Jagd auf den Dicken
Größte Weihnachtslotterie der Welt fesselt eine Nation – Wie El Gordo funktioniert und welche Gewinne er ausschüttet
Madrid – fin./ds. In Spanien gehört El Gordo, der Dicke, zu Weihnachten wie Josef, Maria und das Jesuskind. Mit der berühmten Lotterie bricht Spanien gleich zwei Weihnachts-Rekorde: Keine andere Lotterie schüttet so viele Millionen aus und keine andere Weihnachtslotterie ist so alt wie die spanische Lotería de Navidad – nämlich über 200 Jahre.
Vier Millionen Euro kommen auf den Hauptgewinn, den Gordo – ein frühzeitiges Weihnachtsgeschenk, das in Zeiten der hohen Inflation mehr Menschen denn je dringend gebrauchen könnten. Auch wenn eigentlich nur der Hauptgewinn „El Gordo“heißt, ist die gesamte Weihnachtslotterie auf der ganzen Welt unter diesem Namen bekannt.
Das System von Spaniens Weihnachtslotterie ist komplex. Es gibt 100.000 fünfstellige Losnummern, 00.000 bis 99.999. Wegen der immensen Nachfrage nach den
Losen gibt es die Nummern aber in mehreren Serien.
2023 besteht die Lotterie aus 185 Serien. Das heißt es gibt also 185 Lose mit derselben Nummer. Jedes Los ist in zehn Zehntellose unterteilt, die sogenannten décimos. Nach Adam Riese haben also 1.850 Zehntellose dieselbe fünfstellige Nummer.
Neu wird dieses Jahr auch das Bild auf den Losen sein, nämlich „La Natividad“von Maestro Sopetrán, ein Kunstwerk aus dem Jahr 1470, das im Prado-Museum ausgestellt ist. Zudem zeigen die Lose diesmal das Logo der spanischen Ratspräsidentschaft der Europäischen Union.
Mekkas der Gordo-Lose
Die meisten Spieler kaufen Zehntellose in der Hoffnung auf den Gordo – schon allein wegen des Preises: Ein ganzes Los – billete genannt – kostet 200 Euro, ein Zehntellos entsprechend 20 Euro. Wer sich
wundert, ein décimo für 23 Euro angeboten zu bekommen: Viele Vereine kaufen ganze Lose oder Teile von Serien, um diese dann gewinnbringend weiterzuverkaufen. Die drei zusätzlichen Euro
sind in diesem Fall also meist für einen guten Zweck.
Bereits im Juli gehen die Lose in den Verkauf, für viele Spanier ist es Tradition, schon im SommerUrlaubsort ein Los für die Weihnachtslotterie
zu kaufen. Und es gibt echte Mekkas für den Kauf von Gordo-Losen in Spanien: In dem katalanischen Dorf Sort – Deutsch: Glück – etwa stehen die Loskäufer immer Schlange vor dem Lottobüro. Und auch die Verkaufsstellen, die im Vorjahr den Hauptgewinn an den Mann gebracht haben, können sich im nächsten Jahr garantiert über Andrang freuen.
Legendär ist auch die Verkaufsstelle Doña Manolita, die bei jedem City-Trip nach Madrid zum Pflichttermin für einen Loskauf wird. In der Region Valencia zählt die Lottoannahmestelle im Carrer Mestre Gillem 5 in Manises zu den Glücksbringern. Hier werden die meisten Lose der Region verkauft, fünfmal hatten Käufer bereits das Glück, Teile des Hauptpreises mit Losen aus Manises abzustauben.
Spanien im Lotto-Fieber
Spätestens im November beginnt in Spanien dann endgültig das
Weihnachtslotterie-Fieber. Dann läuft auch alle naselang ein jedes Jahr äußerst rührender, minutenlanger Werbespot im Fernsehen, bei dem immer jemand gewinnt, der es gerade am nötigsten hat, und bei dem es auch immer irgendwie ums Teilen, um Freundschaft und Familie geht.
Letzteres ist nicht weit von der Realität entfernt: Arbeitskollegen, Freunde und Familie tun sich zusammen, tauschen Lose oder erstellen ganze Lostöpfe, in die jeder Mitspieler ein oder zwei Zehntellose wirft. Der Gruppenzwang und die Angst, nach der Ziehung der Einzige am Arbeitsplatz zu sein, sorgen dafür, dass die Tippgemeinschaften immer groß sind.
Die Weihnachtslotterie hat 2022 in Spanien einen Umsatz von 3.180.097.520 Euro hinterlassen. Dabei gibt es Unterschiede innerhalb von Spanien: In Castilla y León lässt man sich die Lose mehr als 106,03 Euro pro Kopf kosten, in Asturien und La Rioja um die 97 Euro. Die Region Valencia liegt mit 74,45 Euro pro Kopf noch über dem Durchschnitt (66,38 Euro), Andalusien mit 55,52 Euro deutlich darunter, Murcia ist mit 61,01 Euro nah am spanischen Mittel.
Eher kleine Gewinne
Was die Weihnachtslotterie in Spanien zur größten der Welt macht, ist die Gesamt-Gewinnsumme. Die einzelnen Gewinne sind dagegen im Vergleich zu anderen Ziehungen eher klein:
Der Hauptgewinn (El Gordo) schüttet 2023 vier Millionen Euro auf die Serie mit den fünf richtigen Ziffern aus, also 400.000 Euro pro Zehntellos. Nach Abzug der Steuern bleiben den Gewinnern davon 328.000 Euro übrig.
Zweiter Preis: 125.000 Euro für jedes Zehntellos.
Der Dritte Preis schüttet 50.000 Euro pro Zehntellos aus.
Zwei vierte Preise sind mit je 20.000 Euro pro Zehntellos dotiert.
Die acht fünften Preise schütten je 6.000 Euro pro Zehntellos aus.
Wer ein Zehntellos hat, dessen Nummer unmittelbar vor oder nach den Gordo-Ziffern kommt, erhält 2.000 Euro.
Wer die letzten zwei, drei oder vier Ziffern mit dem Gordo teilt, freut sich über jeweils 100 Euro.
Ist die letzte Ziffer identisch gibt es den Einsatz 20 Euro zurück.
Alle verfolgen die Ziehung
Seit 1812 findet die Ziehung der Weihnachtslotterie in Spanien immer
am 22. Dezember statt. Seit 1957 wird die Auslosung in voller Länge im Fernsehen übertragen und es gibt kaum einen Spanier, der sie nicht verfolgt.
Traditionell ziehen Schüler der Ildefonso-Schule in Madrid die Kugeln mit den Nummern aus der riesigen, goldenen Lostrommel. Dabei begnügen sich die Kinder nicht damit, die Gewinnerlose in die Kamera zu halten: Sie singen die Nummern.
Ein nervtötend langgezogenes „Euuurooooo“am Ende der Gewinnsumme wird auch 2023 aus Tausenden TV-Geräten und Radios in ganz Spanien plärren. Die Kinder, denen das Glück zuteil wurde, den Hauptgewinn zu verkünden,
brechen dabei nicht selten in Tränen aus.
Längst sind es nicht nur Spanier, die Lose für die Weihnachtslotterie kaufen, mittlerweile hoffen Spieler auf der ganzen Welt auf den Gordo. Früher mussten Ausländer im Spanien-Urlaub eine Lotterie-Annahmestelle aufsuchen, heute gibt es auf vielen Internetseiten Online-Lose.
Für den Gordo bracht man aber ganz viel Glück: Wer ein Los kauft, hat eine Chance von 0,001 Prozent auf den Hauptgewinn.
100.000 Kugeln
Die Ziehung des „Gordo“mit den imposanten Lostrommeln findet schon seit 2012 im Teatro Real in
Madrid statt. Die größere der beiden Trommeln wiegt stolze 800 Kilogramm. Die kleinere immerhin 375 Kilogramm.
In der ersten befinden sich 100.000 Holzkugeln mit den Losnummern, in der zweiten etwa 1.800 Holzkugeln mit den Gewinnsummen. Bei der Ziehung fallen immer gleichzeitig zwei Kugeln aus den Trommeln in eine Schale aus Glas.
Übrigens: Die erste spanische Weihnachtslotterie fand 1812 im andalusischen Cádiz statt (zeitgleich mit dem Jahr der ersten spanischen Verfassung, La Pepa), aber drei Jahre später wurde sie dann endgültig in die Hauptstadt Madrid verlegt.