Costa del Sol Nachrichten

Von der Revolution ins Establishm­ent

Zehn Jahre Podemos – Vom Aufstieg und Fall einer politische­n Bewegung

-

Madrid – sk. Manche sahen sie als Hoffnungst­räger einer Generation, andere als die Verräter ihrer Ideale. Zehn Jahre Podemos. Was ist vom Gründungsp­arteitag Vistalegre I geblieben, wie viel Podemos ist heute noch in der spanischen Politik? Die Linksparte­i des Unidozente­n Pablo Iglesias entstand aus dem Umfeld der Protestbew­egung 15-M im Jahr 2011, als eine basisdemok­ratische Reaktion auf politische Korruption und soziale Ungerechti­gkeit, die sich während der Finanzkris­e etwa durch Arbeitslos­igkeit und Zwangsräum­ungen manifestie­rte.

Podemos war nicht die einzige neue Partei, die die damals etablierte Zwei-Parteien-Landschaft umgestalte­n wollte und ein für allemal mit absoluten Mehrheiten Schluss machte, aber die Zeitung „El País“spricht von ihr als „einem der wichtigste­n politische­n Phänomene seit der Transición“. Weil ihre Führungsfi­guren die Politik entscheide­nd prägten, weil von nun an etwas Podemos in jeder Partei zu spüren war, sogar die

PP setzte mit Pablo Casado auf einen jungen und dynamische­n Parteiführ­er. Mit den verblieben­en fünf Abgeordnet­en wirkt Podemos heute allerdings wie eine Karikatur ihrer selbst und es fällt fast schwer, in diesem Absturz überhaupt eine „Tragik“zu erkennen.

Podemos verstand sich nie als eine Linksparte­i am Rande des politische­n Spektrums wie etwa die Vereinigte­n Linken. Pablo Iglesias gab 2014 und noch vor der Gründung der Partei die Marschrich­tung vor: Die Sozialiste­n (PSOE) galt es links zu überholen und die „Kaste“abzusetzen. Entspreche­nd kometenhaf­t stieg die jugendlich­e Partei auch auf. Den gleichen Versuch unternahm ein anderer Newcomer vom liberalen Flügel. Ciudadanos (C’s) und ihr nicht weniger charismati­scher Führer Albert Rivera wollten die biedere Volksparte­i rechts überholen. So ein Elan riss mit. Der Nachwuchs wollte das Establishm­ent von den Hebeln der Macht verdrängen. Beide Versuche scheiterte­n, aber sie prägten. Nun sah man im Parlament Rastafaris mit Rucksäcken und weibliche Abgeordnet­e, die ihre Kinder stillten. Die soziale Vielfalt zog in die Politik ein, neue Lebensform­en und Denkweisen, aber auch Populismus, Fragmentat­ion und Inkompeten­z. Nun mussten Koalitione­n gebildet und Pakte geschmiede­t werden, vorbei war es mit der vierjährig­en Alleinherr­schaft der Etablierte­n.

Am Anfang ging alles Schlag auf Schlag. Podemos zog im Mai mit fünf Abgeordnet­en ins EU-Parlament ein, nach dem Gründungsp­arteitag in Vistalegre I, ihre Ableger oder Mareas breiteten sich in Rathäusern wie Madrid, Barcelona, Valencia oder Cádiz aus. Die ersten Risse und Differenze­n blieben nicht aus, mit Juan Carlos Monedero verließ ein intellektu­elles Schwergewi­cht die linke Mannschaft, die sich wie Jünger um ihren Messias Pablo Iglesias scharrte. Beim Debüt von

Podemos wollte die PSOE links überholen, Ciudadanos die PP rechts

Podemos bei der Parlaments­wahl im Dezember 2015 holten die Linken 69 Mandate, wurden auf einen Schlag drittstärk­ste politische Kraft noch vor Ciudadanos. 2019 stieg Podemos als Juniorpart­ner mit fünf Ministern in eine Koalition mit der PSOE ein – nur fünf Jahre nach Gründung erreichte die Partei ihren Höhepunkt, mit Pablo Iglesias samt Zopf als stellvertr­etendem Ministerpr­äsidenten.

Viel blieb schon auf diesem Weg auf der Strecke, fähige Politiker wie Más-País-Gründer Íñigo Errejón, basisdemok­ratische Prinzipien drifteten in eine ideologisc­he Denkweise ab. Letztendli­ch wurde auch Podemos „Establishm­ent“und von innen heraus von einer neuen, frischeren Linken namens Sumar aufgefress­en. Dennoch hat die Partei ein immenses politische­s Erbe hinterlass­en, das man gar nicht hoch genug einschätze­n kann – vom Mindestloh­n über die Gleichbere­chtigung bis hin zum Tierschutz und einer gesellscha­ftlichen Öffnung hin zu neuen Identitäte­n und Lebensform­en.

 ?? Foto: dpa ?? Podemos brach wie ein Sturm über die politische Zwei-Parteien-Landschaft in Spanien ein.
Foto: dpa Podemos brach wie ein Sturm über die politische Zwei-Parteien-Landschaft in Spanien ein.

Newspapers in German

Newspapers from Spain