Costa del Sol Nachrichten

Toledo für Entdecker

Die Stadt der drei Kulturen lässt ihren mittelalte­rlichen Charme spielen – Ein Besuch in der Weihnachts­zeit

- Sophia Lange Toledo

Toledo – eine Stadt zum Verlieben. Doch wer das milde Klima der Mittelmeer­küste gewohnt ist, wird von den winterlich­en Temperatur­en Toledos mit einem Durchschni­tt von drei bis elf Grad im Dezember und Januar überrascht. Trotz oder vielmehr wegen der trockenen Kälte im Inland Spaniens kommt dafür an diesem Ort so richtig Weihnachts­stimmung auf.

Toledo ist eine altrömisch­e Stadtgründ­ung und bettet sich auf sieben Hügel. Sie war Hauptstadt des Gotenreich­es, wurde dann zu einer Metropole des Kalifats von Córdoba, später Residenz kastilisch­er und spanischer Könige und ist heute die Hauptstadt der Region Castilla-La Mancha. Diese fasziniere­nde Geschichte macht sie zum lebendigen Museum.

Tagtäglich lockt Toledo zahlreiche Besucher aus aller Welt zu sich – und das nicht ohne Grund. So bietet die kastilisch­e Metropole eine einzigarti­ge Mischung aus Kultur, Architektu­r und Kulinarik. Bereits von weitem präsentier­t sich die Stadt von ihrer Schokolade­nseite:

Durch die alten, meist naturfarbe­nen Häuser, die sich aus der Ferne zu schichten scheinen, und durch die mittelalte­rlichen Bauten und herrschaft­lichen Monumente kommt das Gefühl auf, sich in einer anderen Epoche zu befinden – und Toledo scheint sich jenem Charme durchaus bewusst zu sein: In den Gassen der Stadt häufen sich kleine Läden mit Metalloeuv­ren, Modellschw­ertern und Rüstungen,

Geschäfte stellen kleine Handwerksf­iguren mit Schild und Degen in ihren Schaufenst­ern aus und in der Nähe des alten Rathauses befinden sich Statuen der sagenumwob­enen Romanhelde­n des Miguel de Cervantes: Don Quijote und dessen Gefährte Sancho Panza, die als beliebtes Fotomotiv Modell stehen.

Feinschmec­ken und genießen

Toledo ist bereits früh am Morgen gut besucht – Scharen von Menschen tummeln sich in den weihnachtl­ich geschmückt­en Sträßchen und tragen zu einer lebendigen Atmosphäre bei. Die mittelalte­rliche Gassen-Architektu­r in der Altstadt lässt zwar keinen Autoverkeh­r zu, führt jedoch an Stoßzeiten am Wochenende an vielerlei Orten zu Stau unter Passanten. Doch auch abseits von ausgetrete­nen Touristenp­faden lässt sich in Toledo noch Tradition entdecken: Die Stadt ist nicht nur ein Schatzkäst­chen der

Geschichte, sondern auch ein Paradies für Feinschmec­ker.

Mittags empfiehlt es sich deshalb die in Toledo einheimisc­hen Gerichte wie „Carcamusas“(Schweinefl­eisch in Tomatensoß­e) oder das „Pisto Manchego“(Gemüseeint­opf) zu probieren. Viele Tavernen bieten dazu die perfekte Gelegenhei­t, auch lokale Weine und herkömmlic­hes Marzipan als Nachtisch zu kosten. „Ich komme oft mit Freundinne­n her, um hier zu essen“, erzählt die spanische Psychologi­estudentin Bárbara Medrano, die etwa zehn Kilometer südlich von Toledo im Ort Sonseca aufgewachs­en und dort noch immer zu Hause ist. „Dann bleiben wir hier, bis es dunkel wird, und schauen uns vom Tal aus die Lichter der Stadt an“, berichtet Medrano weiter. „Das ist einzigarti­g hier – die Silhouette Toledos in der Dämmerung ist einfach umwerfend.“

Besonders in der Weihnachts­zeit verzaubern die Lichter Toledos nicht nur Durchreise­nde, sondern auch Einheimisc­he – und um dem charmanten Flair der Stadt noch eine Krone aufzusetze­n, empfiehlt es sich, auch den Markt vor der Kathedrale zu besuchen, den einige weihnachtl­ich gestaltete Stände zieren, die sogar Glühwein aus kleinen Keramiktas­sen anbieten, welche anschließe­nd als Andenken mit nach Hause genommen werden können.

Wandeln auf El Grecos Wegen

Vom Markt aus wirkt die ohnehin schon gigantisch­e Kathedrale Santa María mit ihren stattliche­n 92 Metern Höhe noch größer. Das damals auf Fundamente­n westgotisc­her Mauern errichtete Heiligtum wurde in muslimisch­en Zeiten als Moschee genutzt. Unter der Herrschaft des Heiligen Ferdinand III. begann 1226 die Gründung des katholisch­en Tempels, der neben „Santa María“auch unter dem Namen „Catedral Primada de España“bekannt ist und heute als Meisterwer­k der gotischen Architektu­r gilt. Die Kathedrale ist dabei keinesfall­s ein einheitlic­hes Bauwerk – über Generation­en hinweg wurde an ihr gearbeitet und sich dabei an der französisc­hen Baukultur orientiert. Die Besichtigu­ng des heutigen Wahrzeiche­ns Toledos ist ein absolutes Muss für alle Kulturinte­ressierten, lässt sich aufgrund ihres zentralen Standortes aber ohnehin kaum umgehen.

Auch Werke des Renaissanc­eMalers Doménikos Theotokópu­los – besser bekannt als El Greco – sind für einige Toledo-Reisende ein bedeutsame­s Ziel und zwei seiner Malereien – der „Apostelzyk­lus“und die „Entkleidun­g Christi“– können in der Sakristei der Santa María bewundert werden. El Greco wurde 1541 auf Kreta in

Griechenla­nd geboren und ließ sich in seinen späten dreißiger Jahren in Toledo nieder, wo er heute noch von vielen Spaniern als Repräsenta­nt der toledanisc­hen Seele angesehen wird und eine identitäts­stiftende Bedeutung einnimmt, die sich in vielen gleichnami­gen Restaurant­und Cafénamen manifestie­rt. Das Werk des ausländisc­hen Malers ist überwiegen­d religiös geprägt und beinhaltet Porträts und körperlich­e Darstellun­gen biblischer Ereignisse. Nur einige wenige Landschaft­malereien und Genrebilde­r sind bekannt, doch die wenigen Exponate, die davon bleiben, spiegeln durch Landschaft­styp und Farben die Schönheit Toledos wieder.

Die Vielfalt der religiösen Architektu­r in der circa 85.000 Einwohner zählenden Provinz ist beeindruck­end und beschränkt sich nicht allein auf die christlich­e Religion. Im Mittelalte­r begegneten sich hier Judentum, Islam und Christentu­m in gegenseiti­ger Akzeptanz und machten den Ort zu der „Stadt der drei Kulturen“– inspiriere­nd auch für die Welt der Architektu­r. Damals besaß die Stadt neben Kathedrale, Kirchen und Synagogen zehn Moscheen, von der die Cristo de la Luz im historisch­en Zentrum Toledos als die am besten erhaltene gilt. Wie es an der Eingangsfa­ssade des einstigen Oratoriums gekennzeic­hnet ist, wurde das 999 erbaute Gebetshaus in der Blüte des Kalifats von Córdoba auch für Einwandere­r nach Toledo oder als Räumlichke­it für geplante Abreisen genutzt – sozusagen als Zugangstor zur Stadt.

Aus der Geschichte des Spanischen Judentums sind zwei Synagogen erhalten, die von einem

künstleris­chen Leben zeugen, welches das Erbe Toledos bis in die Gegenwart bereichert: Die Sinagoga del Tránsito ist inzwischen Teil des Sephardisc­hen Museums und die der Kathedrale ähnlich klingende Santa María la Blanca ist heute selbst ein Ausstellun­gsort.

Zu einem erlebnisre­ichen Aufenthalt in Toledo zählt auch der Besuch des imposanten Alcázars. Der große Renaissanc­epalast trug einst den Namen „Al Qasar“, was so viel wie „Festung“auf Arabisch bedeutet und erneut die multikultu­relle Vielfalt der Stadt offenbart. Der Alcázar, ein Palast auf Felsen, markiert den höchsten Teil der Stadt Toledo.

Baukunst des Alcázar

Während des Spanischen Bürgerkrie­gs (1936-1939) nutzte das Militär das Gebäude als Verteidigu­ngspunkt. Heute ist sein Aussehen das Ergebnis eines Wiederaufb­aus nach der Kriegszeit und erstreckt sich mit 59 Meter hohen Türmen und imposanten quadratisc­hen Spitzen über einen großzügig angelegten Grundriss, der im Inneren einen zentralen Innenhof mit Galerien und Säulen verbirgt. Dieses historisch­e Monument thront förmlich über der Stadt und fängt nicht nur viele Blicke der Besucher ein, sondern bietet auch von dort aus hübsche Ausblicke auf die Stadt von oben.

In Toledo sind Geschichte und Moderne noch immer eng miteinande­r verwebt. Es lohnt sich also – um noch mehr in die Essenz der Stadt einzutauch­en –, sich über die Geschichte­n der alten Monumente und Paläste zu erkundigen: Im Alcázar residierte­n über Jahrhunder­te

kastilisch­e Könige und Carlos I., Spaniens „Reisekönig“, machte sie zur Quasi-Hauptstadt, bevor Madrid durch dessen Sohn Felipe II. 1561 endgültig als Hauptstadt des aufstreben­den Weltreiche­s festgelegt wurde.

Um die Fülle an Kultur, Geschichte und Ambiente in Gänze aufzusauge­n, lohnt es sich zudem, die Stadt nach einer Sightseein­g Tour durch einen Spaziergan­g am Tajo zu erwandern – ein Fluss, der wie die Stadt selbst eine Geschichte in sich trägt und der als Grund für die Existenz Toledos gilt. Denn die ersten Siedler ließen sich damals vor allem aus einem Grund in dem Gebiet des heutigen Toledos nieder: Das fast vollständi­g von Wasser umgebene Gebirge diente als geeigneter Ort, um sich vor Angriffen zu verteidige­n. Heute bietet der idyllische Fluss einen Ort der Erholung und vergnügt sowohl Einwohner als auch Reisende mit einem Stück Natur und einem charmanten Blick auf die Stadt.

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Fotos: Sophia Lange, Encarna Albiol Die fünfschiff­ige Kathedrale Santa María beinhaltet auch Werke des Spätrenais­sance-Malers El Greco.
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Die Straßen Toledos lassen tief blicken: Imponieren­de Baukunst an fast jeder Ecke.
 ?? ?? Toledo im Panorama. Entlang des Tajo thront die Stadt aus dem Mittelalte­r auf sieben Hügeln.
Toledo im Panorama. Entlang des Tajo thront die Stadt aus dem Mittelalte­r auf sieben Hügeln.
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Am Wochenende zieht es die Menschen in Scharen in die Altstadt.

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