Licht in der finsteren Nacht
Die CBN in der Corona-Pandemie – Über die Rolle des Journalismus im Lockdown
Es gibt so Momente im Leben, da steht kurz die Zeit still: beim ersten Kuss oder am 9/11, beim Tod des Vaters oder dem Mauerfall. Die Coronapandemie war für uns bei den Costa Nachrichten so ein „Moment“, der zu einer unabsehbaren Ewigkeit wurde. Bei den Lesern war das nicht anders. Doch die hatten das Privileg, Fragen zu stellen, wir sollten Antworten geben. Antworten, die anfangs nicht mal die direkt Verantwortlichen hatten. Oder 100 verschiedene davon.
Ich kam gerade aus dem Urlaub in Porto zurück, trank mit der Freundin einen Absacker auf Alicantes Plaza Miró. „Das ist euer letztes Bier, wir machen dicht.“Es war der 14. März 2020 und die Urlaubsstimmung war mit einem Satz beendet worden. Tags darauf wurde Spanien geschlossen.
Die Erkältung jagte mir einen Riesenschrecken ein. Da saßen wir nun im „confinamiento“in unseren Buden, verunsichert wie ein ganzes Land, ein ganzer
Die ultralinke Ausrichtung geht nicht nur mir, sondern auch meinen spanischen Deutschschülern – das sind sowohl PP- wie PSOE-Wähler, mit denen ich wöchentlich den zweisprachigen Kommentar lese – auf den Wecker. (Wolfgang-Peter Bethe)
Kontinent, mit der Frage: Was nun?
Leser wollten nun nicht mehr unterhalten werden, sondern brauchten zuverlässige Informationen. Alarmzustand. Wie komme ich ins Land oder aus dem Land, sind die Hotels noch offen, was mache ich, wenn ich krank werde, was ist dieses Virus überhaupt? Darf ich noch den Hund Gassi führen oder nach dem Einkauf einen Spaziergang machen? Dürfen Ausländer überhaupt in Spanien bleiben?
Masken, Inzidenzen, SarsCoV-2, Toilettenpapier, täglich wirre Statistiken, medizinisches Gefasel und politische Kakophonie – auf Spanisch. Plötzlich war eine kleine Zeitung ganz wichtig. Der Lokalreporter, der gerade noch eine deutsche Wandergruppe in Torrevieja begleitet hatte, sollte nun Ereignisse einschätzen und ordnen, die die ganze Welt erschütterten.
Das taten wir. Die alten Instinkte funktionierten noch, das Handwerk:
sich schnell in neue Themen einlesen zu können, Lug und Trug von weitem zu erkennen, komplexe Themen auf ihre Substanz einzuschmelzen. Die frenetische Ackerei durch den Dschungel an Informationen und Mutmaßungen wurde zu einem Fest, zu einer Ablenkung vom eigenen Frust und dieser Angst.
Dabei hatte nicht nur jeder Redakteur sein eigenes Schicksal, auch die Zeitung stand plötzlich am Abgrund. Mit dem Runterfahren
Die Kommentare der Redaktion sind in den letzten Jahren immer besser geworden, weil auch dezidierter und differenzierter. Überhaupt dünkt mich die aktuelle Redaktion die beste seit 30 Jahren. (Marcel Bischof)
des Landes brachen die Verkäufe und die Anzeigenschaltungen weg. Unser deutscher Eigentümer-Konzern wollte uns mit einem Federstrich loswerden. Unser Geschäftsführer stürzte sich ins kalte Wasser und übernahm in der denkbar ungünstigsten Situation den Verlag. Dennoch, viele Kollegen mussten gehen, der Rest war Monate im ERTE und in einem ungewissen Wartestand. Er wurde eine Zäsur. Aber es gab einen Neuanfang.
Die Kollegen haben es durchgezogen. Jeden Tag, auch nachts, brachten wir im Netz die aktuellsten Daten und Entwicklungen, räumten Zweifel aus und fassten den Datenstrom so zusammen, dass unsere Leser etwas damit anfangen konnten. Deutsche Medien griffen unsere Einschätzungen aus dem unheimlich gewordenen Spanien auf. Wir wurden von Lesern mit Lob überschüttet, wir seien auch Helden der Pandemie (waren wir nicht). Andere wünschten uns an die nächste Laterne, weil wir irgendeine Agenda bedienten. Auf die Schecks von Gates und vom Rest der heimlichen Weltregierung warten wir bis heute.
Im Herbst 2020 – der zweite Teillockdown stand kurz bevor, die Impfung war noch ein vages Versprechen – reiste ich in der „neuen Normalität“in ein fast menschenleeres Córdoba. Ich war der einzige Besucher in der riesigen, uralten Moschee-Kathedrale. Ein erhabener Moment, so leer war sie seit der Flucht Abderrahmans III. nicht mehr. Am Abend schaute ich königlichen Reitern bei ihren Übungen zu, das Publikum saß brav mit 1,5 Metern Abstand und Maske um die Arena verteilt.
Deutschland zerfloss in Selbstmitleid, Spanien übte schon wieder Fiesta: „20 Meter entfernt tollten minderjährige cordobesische Super-Spreader herum. Im Unterschied zu unseren andalusischen Pferdchen bleiben die Kinder unzähmbare Fohlen, alle mit Maske, aber sorgenfrei lachend und um die krokodilstränenden Alten herumtobend. Für sie ist die neue Normalität nicht neu, für sie ist sie normal. Ihr Lachen ist genauso gelöst wie es in der „guten alten Zeit“war, damals, als wir auch noch lachen konnten. Es ist zum Glück ansteckend.“