Glitzer, Samba und Monster
Águilas im Ausnahmezustand: Der Karneval kann es mit der Konkurrenz aus Teneriffa und Cádiz aufnehmen
Águilas – sg. Águilas ohne Karneval ist wie ein Fisch ohne Wasser oder Paella ohne Reis. Der Karneval von Águilas wird ganz groß gefeiert und muss sich nicht hinter der berühmten Konkurrenz von Teneriffa und Cádiz verstecken. Der Karneval von Águilas hat von beiden etwas: Männer und Frauen in aufwendigen Kostümen mit viel Federn und Pailletten tanzen zu Samba-Rhythmen durch die Straßen. Die ausgefeilten Choreografien können sich durchaus mit denen auf Teneriffa messen.
Auch an Spott und Ironie wie in Cádiz mangelt es nicht. In witziger, skurriler Aufmachung nehmen die Faschingsgruppen Politiker, Wirtschaftsbosse oder Popstars aufs Korn.
Partylöwe gegen Spaßbremse
Der Fasching in der Küstenstadt dauert noch bis zum 24. Februar. So lange herrscht Ausnahmezustand in Águilas. Der Karneval folgt einem bestimmten Drehbuch mit verschiedenen Hauptrollen, die jedes Jahr neu besetzt werden. Da ist der Don Carnal, der Partylöwe, der für ausgelassenes Feiern steht. Seine Gegenspielerin ist Doña Cuaresma, die meist schwarz, aber nicht minder spektakulär gekleidet ist. Sie verkörpert das Sittsame, die Abstinenz, die Anständigkeit. Dass die beiden kein Herz und ein Seele sind, liegt auf der Hand.
Die Musa hat die Aufgabe, schön zu sein in ihrem prachtvollen Kostüm. Sie stellt den Geist, die Fantasie und den Humor dar. Sie spricht vom Balkon des Rathauses zu den Narren und motiviert sie zur Ausgelassenheit.
Eine besondere Rolle hat die Mussona, ein wildes und furchteinflößendes Fabelwesen, das Mensch und Tier in sich vereint und den inneren Kampf der Menschen zwischen Ordnung und Chaos,
Zivilisiertheit und Wildheit repräsentiert. Die Mussona trägt ein sehenswertes Kostüm aus Espartogras und gibt nach einem Karneval-Vorgeplänkel den echten Startschuss für das wilde Treiben. Dann wird die Bestie mit einem Fackelzug von der Burg von Águilas hinunter in die Stadt getrieben. Anschließend wird auf auf der Plaza de España die Nacht durchgefeiert.
Ein weiterer Höhepunkt des Karnevals von Águilas ist die Schlacht zwischen Don Carnal und Doña Cuaresma und ihren jeweiligen Fangruppen auf der Plaza España. Zunächst bekämpfen sie sich mit Worten. Dann bewerfen sich die Lager mit Eierschalen. Gewinner ist immer Don Carnal, bis er am Ende des Karnevals verbrannt wird und Doña Cuaresmas Zeit gekommen ist, die für die Fastenzeit bis Ostern steht.
Eine Anekdote: 2015 wurde der Showmaster Dieter Thomas Heck, der viele Jahre in Águilas ein Haus hatte und am 23. August 2018 starb, mit der Goldenen Eierschale (Cascarón de Oro) ausgezeichnet. Der Preis wird an Menschen und Institutionen für ihre Verdienste für die Stadt und den Karneval verliehen. Dieter Thomas Heck begrüßte damals gemeinsam mit dem Bürgermeister vom Balkon des Rathauses aus die Massen.
Eine weitere Besonderheit des Karnevals von Águilas ist der Cuerva. Während des Karnevals
hängen überall an den Bars Schilder aus, auf denen „Hay Cuerva“(Hier gibt es Cuerva) steht. Doch Vorsicht, dabei handelt es sich um einen Mix aus Wein, Likör, Saft, Obst und viel Zucker. Ein Funkenmariechen brachte es in einem Live-Fernsehinterview einmal auf den Punkt: „Da kommt alles rein, was an Weihnachten übrig geblieben ist.“
Nach dem letzten großen Umzug nähert sich das Ende des Karnevals. Dann ist es vorbei mit der großen Party – zumindest für Don Carnal, dessen Figur auf dem Gelände des Hafens Juan Montiel verbrannt wird. Ganz vorbei ist der Karneval aber noch nicht. Es gibt noch einen Nachschlag mit dem Wettbewerb der karnevalistischen Gesangsgruppen (Chirigotas) mit ihren ironisch-zotigen Liedern
Die Geschichte des Karnevals
Seit wann genau Karneval in Águilas gefeiert wird, ist nicht klar. Einige historische Quellen datieren den Karneval auf das 18. Jahrhundert während der Herrschaft von König Carlos III. Mündliche Überlieferungen soll es im 19. Jahrhundert gegeben haben und erste Bilder stammen aus dem Jahr 1903.
Eine kuriose Verordnung der Stadt aus dem Jahr 1886 soll erhalten geblieben sein. Die Vorschrift regelte, wann sich die Leute maskieren durften, da sie verkleidet ja
jederzeit unerkannt Straftaten verüben könnten. Das Tragen von Waffen war verboten, ebenso Wasser oder Mehl auf Passanten auf der Straße zu schütten - anscheinend ein Karnevalsbrauch damals - oder Lärm zu machen. Zudem mussten sie sich auf Verlangen der Behörden ausweisen.
In den 1920er Jahren stieg die Bekanntheit des Karnevals von Aguilas. Es wurde bereits auf den Straßen gefeiert. Doch dann kam der Bürgerkrieg (1936-39) und die Franco-Diktatur (1939-76). Die Narren hatten nichts mehr zu lachen. Der Karneval war verboten. Doch die Tradition hatte längst Wurzeln geschlagen. Die Águileños schafften es, weiterhin Karneval zu feiern mit kleinen Tricks, indem sie zum Beispiel eine Hochzeit vortäuschten.
Der unermüdlichen Arbeit der Águileños ist es zu verdanken, dass ihr Karneval heute ein voller Erfolg ist. Gleich nach dem Ende des Faschings beginnen sie, die Kostüme für das nächste Jahr zu entwerfen und zu nähen, Umzugswagen zu basteln und zu schmücken und neue Tanzschritte zu proben. Der Lohn: 1997 wurde der Karneval von Águilas zur Fiesta von nationalem touristischen Interesse erklärt, 2015 zog Águilas mit Teneriffa und Cádiz gleich und stieg zur Fiesta von internationalem touristischen Interesse auf.