Über 50 lesenswerte Seiten
Leserbrief zum 50. Jubiläum der Costa Blanca Nachrichten
Liebe, sehr verehrte Redaktion, es war mir ein Vergnügen, Sie vergangene Woche mal kennenzulernen! Zumal jede und jeder von Ihnen den eigenen Stil pflegt. Insofern auch ein Vergnügen, da Sie nicht die Einzigen sind, die auf 50 Jahre zurückblicken (müssen).
Der Vorteil dabei ist, dass wir Altkämpfer die Vergleichsmöglichkeiten zu früheren Aufregungen haben. Also Ungarn-Aufstand, Ölkrise mit Fahrverbot, Wirtschaftskrisen usw. In jedem Jahrzehnt einer! Zuletzt 2008. Vor Ukraine und Nahost. Wir warnen sicher auch gerne, aber es zeigte sich doch oft, dass die Suppe nicht immer so heiß gegessen wird, wie gekocht.
Es war sicher nicht so lustig, wie man es heute liest, dass Sie mit dem Bollerwagen die ersten paar Tausend Exemplare der CBN auslieferten. Heute undenkbar, nicht nur, weil die Auswahl unter den potentiellen Arbeitgebern weitaus größer ist, sondern weil durch die jetztzeitlichen Ausbildungsmöglichkeiten viele meist junge Leute meinen, dass es Arbeiten gibt, die weit unter deren angelerntem Bildungsniveau liegen!
In meinen frühen Schuljahren waren wir durchwegs 65 Schüler pro Klasse, im Schichtunterricht. Als ich dann in das Arbeitsleben eintrat, galt daher die 48 Stundenwoche als normal und schon als Erfolg der Gewerkschaften. Also samstags jeweils bis Mittag! (...)
Kürzlich las ich, dass die gestressten Lokomotivführer die Vier-Tage-Woche wünschen und eine Massage nach Dienstschluss ihrer Hintern, weil das Sitzen in der Lok so anstrengend ist. Die erträumten Kinderwünsche einmal Lokführer zu werden, basierten noch auf Fotos von rußverschmierten älteren Herren. Heute heißt es, dass sechs Wochen Urlaub bei diesem Stress einfach zu kurz sind!
Es sind also nicht nur die Arbeitsbedingungen anders geworden, sondern auch die gesellschaftlichen Zusammenhänge. (...)
So erinnere ich mich an meinen ersten Computer in 1985. Vorher hatte ich noch für den Weltmarkt einen Lochstreifen-Fernschreiber. Der Computer war aber so simpel zu bedienen wie eine Schreibmaschine, jedoch sehr störanfällig und meine Samstage waren ausgefüllt, mit Datensicherung mittels Pappdeckelkarten und Programmierung. Anfangs 15, dann 30 Disketten usw. dann kamen Kassetten usw. Jedenfalls sah ich meine Aufgaben dann nicht mehr in der 70-Stunden-Woche, durch meine teure EDV, sondern eher in der Führung meiner Firma und so stellte ich einen „Fachmann“ein. Seither ist meine Einstellung gegenüber dem IT-Personal sehr getrübt. Ich halte diese rundum für eingebildete Halbgescheite! Heute halten mich gewisse Leute für einen eben solchen, weil ich seit Jahren die Fachausdrücke nicht mehr so geläufig habe. Man sieht den Altmeister und weiß Bescheid! Diese Rentner!
Immerhin, meine Frau machte damals den Zahlungsverkehr. Benötigte sie fortan doch nicht mehr zwei bis drei Tage für das Ausstellen und Bearbeiten der Schecks, sondern nur noch einen halben Tag. Toll! Ich war damit bei meiner Hausbank einer der Ersten in deren Kundenkreis.
Geblieben ist mir aber, und damit komme ich zum Punkt, meine morgendliche Zeitung! Als ich nach Spanien umsiedeln musste, dauerte die Post-Anlieferung der aktuellen SZ fast eine Woche, jedoch am Kiosk ging es schneller. Das waren aber hin und zurück fast 30 Kilometer! Da rückte die CBN in mein Blickfeld! Wenn auch nur einmal wöchentlich, aber immerhin über 50 lesenswerte Seiten!
50 Seiten, die mir jetzt seit über zehn Jahren Spaß machen. Manchmal lese ich sogar den Sportteil! Ich informiere mich über das wahre Leben! Nicht nur die hohe Politik, die Kriege usw., das natürlich auch übers Internet, sondern die Alltäglichkeiten, und was sich so im spanischen Land alles tut. Wassernot, Mord und Totschlag auch, und was die Leute an der Costa Blanca gemeinhin so treiben. Informatives über die ITV oder das Impfen, Maskenpflicht usw., auch enorme Geldstrafen bei Korruption. Bei Franco gelernt, was die Gefängnisstrafen anbetrifft.
Und man kann auch via eines Leserbriefs mal schimpfen. Zum Beispiel über Movistar, die in ihren Publikationen jede Menge Werbung betreibt, aber kein Wort darüber, wo und wie man nach einem Umzug kündigen kann. Kein einziges Wort! Meine Anwältin schaffte es dann, nach drei (!) Monaten telefonisch in Madrid meine Kündigung wirksam zu machen. Ich bin halt umgezogen und musste mich hier verändern. Movistar entblödet sich nun auch nicht, mir jetzt noch drei Monate Gebühren zu belasten, weil ich ja noch drei Monate Kunde war. Wohl Manager, die andere für dümmer halten, als sie selber sind.
Aber eigentlich wollte ich Ihnen
was Wichtiges mitteilen! Nein, nichts über die fliegenden Seiten der CBN, nichts über mitunter schwaches Schwarz auf Recyclingpapier, nichts über die neue schlimme Fernsehvorschau, mich beunruhigt nur der Gedanke, dass Sie – mehr und mehr erfolgreich – schlussendlich auch noch von einem vermögenden Verleger aufgekauft werden.
Bei der Süddeutschen Zeitung war es so ähnlich wie bei Ihnen, es machte einfach über 60 Jahre Spaß. Plötzlich kam dieser schwäbische Aufkäufer und schon hatten wir es mit einem Konzern zu tun. Man wollte mir eine E-Zeitung verkaufen. Ich will aber nicht in meinem Bett einen Bildschirm installieren. Nein, ich will mit einer Tasse Tee morgens in meiner Zeitung blättern. Jetzt und immerdar.
Natürlich haben Sie auch diesen E-Paper-Krampf, aber noch finde ich im Schreibwarengeschäft meine CBN! Lieber machen Sie eine Aktiengesellschaft draus, dann kann ich wenigstens deren Mehrheit aufkaufen und schon habe ich wieder meine Morgenzeitung bis zum Lebensende. Dann erben meine Kinder, die dann fröhlich auch bei Ihnen nach Gewinnmaximierung trachten können!