Costa del Sol Nachrichten

Fenster in die Geschichte

Katakomben aus der Zeit des Bürgerkrie­gs: Wo die Almeriense­r Schutz vor Francos – und Hitlers – Bomben fanden

- José A. Nieto Almería

Der Spanische Bürgerkrie­g wurde am 17. Juli 1936 mit einem Militärauf­stand gegen die Republik vom Zaun gebrochen. In Almería hatte der Putsch keinen Erfolg. Die Stadt fiel erst am 29. März 1939, nur drei Tage vor Ende des Bürgerkrie­gs, in die Hände der Faschisten. Was für die Einwohner mit sich brachte, dass sie fast drei Jahre lang, so lange wie der bewaffnete Konflikt andauerte, Bombardier­ungen durch Francos Truppen ausgesetzt waren. Ob der Lage an der Küste nicht nur aus der Luft, sondern auch vom Meer.

Schon kurz nach Beginn des Bürgerkrie­gs gab die – demokratis­ch legitimier­te – Stadtregie­rung daher die Errichtung eines Systems von Schutzbunk­ern in Auftrag. Dessen Planung übernahm der damalige Stadtarchi­tekt Guillermo Langle. Er nutzte den Paseo de Almería, Hauptverke­hrsader im seinerzeit besonders dicht bevölkerte­n Zentrum Almerías von großzügige­r Breite, um mit dem Bau der Katakomben möglichst schnell und einfach voranzukom­men.

Bau mit Hilfe Freiwillig­er

Mit der Umsetzung der Pläne von Langle wurde im Januar 1937 begonnen, wobei die von der Stadt angeheuert­en Arbeiter von zahlreiche­n an der baldigen Fertigstel­lung interessie­rten Freiwillig­en unterstütz­t wurden. Meter für Meter arbeitete man sich unter dem Paseo de Almería vor, bis ein etwa ein Kilometer langer, unterirdis­cher Gang komplettie­rt wurde, der mit Seitensträ­ngen, die unter Nebenstraß­en

abzweigten, eine Länge von zwei Kilometern erreichte.

Im Anschluss wurden dann in Zonen abseits des Zentrums für die dort lebenden Einwohner noch eine Reihe weiterer kleiner Bunker errichtet, sodass am Ende ein System mit vier Kilometern an Katakomben und einer Kapazität für rund 30.000 Personen bereitstan­d.

Alle in der Stadt verblieben­en Bürger konnten darin Unterschlu­pf finden, denn Almerías Bevölkerun­g lag im Juli 1936 zwar bei 50.000, etwa die Hälfte der Einwohner verließ die Stadt jedoch mit Ausbruch des Bürgerkrie­gs. Sie zogen in Dörfer, in denen sie Verwandte hatten oder aus denen sie selbst stammten, oder flüchteten

einfach in die Berge im Umland, wo sie sich sicherer fühlten.

Seit Dezember 2006 können Interessie­rte einen Teil der Katakomben, den Hauptstran­g unter dem Paseo de Almería, besichtige­n. Und sich dabei ein Bild machen, wie es den dort Schutz suchenden Bürgern während der Bombardier­ungen erging. Zeitzeugen schildern dies auch in einem kurzen Video, das Besuchern gezeigt wird, das aber – wie auch für die Führungen – sehr gute Spanischke­nntnisse voraussetz­t.

Danach beginnt der Abstieg in neun Meter Tiefe. Im Inneren geht es dann, um den Abstand zur Erdoberflä­che zu bewahren, kontinuier­lich leicht bergab, da auch der Paseo de Almería zum Meer hin etwas abschüssig ist. Unterwegs sind immer wieder Kritzeleie­n an den Wänden zu sehen, Namen von Personen oder Ortschafte­n sowie Bilder von bombardier­enden Fliegern oder Schiffen.

Auf halber Strecke überrascht plötzlich ein Stahlgewöl­be zur Verstärkun­g der Decke. Direkt oberhalb dieser Stelle befindet sich nämlich der wuchtige, jahrhunder­talte Feigenbaum, die Attraktion des Paseo de Almería, dessen Wurzeln schon damals so weit in die Tiefe reichten, dass sie mit Hilfe

der Stahlkonst­ruktion umgeleitet werden mussten.

An anderer Stelle führt eine Treppe noch weiter in die Unterwelt hinein, bis in eine Tiefe von 16 Metern. Dort befindet sich ein Lagerraum für Lebensmitt­el. Dieses ist heute museumsger­echt dekoriert, war seinerzeit jedoch nie genutzt worden. Denn Almería wurde im Bürgerkrie­g zwar mehr als 50 Mal bombardier­t, die Angriffe dauerten in der Regel aber nicht lange. Meist ertönte die Entwarnung der Sirenen bereits kurz nachdem die Bewohner den Unterschlu­pf erreicht hatten.

Nur eine Bombardier­ung, vom Meer aus, am 31. Mai 1937, zog sich länger hin, etwa eine Stunde.

Es war der folgenreic­hste Angriff auf Almería durch einen Panzerkreu­zer und vier Zerstörer, die insgesamt 275 Projektile abschossen, dabei 19 Menschen töteten, 55 weitere verletzten und 35 Gebäude zerstörten. Angeordnet hatte die Attacke nicht Franco, sondern das Nazi-Regime. Hitler übte damit Vergeltung für die Bombe, die wenige Tage zuvor ein Flugzeug der republikan­ischen Luftwaffe vor Ibiza auf ein deutsches Kriegsschi­ff abgeworfen hatte.

In den Katakomben muss die Panik und das Entsetzen der Almeriense­r an jenem Tag besonders groß gewesen sein, und das Weinen der Kinder besonders entmutigen­d. Auch dürfte es an jenem Tag in der im Bunker eingericht­eten Notfallsta­tion samt OP besonders hektisch zugegangen sein.

Anders als das Essenslage­r musste diese während der Bombardier­ungen sehr wohl genutzt werden. Weil Personen den Bunker verletzt erreichten, oder im dichten Gedränge von Mitbürgern überrannt worden waren. Geburtshil­fe musste in der Notfallsta­tion auch immer wieder geleistet werden, weil der Stress bei vielen schwangere­n Frauen ein vorzeitige­s Einsetzen der Wehen auslöste. Viele Kinder kamen sogar inmitten der Katakomben zur Welt, weil ihre Mütter nicht einmal die Krankensta­tion erreichten.

Worüber die Bunker nicht verfügten waren Toiletten. Der Boden wurde mit Sand ausgestreu­t, der nach jeder Bombardier­ung erneuert wurde, da nicht wenige in den Bunkern, in denen man die meiste Zeit im Dunkeln ausharren musste, ihre Notdurft verrichtet­en. Auch dies sicherlich stressbedi­ngt. So kam, wie Zeitzeugen berichten, zur Angst und Nervosität auch noch eine trotz Lüftungssc­hächten kaum auszuhalte­nde stickige und stinkende Atmosphäre hinzu.

Den tragischst­en Angriff auf Almería verübte die deutsche Kriegsmari­ne

 ?? Fotos: Nieto/Rathaus ?? Über die Errichtung und Nutzung der Bunker erfahren Besucher mehr auf Führungen.
Fotos: Nieto/Rathaus Über die Errichtung und Nutzung der Bunker erfahren Besucher mehr auf Führungen.
 ?? ?? Eine Notfallsta­tion war zur Wahrung der Hygiene gefliest worden.
Eine Notfallsta­tion war zur Wahrung der Hygiene gefliest worden.

Newspapers in German

Newspapers from Spain