Heißer Herbsttipp
Selbst im Dezember bietet Murcia einladende Temperaturen zum Schlendern und Erkunden
Es ist mitten im Herbst und die kreuzförmige Leuchtanzeige der Farmacia in der Gran Via Alonso X el Sabio in Murcia zeigt 25 Grad an. Ein unstimmiges Bild vor Augen: Leichtbekleidete Menschen schlendern durch die Fußgängerzone unter den Platanenbäumen, die gerade ihr herbstliches Gewand vorführen. Die Sonne strahlt noch mit aller Kraft durch die goldig schimmernden Laubblätter. Nicht umsonst ist die Region von Murcia als Obstgarten Europas bekannt, die milden bis warmen Temperaturen erlauben es das ganze Jahr über, jegliche Obst- und Gemüsesorten anzubauen.
In der Einkaufsstraße, die von der Plaza Circular zum historischen Zentrum führt, ist schon am frühen Vormittag reger Betrieb – volle Terrassen, Gelächter und im Hintergrund die Klänge eines Akkordeon, das „I did it my way“spielt und von den Glockenschlägen der Kirche von Santo Domingo begleitet wird. Eine angeregte städtische Atmosphäre, die zum Erkunden einlädt.
Ein Ort des Geschehens
Die Gran Vía Alfonso X el Sabio, mündet in der Plaza de Santo Domingo, der Ort des Geschehens – lange war dies der Marktplatz und einst wurden hier sogar öffentliche Hinrichtungen vollzogen. Obschon die Plaza sich dieser Ämtern heute entledigt hat, dient sie dennoch als beliebter Treffpunkt für Murcianer aller Generationen. Denn die schattenspendenden Bäume und darunter der 100-jährige Ficus, das Herzstück im Zentrum des Platzes, laden auch an heißen Tagen zum Verweilen ein. Der Platz ist ein Ebenbild dieser lebhaften Stadt, wo Geschichte auf Kunst und Natur trifft. Historische Gebäude,
Skulpturen und Kunstwerke an jeder Ecke und beeindruckende Gärten.
Die Rosario-Kapelle aus dem 16. Jahrhundert und die Kirche
Santo Domingo aus dem 18. am Kopf der Plaza sind die letzten Überbleibsel des ehemaligen Klosters der Dominikaner. Eine Besonderheit der Santo-Domingo-Kirche sind die zwei Fassaden. Die eine, der Plaza Santo Domingo zugewandt, hat nur eine repräsentative Funktion. Da diese Seite an dem beliebten Platz liegt, ist sie besonders prachtvoll, doch sie hat keinen Eingang weil sie sich am Altarraum der Kirche befindet. Die zweite, die Hauptfassade blickt zur Plaza Romea hin. Von den drei geplanten Stockwerken wurden jedoch nur zwei gebaut und somit ist sie bis heute unvollendet.
In der Mitte der Plaza Santo Domingo, um den weisen Ficus herum, wurde anlässlich des Frühlingsfestes 2018 eine mehrere Meter breite Blumentopf-Wand errichtet. Das temporär gedachte
Kunstwerk fand solchen Anklang bei Bewohnern und Touristen, dass es zu einem festen Bestandteil wurde. Die weißen und roten Blumentöpfe sind so eingereiht, dass man von weitem das Wort „Primavera“, sprich Frühling darauf erkennt.
Der beliebte Treffpunkt markiert den Beginn der Calle Trapería, die Hauptstraße der Altstadt. Hier befand sich die Mauer, die nach der Eroberung der Stadt im Jahr 1266 durch Jaume I. errichtet wurde und Christen von Mauren trennte. Ihren heutigen Namen verdankt die Calle Trapería jedoch den späteren in ihr betriebenen Tätigkeiten. Hier befand sich die Zunft der Traperos – trapos bedeutet auf Spanisch Stofflappen und bezieht sich auf den Tuchhandel, der im 14. Jahrhundert in dieser Straße stattfand. Die weitreichende Fußgängerzone wird von unzähligen kleinen und großen Geschäften durchzogen. Süße „Tante-Emma-Läden“konkurrieren mit weltbekannten Franchisen.
Hoch hinaus
Die Kathedrale von Murcia, die sich am anderen Ende der Calle Trapería befindet, ist wohl die wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt. Zwischen 1394 und 1465 erbaut, enthält sie einen Mix an Baustilen verschiedener Epochen – Gotik, Renaissance und Barock. Der majestätische Glockenturm ragt hoch hinaus, weit über die Dächer der Stadt. Er bietet mit seinen 93 Metern Höhe die beste Aussicht auf die Stadt und ist der zweithöchste Kirchenturm in ganz Spanien. Leider kann dieser nur zwei
Mal täglich während eines geführten Rundgangs besichtigt werden. Es empfiehlt sich daher, den Rundgang im Voraus online zu buchen. In den Gemäuern der Kathedrale befindet sich ein Museum, in dem sich einige Werke des murcianischen Künstlers Francisco Salzillo befinden (siehe auch Seite 27). Kleiner Tipp: Wer sich bloß die Kathedrale
anschauen möchte, geht am besten vor 10.30 oder nach 17 Uhr, da zu diesen Zeiten die Kirche kostenfrei zugänglich ist.
Obwohl die Schokoladenseite der Kathedrale eindeutig die Vorderseite ist, lohnt sich auch der Blick auf die Rückseite. Hinter der majestätischen Kathedrale befindet sich nämlich die Plaza Belluga mit dem wohl meistfotografierten Gebäude Murcias, nebst der Kathedrale. Der Bischofspalast im Rokoko-Stil wurde 1992 zum Kulturerbe erklärt. Vor allem die Fassade am Belluga-Platz ist ein wahres Schaustück des Rokoko: ionische Pilaster, die den Eingangsbogen flankieren, darüber ein Balkon gekrönt vom Wappen des Bischofs Rojas und Contreras, Geistlicher und Politiker des 18. Jahrhunderts.
Kulinarische Gaumenfreuden
Um die Mittagszeit lohnt es sich, einen Schwenker über die Plaza de las Flores zu machen. Wo früher Blumenläden den Platz in Farben erstrahlen ließen, schweben heute verlockende Gerüche. Kleine Tapas-Bars füllen die umliegenden Straßen der Plaza, die voll mit hungrigen Passanten ist, die auf den Sonnenterassen murcianische Delikatessen genießen. Denn nebst dem milden Wetter und dem Künstler Salzillo ist Murcia für seine deftige und traditionsreiche Gastronomie bekannt.
Im Mittelpunkt, im Andenken an die florale Wirtschaft, sitzt am Rande eines Brunnens das „Blumenmädchen“, eine Skulptur aus Bronze von José Fuentes Aynar. Dahinter, der letzte Blumenladen. Seit über 125 Jahren ist die Floristería Fernando an diesem Platz. Der Familienbetrieb wird heute in der zweiten Generation geführt und ist der Blumenladen des Vertrauens
für viele Einheimische. Vor dem Laden türmen sich kübelweise Blumensträuße, frische Schnittblumen der Saison und Arrangements aus Trockenblumen und Sträucher in allen Herbsttönen gefärbt.
Zum Abschluss bietet sich ein Verdauungsspaziergang entlang des nahegelegenen Flusses Segura an. Er ist eine der wichtigsten natürlichen Attraktionen der Stadt. Der Fluss durchquert die Stadt nahe des historischen Zentrums und lockt mit diversen Rückzugsorten entlang seiner Ufer.
Eine riesige Sardinen-Skulptur begrüßt Spaziergänger aus dem Fluss auf der Höhe des Rathauses und weist auf die Tradition des „Begräbnis der Sardine“hin, die in Murcia und anderen Karnevalshochburgen von großer Bedeutung ist. Beim „entierro de la sardina“wird mit dem Verbrennen einer riesigen Sardindenfigur das Ende der Narrenzeit besiegelt. Symbolisch steht der überdimensionale Fisch für die Ausschweifungen während des Festes. Mit seiner Verbrennung wird die durch das Fest unterbrochene Ordnung in der Stadt wieder hergestellt.