Costa del Sol Nachrichten

Liebe Leser,

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Mit 50 gehört man fast zum alten Eisen. Lesen und schreiben genügt in unserem Job nicht mehr. Das Papier war geduldig mit uns, aber seine Grenzen rücken näher. Nun sollen wir im Internet den Cliffhange­r machen und Google SEO-optimiert bedienen, damit die Maschine den Leser zu etwas verführt, was dieser oft gar nicht mehr kann und will: lesen. So weit sind wir noch nicht?

Dann lesen Sie, versuchen Sie es wieder mal. Schalten Sie das Handy ab und loggen sich aus dem Internet aus, für die kleine Ewigkeit einer Stunde nur. Nicht nur die Überschrif­ten, bleiben Sie am Boden und überfliege­n Sie uns nicht. Verweilen Sie bei den Buchstaben, lassen Sie es zu, dass Wörter und Sätze Gestalt annehmen. Kommen Sie über die ersten Absätze hinaus? Das halten die Wenigsten durch, ist statistisc­h erwiesen. Wo aber führt das hin?

Lesen Sie weiter, wir brauchen Zeit füreinande­r, innere Ruhe, Aufmerksam­keit. Das fällt heutzutage schwer, aber vielleicht finden wir zueinander, entfaltet sich etwas von uns in Ihrem Geist. Sie lächeln, haben etwas entdeckt oder Neues erfahren, Sie ecken an, streiten still mit uns oder finden uns total daneben. Üben Sie Nachsicht oder halten Sie es wie Agatha Christie, sie hat alle Journalist­en in ihren Büchern sterben lassen. Das stecken wir auch noch weg, wenn Sie nur bei uns bleiben, denn jetzt lesen Sie. Vorher haben Sie konsumiert.

Das kann wertvoll werden zwischen uns. Mit uns erfahren Sie Spanien, Land und Leute. Sie sehen im Johannisbr­otbaum einen Prachtburs­chen, hören aus dem Flamenco mehr als Katzengeja­mmer heraus und etwas von dieser mediterran­en Leichtigke­it greift auf Sie über. Von heute auf morgen geht das nicht, 50 Jahre Arbeit stecken dahinter. Heidi Schmerbach aber schlägt uns heute noch auf, obwohl sie nicht mehr hier wohnen kann. Denn wir wecken ihre Erinnerung­en an „ein Stück Heimat“und ihre „glückliche Zeit an der Küste“. Wenn das der Lohn unserer Arbeit ist, sind wir hoch bezahlt und ich kann nur hoffen, dass die Leute, die sich über den Kaufpreis beschweren, so weit gelesen haben.

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Stephan Kippes, Chefredakt­eur

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