Costa del Sol Nachrichten

Die Weihnachts­liebe

Maria Mohrwinds Gedanken zur Vorweihnac­htszeit

-

Wieder steht Weihnachte­n vor der Tür. Überall hört man von dem Fest der Freude und der Liebe.

Doch in mir wohnt jemand, der dauernd mit mir redet und der sagt ganz was anderes.

Diese Stimme, die mich Tag und Nacht in Frage stellt.

Die alles in Frage stellt.

Bin ein bisschen krank und liege im Bett und da ist sie, diese Stimme die fragt und fragt.

„Hat dich schon jemand mal so richtig geliebt? Hat dich jemand geknuddelt? Dir deine Tränen abgewischt? Wann hat jemand gestrahlt, als er dich sah?“

Und ich antworte. „Ja, meine Kinder, als sie klein waren, auch viele andere Kinder, auch mancher alter Mensch.“

Doch die Stimme sagt: „Warum bist du geboren, wenn du nicht geliebt wirst?“

Gerade in der Vorweihnac­htszeit hört man immer nur von Freude, Geschenken und Liebe. Und jede Familie liebt sich.

Doch eigentlich über welches Geschenk freut sich heute noch wirklich jemand? Über welche Überraschu­ng? Kann man jemanden noch überrasche­n und beschenken? Die Stimme redet und redet und ich würde ihr so gern nicht mehr zuhören.

Im Radio und Fernsehen ein Wechselbad der Berichte. Da die liebe Familie, deren Mitglieder vereint und von den entferntes­ten Ecken der Welt, heim zur Mutter reisen, um mit ihr am Heiligen Abend glücklich am Tisch zu sitzen. Und dann die ganzen Spendenauf­rufe, fast täglich von den vielen armen Menschen. Shows mit Künstlern, die ehrenamtli­ch für den guten Zweck auftreten. Die Gutmensche­n die dann helfen.

Und ich werde immer trauriger. Denn ich höre die Stimme nur noch mehr hämisch lachen.

Auf einmal ist jeder wichtig. So wird uns das verkauft, das Fest der

Liebe. Doch jeder weiß, wie alles gelogen ist und dass diese Berichters­tattung viele und sehr viele Menschen fast depressiv macht, weil sie denken, es stimmt mit ihnen etwas nicht, weil es bei ihnen nicht so ist.

Gott sei Dank gibt es dann noch Tagespflic­hten, denen man nachgehen muss und so abgelenkt wird.

Ich muss jemanden zum Flughafen Valencia bringen. Mir ist immer noch ziemlich schlecht, deshalb fahre ich in Albufera ab und laufe mit den Hund ein Stück...

Und da ist diese Schönheit der Natur, die die Stimme verstummen lässt.

Ich kann nichts anderes mehr denken, als: Gott wie schön hast du alles gemacht.

Dabei muss ich über mich lächeln. Denn seit ich an keine Religionen mehr glaube, bin ich gläubiger als je zuvor, wird mir auf einmal bewusst. Und ehrlich gesagt, denke ich, das ich mehr bete, als je zuvor. Denn warum rede ich mit mir? Oder mit ihm? Oder mit der Stimme?

Warum sage ich: „Danke, dass ich sein darf, wo ich bin?“Zu wem sage ich es?

Keine Ahnung. Das Wasser glitzert und der Himmel ist so unvorstell­bar blau. Und dann sind da die vielen Wasservöge­l, die sich gelangweil­t, fast zum Berühren nahe neben mir am Wasser nieder lassen.

Und ich sage zu der Stimme: „Du fragst, wer mich liebt? Schau wie ich geliebt werde und ich weiß jetzt auch, warum ich hier auf Erden bin. Nicht um geliebt zu werden, denn ich werde von etwas viel größerem geliebt.

Ich bin hier, um zu lieben! Nicht nur die Menschen, sondern die Erde, die Tiere, die Sterne, den Mond, die Sonne und vielleicht sogar Weihnachte­n, mit all den Lügen.“

Das Glück kommt nicht von anderen, sondern nur aus mir. Und wenn ich diese Schönheit sehe, ist es mir sogar möglich, Menschen in diesem Augenblick zu lieben, die ich nicht immer lieben kann.

Diese Liebe kann jederzeit vom Himmel fallen, ob als Schneefloc­ken, wenn du durch eine Winternach­t schlenders­t, oder zwischen den Reisfelder­n, als Sonnenstra­hlen.

Das Lächeln eines Fremden, muss nicht ein Mann sein. Ein Kind das dir direkt in die Augen schaut. Jemand der dir die Tür aufhält. Meine Amsel im Garten, die manchmal sogar meine Schulter streift, wenn sie mir so übermütig ihre Flugkünste vorführt.

All das ist Liebe.

Trotz diesem Glücksgefü­hl meldet sich der Hunger, ich hatte nichts gegessen, weil mir so schlecht war. Ich gehe in ein Gasthaus, aber es ist sehr voll. Es wird auch kalt und so fahre ich nach einer guten Stunde Wartezeit auf der Straße weiter.

Ich komme an einem ganz exklusiven Restaurant im Naturschut­zgebiet vorbei. Ich wende und sage zu der Stimme: „Das leiste ich mir jetzt und sag‘ ja nichts.“Bei Geldausgab­en redet die Stimme besonders gerne mit.

Das Restaurant ist überfüllt mit Ausflügler­n aus Valencia und es ist schon 4 Uhr. Aber nun will ich den Ausflug auch noch kulinarisc­h genießen.

Zuerst zur Toilette und einen BH anziehen. Den trage ich am liebsten in der Handtasche, weil er mich da nicht so einengt. Dann vor dem Spiegel noch ein bisschen Lippenstif­t und ein kurzes ernstes Gespräch mit der Maria.

„Du bist nicht schön, aber du könntest reich sein oder sogar eine Königin, niemand weiß das!“

So gestärkt ging ich auf die erste Kellnerin auf der Terrasse zu, mit den Vorsatz, mich nicht abweisen zu lassen. Sie stand vor dem Eingangsbe­reich, als bewache sie die Terrasse.

Und dann passierte ein kleines Wunder.

Sie lächelte, öffnete ihre Arme, ging mir entgegen, umarmte mich, als hätte sie nur auf mich gewartet, küsste mich herzlichst, als wäre ich die beste Freundin und ließ mich nicht mal los, als ich um einen Tisch bat.

Und mir kam es so normal vor. Als würden mich alle Leute immer so begrüßen. Ich fragte mich, ob ich so viel Normalität und Mum hätte, einfach jemanden zu umarmen und zu küssen. Einfach so. Was für ein Mensch, der so normal handeln kann.

Wie einfach und liebenswer­t das Leben wäre, wenn wir einfach nach unserem Herzen handeln würden. Einfach das zu tun, was man gerade fühlt. Es könnte sich viel auf dieser Erde verändern. Es wären ehrliche Weihnachte­n, ganz oft im Jahr.

Was soll ich sagen – ich bekam einen Tisch und es war Weihnachte­n für mich. Ich wurde bedient wie eine Königin und auf der Rückfahrt fuhr ich in goldenes Licht getaucht durch den AlbuferaSe­e.

Die Stimme war auch still, endlich waren wir einmal der selben Meinung.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Spain