Musikalische Weltumseglung
Mega-Event: Im 24. Jahr kommen die Latin Grammys erstmals ins „Mutterland“nach Spanien
Sevilla – mar. Politiker aller andalusischen Ebenen waren ganz aus dem Häuschen, als sie erfuhren, dass die Latin Grammys, die Hispano-Ableger der wichtigsten USMusikpreise, in ihrem 24. Jahr erstmals nach Europa kommen würden. Natürlich an die Mutterbrust der US-Hispanos, nach Spanien und noch genauer, nach Sevilla, die Stadt des Kolumbus und der ersten Weltumsegelung, jener Auftaktveranstaltungen, die die Kolonialisierung einleiteten und letztlich auch dazu führten, dass spanische Sprache und Musik auch in den USA selbst immer mehr den Ton angeben. Also eigentlich ist es eine Rückkehr zur kulturellen Großmutter: Latin Grannys, sozusagen.
Sound der Generation Ñ
Sevilla wird am 16. November im Fibes-Kongresszentrum die große Gala austragen, die im öffentlichen Fernsehen übertragen und weltweit ein paar hundert Millionen Zuseher erreichen wird. Rom wäre für einen Latin Grammy dann die logische nächste Station, denn auch ItaloHits und Tangos, Chanson, Jazz, Flamenco und Fado haben im Rahmen der Grammys ihren Platz. Veranstaltungen wird es auch im Vorfeld geben, wie Konzerte auf der Plaza de España in Sevilla. Dazu das traditionelle Unplugged-Aufnahme-Event, es wird diesmal mit Niña Pastori, Lola Índigo und Omar
Montes in der Alhambra von Granada aufgezeichnet, einige Konzerte in Málaga dürfen sich ebenfalls das Grammy-Logo anheften.
Eine gigantische Werbung seien die Grammys Latinos für Sevilla, freut sich die Stadt, auch wenn das Kalkül der Musikindustrie eher in der Nabelschau mit „Penetrierung von Märkten“liegen dürfte. 12.000 Gäste erwartet Sevilla in der Grammy-Woche, der „economic impact“wird auf 500 Millionen Euro kalkuliert, großzügig, denn irgendwie musste die Landesregierung die 18 Millionen Euro Steuergelder rechtfertigen, die sie dem Event in den lauten Rachen schmeißt.
Gestiegene Präsenz und Selbstbewusstsein der „Generation Ñ“, wie die Latinos in den USA zusammengefasst werden, vereinigt sich mit dem Temperament der lateinamerikanischen Länder und die Musik ist und war neben der Sprache schon immer ihre intensivste
Ausdrucksform. Wie die Dialekte des Spanischen, dröhnt, hämmert und schmalzt auch die Latino-Musik in unterschiedlichsten Mundarten, aber bleibt eben immer unverkennbar „latin“. Das gilt für den spanischen Grammy-Rekordhalter
Alejandro Sanz (18 Trophäen), ein Schlagerbarde mit durchaus anspruchsvollem musikalischem Talent ebenso wie für die Weltrekordhalter Juan Luis Guerra und Shakira (24), zwei jener Latin-Stars, die wirklich weltweiten Ruhm einfuhren, während viele andere, die in der Latino-Welt Superstars sind, im Rest der Welt unbekannt blieben, vor allem der Sprache wegen und weil „Weiße“einfach nicht tanzen können.
Branchenikone Rosalía
La Rosalía, die spanische Selfmade-Allrounderin und sich geschickt inszenierende VollblutKünstlerin, wahrscheinlich das Beste, was Spanien seit Paco de Lucía musikalisch hervorbrachte, ist an dem Ausflug der Latin Grammys nach Europa nicht unschuldig. Sie sahnte seit 2019 ein Dutzend Trophäen ab, bildet für die GrammyMaschine die perfekte Symbiose, ist ihr Plus ultra: Flamenco-Elemente, gepaart mit Trap und urban Raeggetón, herzzereißende Balladen voller kompositorischer Vielfalt, neben stampfenden Tanznummern und Sommerhits mit Karibikhauch.
Der Polígono Sur Sevillas trifft auf die Wellblechhütten Puerto Ricos, aber mit viel Glitter und Kunstnägeln. Eine musikalische Brücke spannt sich über eine Welt, in der die Sonne nicht untergeht und in der stets die Kasse klingelt. Rosalía ist
Im Reich der Latin Grammys geht die Sonne nie unter