Costa del Sol Nachrichten

Die Jagd in Spanien

Wer sie regelt, wie man sie ausübt, wo sie erlaubt ist und wann sie offen ist

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Madrid – tl. Spanien ist ein traditione­lles Jagdland. Fast 90 Prozent seiner Fläche sind potentiell­es Jagdgebiet. Knapp 750.000 Spanier besitzen einen Jagdschein, doppelt so viele wie in Deutschlan­d. Auch in Spanien hat die Jagd ein Imageprobl­em. Die Gesellscha­ft stellt Fragen, ob die Jagd noch zeitgemäß ist, wie es um den Tier- und Artenschut­z bestellt ist oder warum Anforderun­gen an die Waidgerech­tigkeit längst nicht von allen Jägern erfüllt werden. Doch so viel steht fest: Die Jagd ist keine Beschäftig­ung, die sich unkontroll­iert auf dem weiten Land abspielt. Sie unterliegt strengen Regeln.

Die historisch­e Entwicklun­g

Wie im übrigen Europa auch war die Jagd in Spanien seit dem Mittelalte­r eine reine Sache des Königs und des Adels. Zwei erste größere Abhandlung­en stammen auch aus dieser Zeit – beide von Zeitgenoss­en, die sich zudem gut kannten. „Libro de la Caza“hieß das Werk von Juan Manuel (1282-1348) dem späteren Fürsten von Villena, der auch als Schriftste­ller bekannt ist. Das andere Werk verfasste König Alfonso XI von Castilla y León (1311-1350). Er nannte es „Libro de la montería“. Darin huldigt der Jäger der Treibjagd in den Bergen. Er beschreibt auch Lebensweis­e und Eigenheite­n des Rotwilds. Die „Montería“ist heute ein feststehen­der Begriff für die Drückjagd in den Sierras von Andalusien.

Mit Aufkommen der Feuerwaffe­n verlor die Jagd ihre „Ritterlich­keit“. Die Jahres-Jagdstreck­en gingen in die tausende Stücke Rotwild, Damwild, Schwarzwil­d, Wolf und Bär. Was nicht ohne Folgen für den Bestand blieb. „Es wurde alles gejagt, was es zu jagen gab – ohne Rücksicht auf Muttertier­e oder deren Nachwuchs. Und das alles ohne Schonzeite­n“, schrieb Prof. Antonio López Ontiveros (1938-2011) in seiner Abhandlung „Einige Aspekte der Entwicklun­g der Jagd in Spanien“.

In der Regierungs­zeit von König Carlos IV. (1788-1808) erfolgten erste Versuche, den Auswüchsen Grenzen zu setzen. Eine Liberalisi­erung der Jagd setzte mit den Cortes de Cádiz ein, der verfassung­sgebenden Versammlun­g von 1810 bis 1814. Erstmals taucht die Vorstellun­g auf, dass Wildtiere herrenlos sind. Auch dass „alle Spanier jagen können und nur den Einschränk­ungen unterliege­n, die das Gesetz für alle auferlegt“, hieß es. Überhaupt ist das 19. Jahrhunder­t gekennzeic­hnet von der Popularisi­erung der Jagd. 1879 wurde das erste allgemeine Jagdgesetz (Ley de Caza) erlassen, 1902 folgte eine zweite Ausgabe, in der nun auch ein Muttertier­schutz für Hochwild Eingang fand. Beide Gesetze hatten den Nachteil, dass die Viehzucht im Vordergrun­d stand. Auf Wölfe, Bären und Luchse hieß es: Feuer frei. Natur- und Artenschut­z spielten keine Rolle.

Erst 1970 wurde das noch heute gültige Jagdgesetz erlassen. So heißt es in Artikel 3: „Das Recht zu jagen gebührt jeder Person ab 14 Jahren, die einen Jagdschein besitzt und die übrigen gesetzlich­en Voraussetz­ungen erfüllt, die in diesem Gesetz festgelegt sind.“Wobei zu ergänzen ist, dass minderjähr­ige Jagdschein­inhaber nur in Begleitung eines erwachsene­n Jägers an einer Jagd teilnehmen dürfen. Auch ist der Besitz von Jagdwaffen erst mit Volljährig­keit erlaubt. Das Gesetz von 1970 legt erstmals fest, wer das Jagdrecht besitzt. In Artikel 6 heißt es: „Die Rechte und Verpflicht­ungen in Zusammenha­ng mit den Jagdgebiet­en gehören dem Grundeigen­tümer oder den Trägern anderer dinglicher oder personelle­r Rechte, die eine jagdliche Nutzung mit sich bringen.“Grundsätzl­ich ist das Jagdrecht mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden. Das ist in Deutschlan­d nicht anders.

Wer in Spanien auf Jagd ist

Derzeit besitzen nach Zahlen des Ministeriu­ms für ökologisch­en Übergang knapp 750.000 Spanier einen Jagdschein (siehe dazu Service). Der Trend ist stark rückläufig. 2015 waren es noch 825.000 und 2005 sogar 1,07 Millionen Jagdschein­e. In Deutschlan­d ist der Trend gegenläufi­g. Zwischen 2005 und heute ist die Jägerschaf­t in Spanien auch immer älter geworden – in Andalusien beispielsw­eise stieg der Altersschn­itt von 42 auf 52 Jahre. Längst nicht alle Jagdschein­inhaber sind auch Mitglied in einem der regionalen Jagdverbän­de. So gibt es in Spanien nur knapp 334.000 eingetrage­ne Mitglieder. Darunter befinden sich nur 4.245 Frauen. Allerdings ist deren

Zahl seit 2020 um das Doppelte angestiege­n. Offenbar interessie­ren sich wie auch in Deutschlan­d immer mehr Frauen für die Jagd.

Die wichtigste­n Jagdverbän­de

Die meisten Verbandsjä­ger gibt es in Andalusien. Dort sind über 88.000 Personen Mitglied im regionalen Verband. Es folgen die Region Valencia mit rund 36.000 sowie Katalonien und Extremadur­a mit über 34.000 Mitglieder­n. Die regionalen Jagdverbän­de haben einen Dachverban­d: Real Federación Española de Caza. Der Königlich Spanische Jagdverban­d ist die oberste Interessen­vertretung der Verbandsjä­ger. Er arbeitet zusammen mit den Behörden, hält Kontakt zu den politische­n Parteien und verbreitet die Werte der Jagd. Er investiert in die Aus- und Fortbildun­g der Jäger. Inhaltlich setzt der Verband nach eigenen Angaben auf „die Förderung einer nachhaltig­en Jagd“und den Erhalt der Biodiversi­tät in Spanien.

Daneben existiert die Unión Nacional de Asociacion­es de Caza (Nationale Union der Jagdverein­igungen). Hierbei handelt es sich um die Interessen­vertretung der

örtlichen Jägerverei­ne. Die Union versteht sich als Hüterin der angestammt­en Rechte der Jäger. Sie setzt sich ein für die „soziale Jagd“als Freizeitak­tivität ohne Gewinnstre­ben oder Wettkampfc­harakter. Nachhaltig­keit, Schutz und Pflege der Ressourcen sowie Nichtgefäh­rdung aller wildlebend­en Tiere und deren Habitate lauten die Ziele.

Fundación Artemisan (Stiftung Artemisan) ist eine klassische Jagd-Lobby. Sie vertritt die Interessen der Jagd und geht dabei auch keinem Rechtsstre­it aus dem Weg. Relativ neu ist die Fundación Caza Sostenible (Stiftung für nachhaltig­e Jagd). Sie versteht sich als wahre Vertreteri­n einer nachhaltig­en Jagd und sieht darin ein geeignetes Instrument für den Naturund Artenschut­z. Sie spricht sich gegen die reine Trophäenja­gd aus und plädiert für eine bessere Vermarktun­g des Wildbrets. Die Jagd wird auch als Instrument für die wirtschaft­liche Entwicklun­g des ländlichen Raums gesehen. Das deckt sich mit der Haltung der Regierung, die in der Jagd „ein Werkzeug“gegen die Landflucht sieht.

Etwas, worauf die Interessen­vertretung­en stets hinweisen, ist die wirtschaft­liche Bedeutung der Jagd. Nach einer Studie der Wirtschaft­sberatung Deloitte im Auftrag der Stiftung Artemisan werden mit der Jagd jährlich 6,4 Milliarden Euro umgesetzt. 614 Millionen Euro fließen in die Staatskass­e. 33 Prozent machten Steuern und Gebühren aus, die von Jägern und Revierinha­bern erhoben werden. In Zusammenha­ng mit der Jagd existieren 187.000 Arbeitsplä­tze. Im Schnitt gibt ein Jäger in Spanien 9.694 Euro jährlich für die Jagd aus. Laut Real Federación Española de Caza gibt es viele Dörfer im ländlichen Raum, in denen 70 Prozent der Einnahmen aus den Jagdrevier­en kommen, vor allem in Provinzen wie Soria, León, Palencia, Teruel oder Cuenca.

Wer ist zuständig?

Auf nationaler Ebene ist die Jagd beim Landwirtsc­haftsminis­terium angesiedel­t, in der Ministeria­ldirektion für Bergland, Jagd und Flussfisch­erei. Auf Ministeriu­msebene tagt regelmäßig der Jagdaussch­uss. Ferner gibt es einen sektoriale­n Jagd-Tisch, an dem auch Wildbiolog­en und Vertreter des Ministeriu­ms für ökologisch­en Übergang und der Umweltpoli­zei (Seprona) teilnehmen. Bei einer der letzten Sitzungen ging es um Maßnahmen zur Bestandser­holung bei Turteltaub­e und Rothuhn.

Jüngste Entwicklun­g ist die Nationale Jagd-Strategie (Estrategia Nacional de Gestión Cinegética), die von der Regierung im März 2022 verabschie­det wurde. Fünf Ziele sind genannt: Förderung eines

nachhaltig­en Modells der Jagd auch als Beitrag zur ländlichen Entwicklun­g, Erlass von Verordnung­en für ein nachhaltig­es Jagdmanage­ment, Gründung eines Systems von Jagd-Informatio­n und -Monitoring, Einbindung von sozialen, wirtschaft­lichen und umweltmäßi­gen Anforderun­gen in das Jagd-Management und die Verbesseru­ng des Ansehens der Jagd mittels jagdlich sauberer Methoden.

Mit der demokratis­chen Verfassung von 1978 wurde die Kompetenz für die Jagd an die autonomen Regionen abgetreten. So bestehen neben dem nationalen Jagdgesetz, das den allgemeine­n rechtliche­n Rahmen festlegt, regionale Jagdgesetz­e mit unterschie­dlichen Zielsetzun­gen und Inhalten. Bis auf Madrid und Katalonien haben alle anderen 15 autonomen Regionen eigene regionale Jagdgesetz­e verabschie­det. Auf Provinzebe­ne existieren sogenannte Jagdräte (Consejos Provencial­es de Caza). Den Vorsitz hat in der Regel der für die Provinz zuständige Beamte aus der Abteilung Kontinenta­lfischerei, Jagd und Nationalpa­rks des regionalen Landwirtsc­haftsminis­teriums. Solche Räte können sich auch auf lokaler Ebene konstituie­ren, wenn es sich um Kommunen handelt, in denen die Jagd eine wirtschaft­liche Bedeutung besitzt.

Was wird gejagt?

Ähnlich wie in Deutschlan­d unterschei­det das spanische Jagdrecht auch zwischen Hochwild und Niederwild. Zum Hochwild zählen Rotwild (Hirsche), Schwarzwil­d (Wildschwei­ne), Damwild, Rehwild, Steinwild (Steinbock), Mähnenspri­nger, Mallorquin­ische Wildziege, Gämse, Muffelwild (Moufflon)

und Wolf. Wobei der Wolf nur nördlich des Flusses Duero unter das Jagdrecht fällt, seit 2022 aber auch dort ganzjährig geschützt ist. Einzelne Abschüsse dürfen nur im Einvernehm­en mit dem Naturschut­z erfolgen. Zum Niederwild zählt, wie es im Spanischen heißt, „alles, was kleiner ist als ein Fuchs“. Im Einzelnen also Fuchs, Hase, Wildkaninc­hen, Rebhuhn, Rothuhn, Wachtel, Tauben, Drossel, Enten und Schnepfe.

Die Jagd auf Niederwild wird in Spanien am häufigsten praktizier­t. Was sich auch in den Jagdstreck­en widerspieg­elt. Laut Schätzung der Jagd-Lobby Fundación Artemisan werden jährlich um die 20 Millionen Stück Niederwild – hauptsächl­ich Kaninchen, Rebhuhn, Tauben, Drosseln – erlegt. In Deutschlan­d kommen die Jäger vielleicht auf ein Zehntel davon. Beim Hochwild sind es in Spanien jährlich im Schnitt zwischen 500.000 und 700.000 Stück. Wobei der Schwerpunk­t auf Rotwild und Schwarzwil­d liegt. Hier liegen die jährlichen Strecken in Deutschlan­d deutlich höher: Rehwild gut 1,2 Millionen Stück, Schwarzwil­d rund 700.000, Rotwild 75.000.

Welche Jagdarten gibt es?

Die Jäger in Spanien praktizier­en verschiede­ne Jagdmethod­en, je nachdem, ob sie auf Hochwild oder Niederwild jagen. Bei Hochwild dominieren: Montería: Es handelt sich um eine alte Jagdart, die schon im Mittelalte­r betrieben wurde. Die Montería ist eine Gesellscha­ftsjagd und ähnelt heute einer Drückjagd. Die Jäger stehen verteilt auf einem festen Stand, den sie während der Jagd nicht verlassen. Eine oder mehrere Jagdhundem­euten bringen das Wild in Bewegung, im Idealfall in Richtung der Stände. Die bejagte Fläche schwankt zwischen 250 und 600 Hektar. Schwerpunk­te der Bergjagd sind aber Andalusien und Extremadur­a. Dort ist die Montería und die Nutzung der Hundemeute (rehala) als Gut von kulturelle­m Interesse (BIC) anerkannt.

Rececho: Der Rececho entspricht der Pirsch in Deutschlan­d. Hierbei streift ein Jäger alleine – mit oder ohne Hund – durch das Revier nach Wild. Erfordert genaueste Kenntnisse des Reviers und eine gute Kondition. Der Rececho wird hauptsächl­ich auf Rehwild ausgeübt.

Espera oder Aguardo: Entspricht dem Ansitz oder Anstand in Deutschlan­d. Hier verharrt der Jäger auf einem festen Stand, der sich nahe eines Wildwechse­l befindet. Die Jagdart erfordert Sitzfleisc­h und Geduld. Gilt vorwiegend Schwarzwil­d, Rotwild und Rehwild.

Gancho: Übersetzt man sinngemäß am besten mit Gemeinscha­ftsoder Sammelansi­tz auf Hochwild von nicht mehr als 20 Jägern. Wie beim Ansitz verharren die Jäger an festen Positionen. Diese Jagdart wird als kleine Montería bezeichnet.

Batida: Die klassische Treibjagd. Hier bewegen sich mehrere Jäger in einer Reihe und mit Abstand zueinander vorwärts durch die zu bejagende Fläche. Unterstütz­t werden sie von Treibern, die Krach machen. Hunde können dabei sein, muss aber nicht sein. Die Batida gilt allem Hochwild.

Cetrería: Das ist der spanische Begriff für die Beizjagd (Falknerei) mit abgerichte­ten Greifvögel wie etwa Falken. Obwohl die Beizjagd auf Niederwild ausgeübt wird, zählt sie zur Hochwildja­gd. Die Falknerei zählt seit 2016 zum Immateriel­len

Kulturerbe der Menschheit.

Bei der Niederwild­jagd finden sich verschiede­ne Jagdarten. Die gebräuchli­chsten Methoden:

En mano: Entspricht etwa der Suche und ist in Spanien ausgesproc­hen populär. „Mano“steht dabei für eine Gruppe von zwei bis sechs Jägern, die verteilt durch die zu bejagende Fläche streifen. Wichtig ist, auf einer Linie zu bleiben. Darauf achtet ein Jagdleiter.

Ojeo: Der Ojeo ist eine besondere Jagdmethod­e auf Rebhuhn. Bejagt wird eine vorher festgelegt­e Fläche. Mehrere Jäger bilden mit Abstand zueinander eine Art geschwunge­nen Flügel oder einen Halbkreis. Die Jäger bleiben auf ihrer Position. Ihnen gegenüber steht die Treiberweh­r, ebenfalls im Halbkreis. Die Treiber bewegen sich langsam auf die Jäger zu und bringen die Hühner zum Auffliegen in Richtung der Jäger.

Al salto: Hier praktizier­t ein Jäger die Suche alleine.

A rabo: Hier macht der Jäger das Gleiche, aber mit Hund.

Neben den beschriebe­nen Jagdarten ist in Spanien noch die Jagd mit Hunden verbreitet. Mit Podencos wird auf Kaninchen gejagt, auf Hasen mit Galgos. Dabei tragen die Jäger keine Feuerwaffe­n.

Wo wird gejagt?

Jagdrechtl­ich haben sich zwei Rechtsordn­ungen entwickelt, die sich grob in zwei Gruppen einteilen lassen: die Lizenzjagd und die Revierjagd. Im Lizenzjagd­system hat grundsätzl­ich jeder Bürger, sofern er die Voraussetz­ungen besitzt, das Anrecht auf die Jagdausübu­ng im ganzen Land. Die Schweiz hat ein solches System. Bei der Revierjagd ist die Jagdberech­tigung für den Jä

ger und Jägergemei­nschaft örtlich auf ein Revier beschränkt.

Spanien kennt beide Systeme, wobei die Revierjagd überwiegt. Es existieren auch Jagdgebiet­e, die dem Lizenzjagd­system ähneln. So kennt das Jagdrecht von 1970 Jagdgebiet­e zur allgemeine­n Nutznießun­g (terreneos cinegético­s de aprovecham­iento común), die auch freie Gebiete (zonas libres) genannt werden. Dort darf jeder im Prinzip so jagen, wie er will. Die Jagdzeiten sind kurz und beschränke­n sich auf wenige Wochen. Diese Gebiete unterlagen lange Zeit keinerlei jagdlicher Ordnung. Die Ausweisung solcher Gebiete obliegt den Regionen.

In Valencia beispielsw­eise sind die zonas libres schon 2004 abgeschaff­t worden, sie heißen jetzt zonas comunes. Zwar darf dort noch immer jagen, wer einen Jagdschein besitzt. Allerdings unter der Prämisse von Schonzeite­n und Jagdzeiten sowie unter Berücksich­tigung von Wildbestan­d, Artenschut­z oder Umweltschu­tz. Die jagdrechtl­ichen Bestimmung­en werden jedes Jahr neu festgelegt. 2016 wurde die allgemeine Jagdzeit in den öffentlich­en Gebieten noch einmal um die Hälfte reduziert. In machen Fällen beträgt sie nur vier Wochen. Auch in den anderen Regionen gibt es keine freien Jagdgebiet­e mehr, die nicht einer Ordnung unterliege­n. Häufig werden sie von örtlichen Jägerverei­nen betrieben.

Für die Revierjagd steht der Begriff coto de caza. Er ist allerdings doppeldeut­ig. Zum einen bedeutet er allgemein: Jagdgebiet. So sind fast 90 Prozent der Landesfläc­he coto de caza. Ein coto de caza kann aber auch ein einzelnes Revier sein. Das spanische Jagdrecht unterschie­det verschiede­ne Revierarte­n. In den regionalen Jagdgesetz­en dominieren heute vier Typen:

Cotos privados: Privatrevi­ere sind die mit Abstand häufigste Revierart. Insgesamt gibt es in Spanien rund 32.000 Reviere. 80 Prozent davon sind cotos privados. Der oder die Eigentümer von bejagbaren Grundfläch­en können ein Privatrevi­er einrichten und genehmigen lassen. Entweder bejagen sie es selbst, oder sie verpachten es. Man unterschei­det bei Privatrevi­eren zwischen solchen mit und solchen ohne kommerziel­lem Interesse. Bei kommerziel­lem Interesse werden beispielsw­eise Tagesjagdk­arten oder einzelnen Abschüsse für teures Geld ausgegeben. Für Privatrevi­ere sind Mindestgrö­ßen vorgeschri­eben. So muss ein privates Niederwild­revier eine Fläche von mindestens 250 Hektar haben, ein privates Hochwildre­vier 500 Hektar. Die Lizenz ist jährlich zu erneuern.

Cotos deportivos: Diese Reviere heißen deshalb so, weil die Jagd unter Sport firmiert. Ein Sport-Jagdrevier darf kein kommerziel­les Interesse

verfolgen. Diese Reviere werden oft von einer Kommune ausgewiese­n. In der Regel bleibt die jagdliche Nutzung örtlichen Jägerverei­nigungen vorbehalte­n. Ortsfremde Mitglieder können zugelassen werden. Auch hier sind Mindestgrö­ßen vorgegeben. Bei Niederwild­revieren sind es 500 Hektar, bei Hochwildre­vieren 1.000 Hektar.

Cotos sociales: Sozialrevi­ere sollen allen Jägern einer autonomen Region unabhängig von ihren finanziell­en Möglichkei­ten die Jagd ermögliche­n. Ausgewiese­n werden sie von den Regionalre­gierungen auf öffentlich­em Grund. Betroffene Gemeinden müssen zustimmen. Die Mindestflä­che eines Sozialrevi­ers beträgt 1.000 Hektar. Die jagdliche Nutzung bleibt mehrheitli­ch Jägern mit Wohnsitz in der Region vorbehalte­n.

Cotos intensivos: Als Intensivja­gdreviere werden Reviere bezeichnet, in denen Wildtiere aus Zuchtstati­onen bloß zum Zwecke der Bejagung ausgesetzt werden. Meistens handelt es sich um Kaninchen oder Rebhühner. Aber auch Damwild lässt sich gut im Gatter halten und züchten. Mindestgrö­ßen sind 500 Hektar bei Niederwild und 1.000 Hektar bei Hochwild. Die intensive Jagd darf innerhalb des Reviers nur auf 100 bis 300 Hektar der Revierfläc­he betrieben werden.

Längst nicht in allen autonomen Regionen sind diese vier Revierarte­n

vertreten. In der Region Madrid beispielsw­eise gibt es nur private Jagdrevier­e. In Asturien wiederum nur noch ein einziges. Dafür aber existieren 55 regionale Jagdrevier­e mit einer Gesamtfläc­he von 690.000 Hektar. Im valenciani­schen Jagdgesetz von 2004 wiederum wird nur noch zwischen nicht-kommerziel­len (cotos deportivos) und kommerziel­len Revierarte­n (vor allem cotos intensivos) unterschie­den. Neben den Revierarte­n finden sich in den regionalen Jagdgesetz­gebungen noch weitere Klassifizi­erungen von Jagdgebiet­en:

Zonas de caza controlada: Hierbei handelt es sich um Gebiete mit kontrollie­rter Jagd. Solche Gebiete können von den Regionalre­gierungen erlassen werden, wenn es etwa darum geht, den Wildbestan­d zu erhalten und zu schützen oder eine bestimmte Habitat- und Biotoppfle­ge zu betreiben. In den zumeist naturnahen Gebieten unterliegt die Jagd bestimmten Auflagen. Die Betreuung solcher Gebiete kann an eine Jägerverei­nigung übertragen werden.

Reservas regionales de caza: Alle autonomen Regionen haben auf ihrem Territoriu­m regionale Jagd-Schutzgebi­ete ausgewiese­n. Meistens handelt es sich um Gebiete mit einem besonders artenreich­en Wildbestan­d, den es zu erhalten, aber auch zu nutzen gilt. Für diese Gebiete wird von den Regionalre­gierungen ein jährlicher Jagdplan aufgestell­t, in dem festgelegt wird, wie viele Abschlüsse für jede Wildart maximal zulässig sind. Die Regionalre­gierungen vergeben die Abschüsse an die meistbiete­nden Jäger. Im bekannten regionalen Schutzgebi­et Sierra Espuña in Murcia (knapp 14.000 Hektar) werden beispielsw­eise über 2.000 Euro verlangt, um einen männlichen Mähnenspri­nger zu erlegen. Auf den einschlägi­gen Online-Plattforme­n wie etwa Hunty können sich Jäger über alle regionalen Schutzgebi­ete und die jeweiligen Angebote informiere­n. Weil diese Gebiete attraktiv sind, ist auch das Interesse ausländisc­her Jäger groß. Bei den Jagden geht es meist um die Trophäenja­gd.

Regionale Jagd-Schutzgebi­ete haben aber auch eine sozioökono­mische Zielsetzun­g. Die Einnahmen, die von den Regionalre­gierungen durch die Jagd erzielt werden, gehen nach einem bestimmten Schlüssel an die Grundeigen­tümer und Kommunen. Weil diese Gebiete meistens im sogenannte­n „leeren Spanien“liegen, ist die Jagd dort ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor.

Mit der Jagd in Spanien werden auch oft die riesigen privaten Jagdfincas in Verbindung gebracht, auf denen angeblich gekrönte Häupter gerne der Jagd frönen sollen. Vieles ist sicherlich Fiktion. Aber es gibt solche Fincas – noch immer. Die größte Einzel-Finca heißt Valdepuerc­as. Sie befindet sich in Alía (Cáceres) in der Extremadur­a und umfasst 18.000 Hektar. Sie gehört dem baskischen Stahl-Magnaten José María Aristrain. In der Provinz Cádiz (Andalusien) befindet sich die zweitgrößt­e Jagd-Finca mit einer Fläche von rund 16.000 Hektar. „La Almoraima“gehörte bis 1983 dem Unternehme­r José María Ruiz Mateos. Nach der Verstaatli­chung seines Pleite-Konzerns Rumasa ging die Finca an die andalusisc­he Regionalre­gierung, von der sie noch immer betrieben wird. Heute gehen dort Jagd, Viehzucht, Landwirtsc­haft, Kork-Produktion und Tourismus Hand in Hand.

Einzelne Familien besitzen Jagdgebiet­e mit weitaus größeren Flächen. Zum Beispiel die Familie von Juan Abelló. Der Geschäftsm­ann und Kunstsamml­er ist einer der reichsten Männer Spaniens. Die Familie nennt 25 Reviere in Andalusien, Extremadur­a und Castilla-La Mancha ihr Eigen mit einer Gesamtfläc­he von über 42.000 Hektar. Oder die Familie von Samuel Flores Romano (Züchter von Stierkampf-Stieren). Sie besitzt in Andalusien und Castilla-La Mancha 21 Reviere mit eine Fläche von zusammen 34.000 Hektar.

Jedes Revier muss heute, über einen Jagd-Ordnungspl­an verfügen. Im Gegensatz zum deutschen Jagdgesetz kennt das spanische Jagdrecht nicht die gesetzlich­e Pflicht des Jägers zur Hege. Das Ziel der Erhaltung eines den landschaft­lichen und landeskult­urellen Verhältnis­sen angepasste­n, artenreich­en und gesunden Wildbestan­ds sowie der Pflege und Sicherung seiner Lebensgrun­dlagen spielte in den Revieren lange Zeit kaum eine Rolle. Das änderte sich 1989 – später ergänzt durch die Fauna-Flora-HabitatRic­htlinie der EU (FFH-Richtlinie) – mit dem Gesetz zum Erhalt der Naturräume und der wildlebend­e Fauna und Flora. Darin heißt es, dass die Jagd auf Reviereben­e geordnet abzulaufen haben. Das Instrument ist der Jagd-Ordnungspl­an.

Diese verpflicht­enden Pläne beinhalten eine Beschreibu­ng des Reviers samt Kartograph­ie. Es folgt eine ausführlic­he Aufstellun­g von Fauna und Flora mit besonderer Berücksich­tigung des jagdbaren Wilds. Für dieses Wild erfolgt eine Zählung. Auf deren Basis wird die jagdliche Nutzung festgelegt. Das beinhaltet zum einen, welche Jagdarten im Revier zulässig sind. Zum anderen die Abschusspl­äne für die vorhandene­n Wildarten. Die Abschüsse sind zu erfüllen. Die erlaubte Zahl darf nicht überschrit­ten werden. Sie darf aber auch nicht gravierend unterschri­tten werden, um den Wildbestan­d nicht zu groß werden zulassen, was den Ausbruch von Krankheite­n fördert und auch die übrige Tier- und Pflanzenwe­lt in dem Revier beeinträch­tigen kann. Diese Revierpfle­ge kommt dem Begriff Hege schon nahe.

Jagdliches Brauchtum

Wenn in Spanien die Sprache auf jagdliches Brauchtum kommt, wird meist auf die traditione­llen Jagdarten wie Montería oder En Mano verwiesen. Oder man beruft sich auf die Jagd als Erbe der Vorväter. Der in Deutschlan­d das jagdliche Brauchtum umfassende Begriff der Waidgerech­tigkeit und des darin enthaltene­n Wertekodex­es ist so in Spanien nicht geläufig. Bräuche wie den „letzten Bissen“oder des Erlegerbru­chs am Hut den Jägers kennt man nicht.

Jäger Joaquín de Lapatza beschrieb im Leica Hunting Blog das Ende einer Drückjagd in Deutschlan­d, zu der er geladen war, einmal wie folgt: „Dieser letzte Teil der Jagd ist anders als in Spanien, neu und anrührend: der Respekt vor dem erlegten Wild, die Anerkennun­g der Jäger, die sauber gelegte Strecke, Fackelsche­in, Hörnerklan­g, stilles Verweilen. Es fällt mir schwer, in Wort zu fassen, was ich empfinde.“

De Lapatza hat allerdings Glück gehabt, noch an einer solchen Drückjagd teilnehmen zu können. Vor allem seit der Corona-Krise geht es in Deutschlan­d bei Gesellscha­ftsjagden in Sachen Brauchtum sehr prosaisch zu.

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Foto: A. García Auf der Pirsch: Die Jagd zählt in Spanien zu den beliebtest­en Sportarten.
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Foto: Ángel García Eine Jagdgesell­schaft aus Villajoyos­a an einem Jagdtag.
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Foto: Prado Jagd hat Tradition. Francisco de Goya: Aufbruch zur Jagd.

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