Liebe Leser,
was hat uns der Januar bisher gebracht? Jede Menge Rechnungen zum Jahresauftakt und jede Menge Wut, die sich auf den Straßen entlädt. In Frankreich blockieren die Bauern ganze Autobahnen, attackieren Lkw, plündern die Waren ausländischer Brummis. Mit Bürgerprotesten hat das nicht mehr viel zu tun, das ist kriminell und gefährlich. Natürlich gibt es Dinge, die im Argen liegen, gerade in der Landwirtschaft. Darüber muss man reden, aber friedlich. In Spanien haben die Bauern nun auch Proteste angekündigt, und es wird sich zeigen, ob sich das sonnige Gemüt der Spanier bewährt, oder ob der südländische Hitzkopf die Oberhand gewinnt. In Deutschland wiederum legt der Boss einer kleinen Gewerkschaft zeitgleich das ganze Land lahm – mehrfach –, um weniger Arbeitsstunden für die Lokführer rauszuschlagen. Zwar ohne brennende Waggons, aber davon können sich die tausenden Pendler, Schüler und Reisenden auch nichts kaufen. War das noch ein Streik, oder war das schon Erpressung? Dank Herrn Weselsky habe ich letzte Woche viele wartende Stunden am Flughafen Köln/Bonn verbracht. Umweltfreundlich soll man sich bewegen, aber als auch der Bus als Plan B ausfiel, musste doch der alte Diesel herhalten und mich abholen.
In fünf Stunden am Flughafen sieht man jedenfalls so einiges. Reisende, die sich auf ihren Urlaub freuen natürlich. Berufstätige, die im Anzug durchs Terminal hechten. Meetings bei McDonald’s, ein schneller Kaffee bei Starbucks für vier Euro. Und da wo weniger Trubel ist, Obdachlose, jede Menge Obdachlose. Sie lagen schnarchend auf den Bänken und schlurften mit ihren Trolleys von Mülleimer zu Mülleimer. Dabei waren sie ganz unauffällig und still, offensichtlich einfach froh, im Warmen zu sein. Was diese Menschen wohl zur 35-Stunden-Woche zu sagen hätten? Zu Tarifverhandlungen, Lohnausgleich und Importverboten? Ich habe sie nicht gefragt. Aber ich bin mir sicher, dass sie die Orangen, die Valencias Bauern unter den Bäumen verfaulen lassen, oder das Gemüse, das auf französischen Autobahnen zertrampelt wird, gerne nehmen würden.