Die Jagd in Spanien
Wer sie regelt, wie man sie ausübt, wo sie erlaubt ist und wann sie offen ist
Madrid – tl. Spanien ist ein traditionelles Jagdland. Fast 90 Prozent seiner Fläche sind potentielles Jagdgebiet. Knapp 750.000 Spanier besitzen einen Jagdschein, doppelt so viele wie in Deutschland. Auch in Spanien hat die Jagd ein Imageproblem. Die Gesellschaft stellt Fragen, ob die Jagd noch zeitgemäß ist, wie es um den Tier- und Artenschutz bestellt ist oder warum Anforderungen an die Waidgerechtigkeit längst nicht von allen Jägern erfüllt werden. Doch so viel steht fest: Die Jagd ist keine Beschäftigung, die sich unkontrolliert auf dem weiten Land abspielt. Sie unterliegt strengen Regeln.
Die historische Entwicklung
Wie im übrigen Europa auch war die Jagd in Spanien seit dem Mittelalter eine reine Sache des Königs und des Adels. Zwei erste größere Abhandlungen stammen auch aus dieser Zeit – beide von Zeitgenossen, die sich zudem gut kannten. „Libro de la Caza“hieß das Werk von Juan Manuel (1282-1348) dem späteren Fürsten von Villena, der auch als Schriftsteller bekannt ist. Das andere Werk verfasste König Alfonso XI von Castilla y León (1311-1350). Er nannte es „Libro de la montería“. Darin huldigt der Jäger der Treibjagd in den Bergen. Er beschreibt auch Lebensweise und Eigenheiten des Rotwilds. Die „Montería“ist heute ein feststehender Begriff für die Drückjagd in den Sierras von Andalusien.
Mit Aufkommen der Feuerwaffen verlor die Jagd ihre „Ritterlichkeit“. Die Jahres-Jagdstrecken gingen in die tausende Stücke Rotwild, Damwild, Schwarzwild, Wolf und Bär. Was nicht ohne Folgen für den Bestand blieb. „Es wurde alles gejagt, was es zu jagen gab – ohne Rücksicht auf Muttertiere oder deren Nachwuchs. Und das alles ohne Schonzeiten“, schrieb Prof. Antonio López Ontiveros (1938-2011) in seiner Abhandlung „Einige Aspekte der Entwicklung der Jagd in Spanien“.
In der Regierungszeit von König Carlos IV. (1788-1808) erfolgten erste Versuche, den Auswüchsen Grenzen zu setzen. Eine Liberalisierung der Jagd setzte mit den Cortes de Cádiz ein, der verfassungsgebenden Versammlung von 1810 bis 1814. Erstmals taucht die Vorstellung auf, dass Wildtiere herrenlos sind. Auch dass „alle Spanier jagen können und nur den Einschränkungen unterliegen, die das Gesetz für alle auferlegt“, hieß es. Überhaupt ist das 19. Jahrhundert gekennzeichnet von der Popularisierung der Jagd. 1879 wurde das erste allgemeine Jagdgesetz (Ley de Caza) erlassen, 1902 folgte eine zweite Ausgabe, in der nun auch ein Muttertierschutz für Hochwild Eingang fand. Beide Gesetze hatten den Nachteil, dass die Viehzucht im Vordergrund stand. Auf Wölfe, Bären und Luchse hieß es: Feuer frei. Natur- und Artenschutz spielten keine Rolle.
Erst 1970 wurde das noch heute gültige Jagdgesetz erlassen. So heißt es in Artikel 3: „Das Recht zu jagen gebührt jeder Person ab 14 Jahren, die einen Jagdschein besitzt und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, die in diesem Gesetz festgelegt sind.“Wobei zu ergänzen ist, dass minderjährige Jagdscheininhaber nur in Begleitung eines erwachsenen Jägers an einer Jagd teilnehmen dürfen. Auch ist der Besitz von Jagdwaffen erst mit Volljährigkeit erlaubt. Das Gesetz von 1970 legt erstmals fest, wer das Jagdrecht besitzt. In Artikel 6 heißt es: „Die Rechte und Verpflichtungen in Zusammenhang mit den Jagdgebieten gehören dem Grundeigentümer oder den Trägern anderer dinglicher oder personeller Rechte, die eine jagdliche Nutzung mit sich bringen.“Grundsätzlich ist das Jagdrecht mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden. Das ist in Deutschland nicht anders.
Wer in Spanien auf Jagd ist
Derzeit besitzen nach Zahlen des Ministeriums für ökologischen Übergang knapp 750.000 Spanier einen Jagdschein (siehe dazu Service). Der Trend ist stark rückläufig. 2015 waren es noch 825.000 und 2005 sogar 1,07 Millionen Jagdscheine. In Deutschland ist der Trend gegenläufig. Zwischen 2005 und heute ist die Jägerschaft in Spanien auch immer älter geworden – in Andalusien beispielsweise stieg der Altersschnitt von 42 auf 52 Jahre. Längst nicht alle Jagdscheininhaber sind auch Mitglied in einem der regionalen Jagdverbände. So gibt es in Spanien nur knapp 334.000 eingetragene Mitglieder. Darunter befinden sich nur 4.245 Frauen. Allerdings ist deren
Zahl seit 2020 um das Doppelte angestiegen. Offenbar interessieren sich wie auch in Deutschland immer mehr Frauen für die Jagd.
Die wichtigsten Jagdverbände
Die meisten Verbandsjäger gibt es in Andalusien. Dort sind über 88.000 Personen Mitglied im regionalen Verband. Es folgen die Region Valencia mit rund 36.000 sowie Katalonien und Extremadura mit über 34.000 Mitgliedern. Die regionalen Jagdverbände haben einen Dachverband: Real Federación Española de Caza. Der Königlich Spanische Jagdverband ist die oberste Interessenvertretung der Verbandsjäger. Er arbeitet zusammen mit den Behörden, hält Kontakt zu den politischen Parteien und verbreitet die Werte der Jagd. Er investiert in die Aus- und Fortbildung der Jäger. Inhaltlich setzt der Verband nach eigenen Angaben auf „die Förderung einer nachhaltigen Jagd“und den Erhalt der Biodiversität in Spanien.
Daneben existiert die Unión Nacional de Asociaciones de Caza (Nationale Union der Jagdvereinigungen). Hierbei handelt es sich um die Interessenvertretung der
örtlichen Jägervereine. Die Union versteht sich als Hüterin der angestammten Rechte der Jäger. Sie setzt sich ein für die „soziale Jagd“als Freizeitaktivität ohne Gewinnstreben oder Wettkampfcharakter. Nachhaltigkeit, Schutz und Pflege der Ressourcen sowie Nichtgefährdung aller wildlebenden Tiere und deren Habitate lauten die Ziele.
Fundación Artemisan (Stiftung Artemisan) ist eine klassische Jagd-Lobby. Sie vertritt die Interessen der Jagd und geht dabei auch keinem Rechtsstreit aus dem Weg. Relativ neu ist die Fundación Caza Sostenible (Stiftung für nachhaltige Jagd). Sie versteht sich als wahre Vertreterin einer nachhaltigen Jagd und sieht darin ein geeignetes Instrument für den Naturund Artenschutz. Sie spricht sich gegen die reine Trophäenjagd aus und plädiert für eine bessere Vermarktung des Wildbrets. Die Jagd wird auch als Instrument für die wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raums gesehen. Das deckt sich mit der Haltung der Regierung, die in der Jagd „ein Werkzeug“gegen die Landflucht sieht.
Etwas, worauf die Interessenvertretungen stets hinweisen, ist die wirtschaftliche Bedeutung der Jagd. Nach einer Studie der Wirtschaftsberatung Deloitte im Auftrag der Stiftung Artemisan werden mit der Jagd jährlich 6,4 Milliarden Euro umgesetzt. 614 Millionen Euro fließen in die Staatskasse. 33 Prozent machten Steuern und Gebühren aus, die von Jägern und Revierinhabern erhoben werden. In Zusammenhang mit der Jagd existieren 187.000 Arbeitsplätze. Im Schnitt gibt ein Jäger in Spanien 9.694 Euro jährlich für die Jagd aus. Laut Real Federación Española de Caza gibt es viele Dörfer im ländlichen Raum, in denen 70 Prozent der Einnahmen aus den Jagdrevieren kommen, vor allem in Provinzen wie Soria, León, Palencia, Teruel oder Cuenca.
Wer ist zuständig?
Auf nationaler Ebene ist die Jagd beim Landwirtschaftsministerium angesiedelt, in der Ministerialdirektion für Bergland, Jagd und Flussfischerei. Auf Ministeriumsebene tagt regelmäßig der Jagdausschuss. Ferner gibt es einen sektorialen Jagd-Tisch, an dem auch Wildbiologen und Vertreter des Ministeriums für ökologischen Übergang und der Umweltpolizei (Seprona) teilnehmen. Bei einer der letzten Sitzungen ging es um Maßnahmen zur Bestandserholung bei Turteltaube und Rothuhn.
Jüngste Entwicklung ist die Nationale Jagd-Strategie (Estrategia Nacional de Gestión Cinegética), die von der Regierung im März 2022 verabschiedet wurde. Fünf Ziele sind genannt: Förderung eines
nachhaltigen Modells der Jagd auch als Beitrag zur ländlichen Entwicklung, Erlass von Verordnungen für ein nachhaltiges Jagdmanagement, Gründung eines Systems von Jagd-Information und -Monitoring, Einbindung von sozialen, wirtschaftlichen und umweltmäßigen Anforderungen in das Jagd-Management und die Verbesserung des Ansehens der Jagd mittels jagdlich sauberer Methoden.
Mit der demokratischen Verfassung von 1978 wurde die Kompetenz für die Jagd an die autonomen Regionen abgetreten. So bestehen neben dem nationalen Jagdgesetz, das den allgemeinen rechtlichen Rahmen festlegt, regionale Jagdgesetze mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Inhalten. Bis auf Madrid und Katalonien haben alle anderen 15 autonomen Regionen eigene regionale Jagdgesetze verabschiedet. Auf Provinzebene existieren sogenannte Jagdräte (Consejos Provenciales de Caza). Den Vorsitz hat in der Regel der für die Provinz zuständige Beamte aus der Abteilung Kontinentalfischerei, Jagd und Nationalparks des regionalen Landwirtschaftsministeriums. Solche Räte können sich auch auf lokaler Ebene konstituieren, wenn es sich um Kommunen handelt, in denen die Jagd eine wirtschaftliche Bedeutung besitzt.
Was wird gejagt?
Ähnlich wie in Deutschland unterscheidet das spanische Jagdrecht auch zwischen Hochwild und Niederwild. Zum Hochwild zählen Rotwild (Hirsche), Schwarzwild (Wildschweine), Damwild, Rehwild, Steinwild (Steinbock), Mähnenspringer, Mallorquinische Wildziege, Gämse, Muffelwild (Moufflon)
und Wolf. Wobei der Wolf nur nördlich des Flusses Duero unter das Jagdrecht fällt, seit 2022 aber auch dort ganzjährig geschützt ist. Einzelne Abschüsse dürfen nur im Einvernehmen mit dem Naturschutz erfolgen. Zum Niederwild zählt, wie es im Spanischen heißt, „alles, was kleiner ist als ein Fuchs“. Im Einzelnen also Fuchs, Hase, Wildkaninchen, Rebhuhn, Rothuhn, Wachtel, Tauben, Drossel, Enten und Schnepfe.
Die Jagd auf Niederwild wird in Spanien am häufigsten praktiziert. Was sich auch in den Jagdstrecken widerspiegelt. Laut Schätzung der Jagd-Lobby Fundación Artemisan werden jährlich um die 20 Millionen Stück Niederwild – hauptsächlich Kaninchen, Rebhuhn, Tauben, Drosseln – erlegt. In Deutschland kommen die Jäger vielleicht auf ein Zehntel davon. Beim Hochwild sind es in Spanien jährlich im Schnitt zwischen 500.000 und 700.000 Stück. Wobei der Schwerpunkt auf Rotwild und Schwarzwild liegt. Hier liegen die jährlichen Strecken in Deutschland deutlich höher: Rehwild gut 1,2 Millionen Stück, Schwarzwild rund 700.000, Rotwild 75.000.
Welche Jagdarten gibt es?
Die Jäger in Spanien praktizieren verschiedene Jagdmethoden, je nachdem, ob sie auf Hochwild oder Niederwild jagen. Bei Hochwild dominieren: Montería: Es handelt sich um eine alte Jagdart, die schon im Mittelalter betrieben wurde. Die Montería ist eine Gesellschaftsjagd und ähnelt heute einer Drückjagd. Die Jäger stehen verteilt auf einem festen Stand, den sie während der Jagd nicht verlassen. Eine oder mehrere Jagdhundemeuten bringen das Wild in Bewegung, im Idealfall in Richtung der Stände. Die bejagte Fläche schwankt zwischen 250 und 600 Hektar. Schwerpunkte der Bergjagd sind aber Andalusien und Extremadura. Dort ist die Montería und die Nutzung der Hundemeute (rehala) als Gut von kulturellem Interesse (BIC) anerkannt.
Rececho: Der Rececho entspricht der Pirsch in Deutschland. Hierbei streift ein Jäger alleine – mit oder ohne Hund – durch das Revier nach Wild. Erfordert genaueste Kenntnisse des Reviers und eine gute Kondition. Der Rececho wird hauptsächlich auf Rehwild ausgeübt.
Espera oder Aguardo: Entspricht dem Ansitz oder Anstand in Deutschland. Hier verharrt der Jäger auf einem festen Stand, der sich nahe eines Wildwechsel befindet. Die Jagdart erfordert Sitzfleisch und Geduld. Gilt vorwiegend Schwarzwild, Rotwild und Rehwild.
Gancho: Übersetzt man sinngemäß am besten mit Gemeinschaftsoder Sammelansitz auf Hochwild von nicht mehr als 20 Jägern. Wie beim Ansitz verharren die Jäger an festen Positionen. Diese Jagdart wird als kleine Montería bezeichnet.
Batida: Die klassische Treibjagd. Hier bewegen sich mehrere Jäger in einer Reihe und mit Abstand zueinander vorwärts durch die zu bejagende Fläche. Unterstützt werden sie von Treibern, die Krach machen. Hunde können dabei sein, muss aber nicht sein. Die Batida gilt allem Hochwild.
Cetrería: Das ist der spanische Begriff für die Beizjagd (Falknerei) mit abgerichteten Greifvögel wie etwa Falken. Obwohl die Beizjagd auf Niederwild ausgeübt wird, zählt sie zur Hochwildjagd. Die Falknerei zählt seit 2016 zum Immateriellen
Kulturerbe der Menschheit.
Bei der Niederwildjagd finden sich verschiedene Jagdarten. Die gebräuchlichsten Methoden:
En mano: Entspricht etwa der Suche und ist in Spanien ausgesprochen populär. „Mano“steht dabei für eine Gruppe von zwei bis sechs Jägern, die verteilt durch die zu bejagende Fläche streifen. Wichtig ist, auf einer Linie zu bleiben. Darauf achtet ein Jagdleiter.
Ojeo: Der Ojeo ist eine besondere Jagdmethode auf Rebhuhn. Bejagt wird eine vorher festgelegte Fläche. Mehrere Jäger bilden mit Abstand zueinander eine Art geschwungenen Flügel oder einen Halbkreis. Die Jäger bleiben auf ihrer Position. Ihnen gegenüber steht die Treiberwehr, ebenfalls im Halbkreis. Die Treiber bewegen sich langsam auf die Jäger zu und bringen die Hühner zum Auffliegen in Richtung der Jäger.
Al salto: Hier praktiziert ein Jäger die Suche alleine.
A rabo: Hier macht der Jäger das Gleiche, aber mit Hund.
Neben den beschriebenen Jagdarten ist in Spanien noch die Jagd mit Hunden verbreitet. Mit Podencos wird auf Kaninchen gejagt, auf Hasen mit Galgos. Dabei tragen die Jäger keine Feuerwaffen.
Wo wird gejagt?
Jagdrechtlich haben sich zwei Rechtsordnungen entwickelt, die sich grob in zwei Gruppen einteilen lassen: die Lizenzjagd und die Revierjagd. Im Lizenzjagdsystem hat grundsätzlich jeder Bürger, sofern er die Voraussetzungen besitzt, das Anrecht auf die Jagdausübung im ganzen Land. Die Schweiz hat ein solches System. Bei der Revierjagd ist die Jagdberechtigung für den Jä
ger und Jägergemeinschaft örtlich auf ein Revier beschränkt.
Spanien kennt beide Systeme, wobei die Revierjagd überwiegt. Es existieren auch Jagdgebiete, die dem Lizenzjagdsystem ähneln. So kennt das Jagdrecht von 1970 Jagdgebiete zur allgemeinen Nutznießung (terreneos cinegéticos de aprovechamiento común), die auch freie Gebiete (zonas libres) genannt werden. Dort darf jeder im Prinzip so jagen, wie er will. Die Jagdzeiten sind kurz und beschränken sich auf wenige Wochen. Diese Gebiete unterlagen lange Zeit keinerlei jagdlicher Ordnung. Die Ausweisung solcher Gebiete obliegt den Regionen.
In Valencia beispielsweise sind die zonas libres schon 2004 abgeschafft worden, sie heißen jetzt zonas comunes. Zwar darf dort noch immer jagen, wer einen Jagdschein besitzt. Allerdings unter der Prämisse von Schonzeiten und Jagdzeiten sowie unter Berücksichtigung von Wildbestand, Artenschutz oder Umweltschutz. Die jagdrechtlichen Bestimmungen werden jedes Jahr neu festgelegt. 2016 wurde die allgemeine Jagdzeit in den öffentlichen Gebieten noch einmal um die Hälfte reduziert. In machen Fällen beträgt sie nur vier Wochen. Auch in den anderen Regionen gibt es keine freien Jagdgebiete mehr, die nicht einer Ordnung unterliegen. Häufig werden sie von örtlichen Jägervereinen betrieben.
Für die Revierjagd steht der Begriff coto de caza. Er ist allerdings doppeldeutig. Zum einen bedeutet er allgemein: Jagdgebiet. So sind fast 90 Prozent der Landesfläche coto de caza. Ein coto de caza kann aber auch ein einzelnes Revier sein. Das spanische Jagdrecht unterschiedet verschiedene Revierarten. In den regionalen Jagdgesetzen dominieren heute vier Typen:
Cotos privados: Privatreviere sind die mit Abstand häufigste Revierart. Insgesamt gibt es in Spanien rund 32.000 Reviere. 80 Prozent davon sind cotos privados. Der oder die Eigentümer von bejagbaren Grundflächen können ein Privatrevier einrichten und genehmigen lassen. Entweder bejagen sie es selbst, oder sie verpachten es. Man unterscheidet bei Privatrevieren zwischen solchen mit und solchen ohne kommerziellem Interesse. Bei kommerziellem Interesse werden beispielsweise Tagesjagdkarten oder einzelnen Abschüsse für teures Geld ausgegeben. Für Privatreviere sind Mindestgrößen vorgeschrieben. So muss ein privates Niederwildrevier eine Fläche von mindestens 250 Hektar haben, ein privates Hochwildrevier 500 Hektar. Die Lizenz ist jährlich zu erneuern.
Cotos deportivos: Diese Reviere heißen deshalb so, weil die Jagd unter Sport firmiert. Ein Sport-Jagdrevier darf kein kommerzielles Interesse
verfolgen. Diese Reviere werden oft von einer Kommune ausgewiesen. In der Regel bleibt die jagdliche Nutzung örtlichen Jägervereinigungen vorbehalten. Ortsfremde Mitglieder können zugelassen werden. Auch hier sind Mindestgrößen vorgegeben. Bei Niederwildrevieren sind es 500 Hektar, bei Hochwildrevieren 1.000 Hektar.
Cotos sociales: Sozialreviere sollen allen Jägern einer autonomen Region unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten die Jagd ermöglichen. Ausgewiesen werden sie von den Regionalregierungen auf öffentlichem Grund. Betroffene Gemeinden müssen zustimmen. Die Mindestfläche eines Sozialreviers beträgt 1.000 Hektar. Die jagdliche Nutzung bleibt mehrheitlich Jägern mit Wohnsitz in der Region vorbehalten.
Cotos intensivos: Als Intensivjagdreviere werden Reviere bezeichnet, in denen Wildtiere aus Zuchtstationen bloß zum Zwecke der Bejagung ausgesetzt werden. Meistens handelt es sich um Kaninchen oder Rebhühner. Aber auch Damwild lässt sich gut im Gatter halten und züchten. Mindestgrößen sind 500 Hektar bei Niederwild und 1.000 Hektar bei Hochwild. Die intensive Jagd darf innerhalb des Reviers nur auf 100 bis 300 Hektar der Revierfläche betrieben werden.
Längst nicht in allen autonomen Regionen sind diese vier Revierarten
vertreten. In der Region Madrid beispielsweise gibt es nur private Jagdreviere. In Asturien wiederum nur noch ein einziges. Dafür aber existieren 55 regionale Jagdreviere mit einer Gesamtfläche von 690.000 Hektar. Im valencianischen Jagdgesetz von 2004 wiederum wird nur noch zwischen nicht-kommerziellen (cotos deportivos) und kommerziellen Revierarten (vor allem cotos intensivos) unterschieden. Neben den Revierarten finden sich in den regionalen Jagdgesetzgebungen noch weitere Klassifizierungen von Jagdgebieten:
Zonas de caza controlada: Hierbei handelt es sich um Gebiete mit kontrollierter Jagd. Solche Gebiete können von den Regionalregierungen erlassen werden, wenn es etwa darum geht, den Wildbestand zu erhalten und zu schützen oder eine bestimmte Habitat- und Biotoppflege zu betreiben. In den zumeist naturnahen Gebieten unterliegt die Jagd bestimmten Auflagen. Die Betreuung solcher Gebiete kann an eine Jägervereinigung übertragen werden.
Reservas regionales de caza: Alle autonomen Regionen haben auf ihrem Territorium regionale Jagd-Schutzgebiete ausgewiesen. Meistens handelt es sich um Gebiete mit einem besonders artenreichen Wildbestand, den es zu erhalten, aber auch zu nutzen gilt. Für diese Gebiete wird von den Regionalregierungen ein jährlicher Jagdplan aufgestellt, in dem festgelegt wird, wie viele Abschlüsse für jede Wildart maximal zulässig sind. Die Regionalregierungen vergeben die Abschüsse an die meistbietenden Jäger. Im bekannten regionalen Schutzgebiet Sierra Espuña in Murcia (knapp 14.000 Hektar) werden beispielsweise über 2.000 Euro verlangt, um einen männlichen Mähnenspringer zu erlegen. Auf den einschlägigen Online-Plattformen wie etwa Hunty können sich Jäger über alle regionalen Schutzgebiete und die jeweiligen Angebote informieren. Weil diese Gebiete attraktiv sind, ist auch das Interesse ausländischer Jäger groß. Bei den Jagden geht es meist um die Trophäenjagd.
Regionale Jagd-Schutzgebiete haben aber auch eine sozioökonomische Zielsetzung. Die Einnahmen, die von den Regionalregierungen durch die Jagd erzielt werden, gehen nach einem bestimmten Schlüssel an die Grundeigentümer und Kommunen. Weil diese Gebiete meistens im sogenannten „leeren Spanien“liegen, ist die Jagd dort ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Mit der Jagd in Spanien werden auch oft die riesigen privaten Jagdfincas in Verbindung gebracht, auf denen angeblich gekrönte Häupter gerne der Jagd frönen sollen. Vieles ist sicherlich Fiktion. Aber es gibt solche Fincas – noch immer. Die größte Einzel-Finca heißt Valdepuercas. Sie befindet sich in Alía (Cáceres) in der Extremadura und umfasst 18.000 Hektar. Sie gehört dem baskischen Stahl-Magnaten José María Aristrain. In der Provinz Cádiz (Andalusien) befindet sich die zweitgrößte Jagd-Finca mit einer Fläche von rund 16.000 Hektar. „La Almoraima“gehörte bis 1983 dem Unternehmer José María Ruiz Mateos. Nach der Verstaatlichung seines Pleite-Konzerns Rumasa ging die Finca an die andalusische Regionalregierung, von der sie noch immer betrieben wird. Heute gehen dort Jagd, Viehzucht, Landwirtschaft, Kork-Produktion und Tourismus Hand in Hand.
Einzelne Familien besitzen Jagdgebiete mit weitaus größeren Flächen. Zum Beispiel die Familie von Juan Abelló. Der Geschäftsmann und Kunstsammler ist einer der reichsten Männer Spaniens. Die Familie nennt 25 Reviere in Andalusien, Extremadura und Castilla-La Mancha ihr Eigen mit einer Gesamtfläche von über 42.000 Hektar. Oder die Familie von Samuel Flores Romano (Züchter von Stierkampf-Stieren). Sie besitzt in Andalusien und Castilla-La Mancha 21 Reviere mit eine Fläche von zusammen 34.000 Hektar.
Jedes Revier muss heute, über einen Jagd-Ordnungsplan verfügen. Im Gegensatz zum deutschen Jagdgesetz kennt das spanische Jagdrecht nicht die gesetzliche Pflicht des Jägers zur Hege. Das Ziel der Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten, artenreichen und gesunden Wildbestands sowie der Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen spielte in den Revieren lange Zeit kaum eine Rolle. Das änderte sich 1989 – später ergänzt durch die Fauna-Flora-HabitatRichtlinie der EU (FFH-Richtlinie) – mit dem Gesetz zum Erhalt der Naturräume und der wildlebende Fauna und Flora. Darin heißt es, dass die Jagd auf Revierebene geordnet abzulaufen haben. Das Instrument ist der Jagd-Ordnungsplan.
Diese verpflichtenden Pläne beinhalten eine Beschreibung des Reviers samt Kartographie. Es folgt eine ausführliche Aufstellung von Fauna und Flora mit besonderer Berücksichtigung des jagdbaren Wilds. Für dieses Wild erfolgt eine Zählung. Auf deren Basis wird die jagdliche Nutzung festgelegt. Das beinhaltet zum einen, welche Jagdarten im Revier zulässig sind. Zum anderen die Abschusspläne für die vorhandenen Wildarten. Die Abschüsse sind zu erfüllen. Die erlaubte Zahl darf nicht überschritten werden. Sie darf aber auch nicht gravierend unterschritten werden, um den Wildbestand nicht zu groß werden zulassen, was den Ausbruch von Krankheiten fördert und auch die übrige Tier- und Pflanzenwelt in dem Revier beeinträchtigen kann. Diese Revierpflege kommt dem Begriff Hege schon nahe.
Jagdliches Brauchtum
Wenn in Spanien die Sprache auf jagdliches Brauchtum kommt, wird meist auf die traditionellen Jagdarten wie Montería oder En Mano verwiesen. Oder man beruft sich auf die Jagd als Erbe der Vorväter. Der in Deutschland das jagdliche Brauchtum umfassende Begriff der Waidgerechtigkeit und des darin enthaltenen Wertekodexes ist so in Spanien nicht geläufig. Bräuche wie den „letzten Bissen“oder des Erlegerbruchs am Hut den Jägers kennt man nicht.
Jäger Joaquín de Lapatza beschrieb im Leica Hunting Blog das Ende einer Drückjagd in Deutschland, zu der er geladen war, einmal wie folgt: „Dieser letzte Teil der Jagd ist anders als in Spanien, neu und anrührend: der Respekt vor dem erlegten Wild, die Anerkennung der Jäger, die sauber gelegte Strecke, Fackelschein, Hörnerklang, stilles Verweilen. Es fällt mir schwer, in Wort zu fassen, was ich empfinde.“
De Lapatza hat allerdings Glück gehabt, noch an einer solchen Drückjagd teilnehmen zu können. Vor allem seit der Corona-Krise geht es in Deutschland bei Gesellschaftsjagden in Sachen Brauchtum sehr prosaisch zu.