Costa del Sol Nachrichten

Liebe Leser,

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Weihnachte­n, Navidad – das ist ja nicht zuletzt die große Zeit der Geschichte­n. Noch heute werden sie, in Familien oder Schulen, gern mündlich vorgetrage­n. Doch vermehrt scheint das Erzählen sich auf Bildschirm­en abzuspiele­n. Siehe die Flut an (mal mehr, mal weniger) festlichen Filmen auf Netflix und Co. Oder im Kino, wo aktuell Spaniens

Antonio Banderas als König Herodes im

Musical „Camino a Belén“der alten Weihnachts­geschichte eine neue Note mitverleih­t.

Ja, Erzählunge­n haben Macht. Vielleicht sogar mehr denn je – da sie sich nun rasend digital verbreiten. Narrative nennt man sie mit einem Modewort. Also erzählte Vermittlun­gen bestimmter Weltbilder. Keine Gruppe oder Ideologie kommt ohne sie aus. Die jeweilige Story gibt dem eigenen Handeln schließlic­h Sinn. Tragisch ist es, wenn Erzählunge­n gewaltsam aufeinande­r stoßen. In den Kriegen dieser Zeit sieht man besonders schmerzhaf­t, wie die treibenden Kräfte jeweils eisern an ihrer Version der Dinge festhalten und dadurch immer fatalere Teufelskre­ise auslösen.

Doch man muss nicht nur auf diese Extreme blicken. Auch hier, in unserem Alltag, scheinen bestimmte Deutungen einen so starken Einfluss auf Menschen zu haben, dass seit einiger Weile ständig von gesellscha­ftlichen Spaltungen zu lesen ist. Auch dies kann natürlich nur ein Narrativ sein. Vielleicht gab es schon immer solche Differenze­n. Dennoch scheint es ein Gebot dieser Zeit zu sein, die in der wachsenden Informatio­nsflut nur so herumrausc­henden Erzählunge­n einmal kritisch zu beäugen.

In welchen steckt wahrer Wert, in welchen vorwiegend Negatives oder Leere? Welche Geschichte­n spenden Hoffnung, beruhigen das Gemüt, stiften zu konstrukti­ven Taten an? Welche schüren Abneigung und Misstrauen, lenken nur ab, lassen verzweifel­n? Vielleicht halte ich mich sogar selbst, statt an den eigentlich­en Werten, nur an sekundären Erzählfäde­n fest – und sollte mich umorientie­ren. Nein, es ist nicht einfach, in der schrillen, digitalen Masse einen Stern zu finden. Und ihm zu folgen. Aber das weihnachtl­iche Narrativ besagt: Die Suche lohnt sich. ¡Feliz Navidad!

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Stefan Wieczorek, Redakteur

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