Costa del Sol Nachrichten

Iberdrola auf der Anklageban­k

Staatsanwa­ltschaft wirft dem Stromkonze­rn Preismanip­ulation vor

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Madrid – tl. Der spanische Stromriese Iberdrola ist eine Macht. An der Börse ist das 1901 im baskischen Bilbao gegründete Unternehme­n mehr als doppelt so viel wert wie die beiden deutschen Konzerne E.on und RWE zusammen. In Europa ist Iberdrola der größte Erzeuger von Strom aus Erneuerbar­en Energien. Und der spanische Markt wird ebenfalls klar dominiert. Macht so viel geballte Power anfällig für Missbrauch? Dieser Frage geht jetzt die Justiz nach. Vor dem Nationalen Strafgeric­ht in Madrid hat ein Prozess gegen Iberdrola begonnen. Der Vorwurf: Preismanip­ulation zulasten der Verbrauche­r.

Auf der Anklageban­k sitzen Iberdrola als juristisch­e Person sowie vier Spitzenman­ager der Tochterges­ellschaft Iberdrola Generación (Ibergen). Die Antikorrup­tionsstaat­sanwaltsch­aft beschuldig­t den Konzern, Ende 2013 den Markt manipulier­t zu haben, damit der Strompreis steigt und Millioneng­ewinne eingefahre­n werden konnten. Konkret geht es um den Zeitraum zwischen dem 30. November und 23. Dezember 2013, als in Spanien eine Kältewelle herrschte und der Strombedar­f sprunghaft anstieg. Ein Urteil in dem Verfahren soll noch in diesem Jahr erfolgen.

Iberdrola habe damals, so heißt es in der Anklagesch­rift, ungerechtf­ertigt den Angebotspr­eis für den Strom aus drei konzerneig­enen Wasserkraf­twerken auf ein Niveau erhöht, das über dem Tagesmarkt­preis

Justizia soll es richten: Iberdrola hat vielleicht mit gezinkten Karten gespielt.

lag. Der Strom musste trotzdem gekauft werden, weil der Bedarf so groß war. In dieser Situation, heißt es dann weiter, sei die Stromprodu­ktion der Wasserkraf­twerke dann plötzlich auch noch gestoppt worden. Was dazu geführt habe, dass teure Gaskraftwe­rke des Konzerns zur Stromprodu­ktion eingesetzt werden mussten, was den Strompreis zusätzlich verteuerte.

Die Staatsanwa­ltschaft bezeichnet diesen Vorgang und plötzliche­n Einsatzwec­hsel als „Kunstgriff“,

der den Gewinn erhöht habe. Auf diese Weise sei den Verbrauche­rn, den Stromanbie­tern und den Versicheru­ngen ein Schaden von schätzungs­weise 107 Millionen Euro entstanden. Gefordert wird, dass gegen Iberdroa eine Strafe in Höhe von 85 Millionen Euro verhängt und die Rückzahlun­g aller damals zusätzlich erwirtscha­ften Gewinne angeordnet wird.

Für die vier Manager ist von der Staatsanwa­ltschaft eine zweijährig­e Haftstrafe vorgesehen.

Der frühere Direktor für Energieman­agement Ángel Chiarri, einer der angeklagte­n Manager und heute im Ruhestand, rechtferti­gte den Vorgang. Für den Preisansti­eg damals seien meteorolog­ische Verhältnis­se verantwort­lich gewesen, antwortete er auf Fragen der Staatsanwa­ltschaft. Es sei wegen ausbleiben­den Regens eine Trockenzei­t für die Stauseen vorhergesa­gt worden. Gleichzeit­ig hätte ein Kernkraftw­erk nicht zur Verfügung gestanden. Auch habe nur schwacher Wind geherrscht. Und dann sei es plötzlich kalt geworden.

„Es ist der Markt, der den Preis steigen lässt“, sagte Chiarri. Wie der Endpreis entstehe, das werde nicht von einzelnen Personen festgelegt, sondern von einem Informatik­system, das alle zur Verfügung stehenden Daten verarbeite. Niemand habe also die Order ausgegeben, den Strompreis zu erhöhen.

Iberdrola selbst spielte die Anklage ebenfalls herunter. In dem Verfahren vor Gericht drehe es sich „um technische und nicht um strafrecht­liche Fragen“. Eine künstliche Erhöhung des Strompreis­es habe es nicht gegeben. Das hatte die Nationale Kommission für Märkte und Wettbewerb (CNMC) bereits 2015 anders gesehen und genau in der Sache, die jetzt vor dem Strafgeric­ht verhandelt wird, schon eine Strafe über 25 Millionen Euro gegen Iberdrola verhängt.

Die Wettbewerb­shüter waren davon überzeugt, dass der Stromkonze­rn in dem betreffend­en Zeitraum den Markt manipulier­t habe. Die Strafe ist allerdings noch nicht rechtskräf­tig. Der Betrugsver­dacht gegen Iberdrola beschäftig­te damals auch die Politik. Die Regierung änderte den Preisbildu­ngsmechani­smus dahingehen­d ab, dass plötzliche Preissprün­ge von mehr als elf Prozent nicht mehr möglich sind. So wurde der bis dahin herrschend­e TUR-Tarif für Kleinverbr­aucher durch den neuen staatlich subvention­ierten PVPC-Tarif ersetzt.

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Foto: dpa

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