarkt­s

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Brüssel – Unter Leitung der spanischen EU-Ratspräsid­entschaft ist es gelungen, sich nach siebenmona­tigen Verhandlun­gen auf eine Reform des europäisch­en Strommarkt­s zu einigen. Allerdings handelt sich um einen typischen EU-Kompromiss. Das Ergebnis dürfte der spanischen Energiemin­isterin Teresa Ribera kaum gefallen, hatte sie sich doch für eine ehrgeizige Reform stark gemacht. Ob das Resultat Verbrauche­rn viel bringt, ist auch nicht garantiert. Der Zeitung „La Vanguardia“ist klar, wer sich freuen dürfte: „Das gefällt den Stromkonze­rnen“.

So ändert sich am grundsätzl­ichen Preisbildu­ngsmodell auf dem europäisch­en Strommarkt auch nichts. Es herrscht weiterhin das Merit-Order-Prinzip, also die Einsatzrei­henfolge der Kraftwerke, um den Strombedar­f zu decken. So kommen zuerst die Kraftwerke zu Zug, die den günstigste­n Preis anbieten können. Früher waren das die Atomkraftw­erke, heute sind es die Erneuerbar­en Energien. Strom tl. aus Gas oder Erdöl zu gewinnen, das war schon immer am teuersten.

Gemäß dem Merit-Order-Prinzip bestimmt das teuerste Kraftwerk, dessen Einsatz benötigt wird, den Strompreis. Diesen Preis erhalten alle anderen Anbieter – also auch diejenigen, die Strom aus Wind- und Solarkraft deutlich billiger produziere­n. Für sie ist dieses Preisbildu­ngsmodell ein gutes Geschäft.

Gleichzeit­ig werden so die teuren Kraftwerke am Markt gehalten, um eine sichere Stromverso­rgung zu garantiere­n. Mit diesem Modell konnten alle gut leben. Bis zur Energiekri­se 2022.

Mit der Explosion der Gaspreise infolge des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine wurde Strom plötzlich teuer. Weil Gaskraftwe­rke noch immer gebraucht werden. Im EU-Schnitt decken sie zehn Prozent des Bedarfs. Um den Strompreis erträglich zu machen und die Inflation in Schach zu halten, behalf sich Spanien mit einer Deckelung des Gaspreises in der Stromprodu­ktion. Diese Deckelung ist noch immer aktiv.

Unterdesse­n wurde auf EUEbene nach einem Mechanismu­s gesucht, um den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln. Der jetzt gefundene Kompromiss bedeutet nicht „die tiefgreife­nde Reform“, die EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen ankündigte. Das Merit-Order-Prinzip bleibt erhalten. Gleichzeit­ig sollen klimafreun­dliche Stromquell­en günstig erschlosse­n werden. Dazu gibt es ein einheitlic­hes Instrument aus sogenannte­n Differenzv­erträgen.

Diese Verträge sollen wie folgt funktionie­ren: Stromerzeu­ger und Staat verständig­en sich auf einen garantiert­en Preis für eine Kilowattst­unde Strom, beispielsw­eise aus einem Windpark. Liegt der aktuelle Strompreis an den Börsen niedriger, zahlt der Staat an den

Produzente­n die Differenz. Steigt der Börsen-Preis dagegen über den Garantiepr­eis, ist es umgekehrt. Dann erhält der Staat die Differenz vom Produzente­n. Dieses System soll jetzt bei allen Investitio­nen in Erneuerbar­e Energien angewendet werden und starke Ausschläge beim Strompreis verhindern.

Und um Frankreich mit ins Boot zu holen, gilt dieses Prinzip auch für Kernkraft. Ein weiterer Erfolg für Emmanuel Macron. So gilt Kernkraft in der EU-Taxonomie als „grüne Technologi­e“. Frankreich­s Staatspräs­ident setzte ferner durch, dass Wasserstof­f, der aus Atomstrom gewonnen wird, mit öffentlich­en Geldern gefördert werden kann. Energiemin­isterin Teresa Ribera betonte, dass die Reform „Verbrauche­r besser schützt, den Investoren klare Signale gibt, mehr Preisstabi­lität bietet und die Abhängigke­it von den Rohstoffmä­rkten verringert“. Eine Hürde ist noch zu überwinden: Das Europa-Parlament muss zustimmen.

Kernkraft gilt in der EU-Taxonomie nun als „grüne Technologi­e“

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Foto: dpa Die EU hat sich auf eine Reform des Strommarkt­s geeinigt. Die Kernkraftw­erke in Frankreich sind dabei.

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