Liebe Leser,
die Vorweihnachtszeit mutet jedes Jahr wie einer dieser Parcours-Wettkämpfe an, wie ein Hindernislauf bis zum besinnlichen (?) Fest. Wir springen auf die Züge von Black Friday und Cyber Monday auf oder weichen ihnen aus, lösen das Rätsel, bei welcher Hilfsorganisation wir am besten unser soziales Gewissen beruhigen können, laufen im Kaufrausch Slalom um bettelnde und obdachlose Menschen auf den Straßen, die zwischen blinkenden Schaufenstern zum festen Bestandteil der urbanen Weihnachtsdeko geworden sind.
Überfluss auf der einen, Armut auf der anderen Seite. In einer Welt der Widersprüche, der Scheren und Lücken, treten diese Gegensätze in der Weihnachtszeit noch deutlicher in Erscheinung als sonst. Man denke nur mal an die so oft gehörte Geschichte von der entbehrungsreichen Reise nach Bethlehem, die wir alle von Kindesbeinen kennen, angesichts der Stimmung der Las-Vegas-Weihnachtsbeleuchtungen wie in Vigo oder Málaga, die wir heute vorgesetzt bekommen.
Die Gewinner dieses Advent-Hindernislaufs sind aber nicht etwa diejenigen, die am entspanntesten aus dem Kauf- und Konsummarathon in die Feiertage gehen, sondern jene, die sich inmitten dieser Hektik auf das Wesentliche konzentrieren konnten. Es sind die freiwilligen Helfer, die sich bei der großen Sammelaktion der Lebensmittelbanken am vergangenen Wochenende engagiert haben. Denn sie öffnen armen Familien Türen anstatt sie vor ihnen zu verschließen. Und die kleinen Wohltätigkeitsvereine und Einrichtungen, die in diesen Wochen dafür sorgen, dass jedes Kind beim Fest ein Geschenk auspacken darf. Die großen Hilfsorganisationen, die in diesen Tagen genauso viel Menschlichkeit und Solidarität in die Krisengebiete dieser Welt bringen wie im restlichen Jahr. Es sind Sie und ich, falls wir es schaffen, uns dem Rausch zu entziehen und uns ebenfalls auf das Wesentliche zu konzentrieren. Möglichkeiten gibt es genug, blättern Sie mal unsere Zeitung durch.