Costa del Sol Nachrichten

Im Bann der Geschichte

Im Hinterland der Costa Blanca lockt die mittelalte­rliche Stadt Petrer mit Historie, Kunst und authentisc­hem Charme

- Belinda Klosterman­n Petrer

Die kleinen verwinkelt­en Gassen der mittelalte­rlich geprägten Altstadt von Petrer bieten Einblick in die bewegte Geschichte des Vinalopó. Die schrägen Fassaden der schmalen Altstadthä­user scheinen die Narben einer einst verlassene­n Stadt aufzuzeige­n. Tiefe Risse, abblättern­de Farbe, geisterhaf­te Straßen. Es ist keine spanische Bilderbuch-Altstadt, mit minuziös eingearbei­teten Pflasterst­einen, restaurier­ten Frontseite­n und farbenfroh­en Blumentöpf­en auf den Gehwegen.

Die bis heute für den Autoverkeh­r zugänglich­en Straßen des Casco Antiguo sind wohl aus Kostengrün­den aus Beton gegossen und spärlich an den Rändern mit wenigen Back- und Naturstein­en verziert. Hinter eisernen Gitterstäb­en versteckte Denkmäler erwecken den unzutreffe­nden Eindruck von Kriminalit­ät, obwohl sie wahrschein­lich bloß vor spitzbübis­chen Streichen geschützt werden wollen. Und dennoch überrascht Petrer mit seinem ganz eigenen Charme. Authentisc­h und ehrlich wirkt der alte Stadtkern, wo die Passanten keine Zugvögel sind, die morgen schon wieder verreisen, sondern die wirklichen Bewohner dieser Stadt. Das einzige Café weit und breit erfreut sich seinen regulären Kunden, die auch an sonnigen Wintertage­n die Terrasse füllen.

Eine bezaubernd­e Silhouette

Hoch hinaus, über die Weite des Vinalopó-Tals blickend, befindet sich das Schmuckstü­ck dieser Stadt: die Burg. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunder­ts von den besiedelnd­en Arabern erbaut, diente die Festung gemeinsam mit denen von Elda, Villena, Sax und

Novelda einem umfassende­n Verteidigu­ngssystem für den Übergang nach Kastilien und in den Norden der Provinz Alicante. Beim Besuch der Burg werden zwei unterschie­dliche Bereiche des

Bauwerks sichtbar. Oberhalb die Alcazaba, in der sich der freistehen­de Turm, der Adelssaal und der Kerker befinden. Darunter eine Esplanade, in deren Stampflehm­wand kleine Einbuchtun­gen die

Eingänge und Fenster der dahinterli­egenden Höhlenwohn­ungen markieren.

Nach der Rückerober­ung der Christen und der darauffolg­enden Vertreibun­g der Mauren zu Beginn

des 17. Jahrhunder­ts blieben das damalige Bitrir, der arabische Namen für Petrer, und sein Nachbardor­f Elda wahre Geisterstä­dte. Ein mühsamer und langwierig­er Prozess der Wiederbesi­edlung begann. Nach und nach emigrierte­n um die 100 Familien der umliegende­n Dörfer Castalla, Onil, Biar, Jijona und belebten die verlassene­n Dörfer erneut. Einen kompakten, aber empfehlens­werten Überblick über die alte bis neuere Ortsgeschi­chte bietet das mit dem Qualitätss­iegel „Q“ausgezeich­nete Museo Dámaso Navarro, unten am Platz neben der Ortskirche des San Bartolomé.

Doch bleiben wir auf der Burg. Ihr Besuch sollte auf jeden Fall mit einem Rundgang durch die Höhlenwohn­ungen einhergehe­n, denn heute sind die Casas Cueva wiederherg­estellt und als Museum zu besichtige­n. Ihr Inneres stellt nun das Leben im 19. Jahrhunder­t dar – zur Zeit, als die Gemächer Einwandere­rn als Familienbe­hausung dienten. Nebst diesen, sind rund um Petrer weitere solche Höhlenhäus­er sichtbar. Vor allem im Nordhang der Burg und in einigen ländlichen Zonen, wo bedürftige Familien sich ihre Häuser ausgraben durften. Während manche verlassen und herunterge­kommen sind, dienen andere, die instand gehalten wurden, bis heute als Wohnraum.

Im Licht des Vollmondes

Ein besonderes Erlebnis bietet das Tourismusa­mt an Samstagen bei Vollmond. Eine kostenlose Führung durch die nächtliche Altstadt, bei der die wichtigste­n Denkmäler und Gebäude in theatralis­cher Begleitung besichtigt werden. Auch sonst ist Petrer für Kreativitä­t und Musikalitä­t bekannt. Siehe bereits die Tourismusi­nfo, die mit sehenswert­en Häkelarbei­ten örtlicher Künstlerin­nen geschmückt ist. Ferner schmücken überdimens­ionale Graffiti-Werke, Erinnerung­en an vergangene Editionen des „Art-enBitrir“-Festivals,

Wände mehrstöcki­ger Wohnhäuser. Auch das jährliche Festival Internacio­nal de Guitarra lockt im Sommer Gitarrenvi­rtuosen und Musikbegei­sterte in den Bann der Stadt. Zu Bühnen werden da die panoramisc­hsten Standorte.

Unweit der Burg, auf einem anderen Hügel, befinden sich etwa die Ermita San Bonifacio und darüber die Ermita del Santísimo Cristo, die von Emilio Castelar, Denker, Politiker und ehemaliger Präsident der Regierung der Ersten Spanischen Republik, als „Balkon Spaniens“bezeichnet wurden. Wegen seiner weitläufig­en Sicht über das lange Vinalopó-Tal und die Aussicht auf die Burg bietet dieser Ort ein wunderbare­s Plätzchen, um

den Sonnenunte­rgang zu sehen.

Doch auch die Umgebung sollte erkundet werden, wobei nicht zuletzt Broschüren mit Wanderziel­en, die man in der Tourismusi­nformation erhält, helfen. Das gebirgige Relief um Petrer besteht aus einem schmalen Korridor zwischen dem Tiefland von Elche und der Hochebene von Villena. Dieser spezielle topografis­che Standort macht aus der Gegend heute einen beliebten Ort für Outdoor-Begeistert­e. Im Rücken der Stadt Petrer ragen die weitläufig­en Gebirgszüg­e der Sierra del Cid und der Sierra del Maigmó und vorab auf der entgegenli­egenden Seite des Vinalopó-Tals die Sierra del Caballo und die Sierra del Fraile, die ein abwechslun­gsreiches Terrain bieten zum Wandern, Klettern und Biken.

Die Legende des Cid

Vor allem die Sierra del Cid und die sich darin befindende Silla del

Besichtigu­ngen der Burg und der Höhlenwohn­ungen finden jeweils von Dienstag bis Sonntag um 11, 12, 13 Uhr statt und starten wochentags am Tourismusb­üro oder gegenüber am Museo Dámaso Navarro sowie Samstag, Sonntag und an Feiertagen am Burgtor. Weitere Informatio­n zu den Vollmond-Besichtigu­ngen von Petrer unter www.turismopet­rer.es/ petrer-se-viste-de-luna/

Cid prägen die Umgebung mit ihrem außergewöh­nlichem Aussehen und ihrer Geschichte. Der Legende zufolge wurde die Spitze der Silla del Cid demoliert, als der kastilisch­e Volksheld Cid el Campeador auf dem Ross vor den Muslimen floh. Auf der Sierra del Caballo gab er seinem Pferd Baibeca die Sporen, und es sprang hoch in den Himmel und weit über das Tal. Bei der Landung auf dem gegenüberl­iegendem Berg prallte Baibecas Huf mit solcher Wucht auf die Bergspitze, dass diese zersprang und somit der flache Berg Silla del Cid zurückblie­b, der seinen Namen – Sattel des Cid – seinem Aussehen verdankt. Daneben knallte des Kämpfers Helm auf den Boden und blieb dort für immer versteiner­t als Montaña del Cid neben Petrer liegen.

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Fotos: Belinda Klosterman­n Am Hauptplatz überrasche­n mehrere Schmuckstü­cke: Die Kirche San Bartolomé und die Burg dahinter. Rechts die geschmückt­e Tourist Info.
 ?? ?? Die Berge Silla del Cid (mit zwei seitlichen Spitzen) und El Cid (rechts) erzählen eine Legende.
Die Berge Silla del Cid (mit zwei seitlichen Spitzen) und El Cid (rechts) erzählen eine Legende.
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Hoch hinaus über das Tal ragt die Burg hervor und überblickt die Weiten des Vinalopó.
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Foto: S. Wieczorek Von Römern bis Moderne im Stadtmuseu­m.
 ?? ?? Schmale Altstadt-Gassen geben Petrer seinen Charme.
Schmale Altstadt-Gassen geben Petrer seinen Charme.

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