Der Fiskus – rette sich wer kann!
Rekord: Spanier haben 140 Milliarden Euro in Steueroasen liegen
Madrid – tl. Es zählt zu den Weisheiten der Binse: Steuern zahlen nur Arme. Denn Reiche beherrschen die Tricks der Steuervermeidung. Umso erstaunlicher mutet das Ergebnis an, zu dem die EUSteuerbeobachtungsstelle kommt. Die vom französischen Ökonom Gabriel Zucman geleitete Stelle hat festgestellt, dass die Flucht in Steuerparadiese oder Offshore-Gebiete zurückgeht. Es ist schwieriger geworden, Vermögen zu verstecken. Nicht nachgelassen hat die Flucht zur Steuerminimierung.
Nach Daten der Beobachtungsstelle haben Spanier 140 Milliarden Euro in Offshore-Gebieten liegen. Das entspricht 10,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder dem Zweifachen des Budgets für Bildung und Erziehung. Die Summe ist die höchste seit zwei Jahrzehnten. Auch bei der Besteuerung von multinationalen Konzernen, die ihre Gewinne in Spanien gerne umleiten, besteht noch Luft nach oben. Laut Beobachtungsstelle sind der Steuerbehörde Agencia Tributaria rund 4,5 Milliarden Euro durch die Lappen gegangen.
„Steuerflucht, Verschleierung von Vermögen und der Transfer von Gewinnen in Steuerparadiese sind keine Naturgesetze. Sie beruhen entweder auf politischen Entscheidungen oder aber auf der Unfähigkeit, diese Entscheidungen anzuwenden“, sagte Gabriel Zucman bei der Vorstellung des Berichts. Allerdings gebe es Fortschritte wie den automatischen Austausch von Bankdaten seit 2017. Seitdem ist die Steuerflucht drastisch zurückgegangen. Waren Anfang des Jahrhunderts 95 Prozent des Vermögens in Steuerparadiesen nicht deklariert, sind es jetzt wohl nur noch 27 Prozent.
Grundsätzlich ist der Vermögenstransfer in Offshore-Gebiete nicht illegal, sofern die steuerlichen Bedingungen eingehalten werden. Nicht kleiner geworden ist die Gesamtsumme an Aktiva, die in Steuerparadiesen lagern.
Die Beobachtungsstelle geht für das Jahr 2022 von zwölf Billionen Dollar aus. Was etwa dem Zehnfachen des spanischen BIP entspricht. Wobei die Schweiz ihre Stellung als Hauptempfänger verloren hat – von 50 auf jetzt 20 Prozent. Zugelegt haben OffshoreZentren in Asien wie Hongkong oder Singapur. Luxemburg ist das einzige Land der EU, das unter den Top Ten der weltweiten Steuerparadiese gelistet wird.
Einen erheblichen Anteil am Steuerverlust haben Milliardäre. Während die Superreichen ihr Vermögen in den vergangenen 25 Jahren verdreifacht haben, hat die Mittelschicht gerade einmal plus drei Prozent erreicht. Die Beobachtungsstelle geht davon aus, dass Milliardäre allenfalls zwischen 0,5 und einem Prozent normal an Steuern zahlen, da sie vielfach das Instrument der Vermögensgesellschaften nutzen. Die Beobachtungsstelle bringt für Milliardäre – ihre Zahl wird auf 2.700 und ihr Gesamtvermögen auf 13 Billionen Dollar geschätzt – eine globale Zwei-Prozent-Steuer ins Spiel.
Zwölf Billionen Dollar lagern in Offshore-Gebieten
Die Gewinner der Globalisierung aber sind multinationale Konzerne, die ihre Gewinne locker dahin transferieren können, wo eine laxe Steuergesetzgebung herrscht. Laut Beobachtungsstelle fließen 36 Prozent und eine Billion Dollar der Gewinne, die Konzerne außerhalb ihres Heimatlands erwirtschaften, in Steuerparadiese. Der Steuerverlust der betroffenen Staaten
summierte sich 2020 auf 169 Milliarden Dollar.
Im Kampf gegen Steueroasen haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent für internationale Unternehmen geeignet. Die EU-Länder leiden am stärksten unter der Steuervermeidung. Im Schnitt gehen 20 Prozent der Unternehmensbesteuerung verloren. Deutschland führt die EU-Liste an mit 26 Prozent an Steuerverlust. Auch Großbritannien kommt auf 25 Prozent. In Spanien sind es 16 Prozent. Am liebsten lassen Konzerne die Gewinne in die Niederlande fließen. Dorthin kamen 2020 rund 180 Milliarden Dollar. Es folgten Irland mit 145 Milliarden und die Schweiz mit 83 Milliarden Euro. Die Gewinne, die multinationale Konzerne in Spanien erwirtschaften, fließen hauptsächlich in die NiedrigsteuerStaaten der EU. Von den 15 Milliarden Dollar sind das 13 Milliarden.