Wem gehört Sevilla?
Bürgermeister will für Plaza de España Eintritt von Touristen verlangen – Bürger und Madrid dagegen
Sevilla – mar. Die Plaza de España, das ist Sevillas Petersplatz und San Marco in einem, viel schöner natürlich, weil die Sevillaner in allem mehr „arte“haben. Sevillas Bürgermeister hat angekündigt, für die Hauptattraktion der Ibero-Amerikanischen Weltausstellung 1929 Eintritt zu verlangen. Nur von Touristen, ausgenommen würden Sevillaner aus Stadt wie Provinz, auch jene, die hier geboren wurden. „Es handelt sich nicht um eine Privatisierung der Plaza“, musste sich PPBürgermeister José Luis Sanz aus naheliegendem Generalverdacht verteidigen. Er suche lediglich Ausgleich für die Kosten, denn seine Stadt sei „wegen der Missachtung durch die Regierung in Madrid (lies: die Sozis) chronisch unterfinanziert“.
Konkret sollen es, so weiß es die konservative Hauspostille „ABC“, drei bis vier Euro pro Besucher werden. Neben Sevillanern sollen auch Benutzer der im Komplex untergebrachten Ämter sowie die Pferdekutschen samt Insassen von der Gebühr ausgenommen sein. Mit den Einnahmen werde ein privater Sicherheitsdienst bezahlt, der „24 Stunden für Ordnung“sorgen solle. Das Gros des Geldes soll indes für die Renovierung und Instandhaltung des imposanten Gebäudekomplexes im andalusischen Regionalstil mit seinen vielen Arkaden und den Kachelnischen, von der jede einzelne kunstvoll eine spanische Provinz repräsentiert und die zusammen
einen weiten Bogen beschreiben.
Dass die ganze Anlage, samt Teichen für Schwäne und Ruderboote vom Sevillanischen Architektenfürsten Aníbal González einst explizit als offen und volksnah konzipiert wurde, sieht jeder, der einmal dort stand und wilden Flamenco-Gruppen gelauscht, verliebte Paare, staunende Japaner oder versoffene Junggesellen auf Abschiedstour erlebt hat.
Die Sevillaner sind in der Mehrheit gegen den Plan ihres Stadtchefs. Sie müssten zwar nichts zahlen,
sehen aber nicht ein, bei jedem Spaziergang einen Meldezettel oder die Geburtsurkunde vorzeigen zu müssen. Es sei ein öffentlicher Platz, kein Bürgermeister dürfe den sperren. Zumal das auch baulich extrem hässlich enden würde. Denn vor allem zur Parkseite würden lange Zäune notwendig, um den Platz sperren zu können. Doch gerade der nonchalante Übergang zwischen Platz und dem Parque María Luisa, übrigens einem der charmantesten Stadtwäldchen Europas, macht viel vom Reiz der Plaza de España aus.
Konsequenterweise müsse man fragen, warum dann Sevilla nicht auch für seine Parks Eintritt verlangt, die Gärtnerei ist ja auch teuer und für Sicherheit und Sauberkeit sei die Stadt sowieso überall zuständig. Auch könnte der Stadtchef auf weitere dumme Ideen kommen, Eintritt für die Insel Cartuja, den Hafen, die Flusspromenade oder gar die ganze Altstadt, wie in Venedig, verlangen. Die Plaza ist schon heute häufig für Konzerte, Modeevents oder Filmdrehs geschlossen. Diese Kommerzialisierung wäre dann noch einfacher. Die Idee, die Plaza de España mit Drehkreuzen zu bestücken, dürfte nicht nur am Freigeist der Andalusier scheitern. Die Sache hat auch amtliche Haken. Der größte ist in Madrid und von dort kam auch gleich ein kategorisches: ¡No!
Sevillaner fürchten, der Bürgermeister könnte auf weitere „Ideen“kommen
Lautes „Nein“aus Madrid
Der Platz gehört zwar der Stadt, das Ensemble ist aber Patrimonio Nacional, nationales Kulturerbe und untersteht daher dem Kulturministerium, das den freien Zugang reklamieren kann. Sanz bot dem Staat ein Viertel der Einnahmen an, aber der lehnt trotzdem ab, bei 25 Prozent eine für PP wie PSOE ungewohnte Reaktion.
Die Regierung in Madrid richtet aus, dass Sanz nun partiell jene „Touristensteuer“erheben wolle, gegen die seine Partei überall wettert, wenn es um ganze Städte geht. Doch die wäre „genau die Lösung, die er sucht“, denn Einnahmen aus einer Nächtigungsabgabe für Touristen dürften laut EU-Recht nur für touristische Zwecke ausgegeben werden, also zum Beispiel für den Erhalt von Kulturdenkmälern wie die Plaza de España.