Was will die Frau?
Weltfrauentag 8-M in Spanien – Über Ziele und Herausforderungen des Feminismus
Madrid – sk. Alles Gute zum Frauentag! – manchmal wünscht man besser etwas Gutes als gar nichts. Eine Kollegin bedankte sich sogar und sagte, sie begann diesen 8-M mit dem Putzen der Toilette. Während sie erzählt, berichtet im Hintergrund die Nachrichtensprecherin im Fernsehen politisch korrekt und inklusiv, dass sich tausende weibliche und männliche Feministen in 40 spanischen Städten für Gleichberechtigung und gegen Machismo stark machen. Mancherorts sogar bei zwei Demonstrationen und das zur gleichen Zeit, da „verschiedene Sensibilitäten“die Bewegung entzweien. Derweil wirft die Kollegin mit der Toilette unwissend eine Frage in den Raum, nämlich, wie es um die Sensibilitäten der Nutzer derselbigen steht. Ist Spanien feministisch, möchte es das sein und was heißt das überhaupt?
Die Frauenbewegung schält sich aus ihrem Kern – der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Arbeitswelt – heraus und will sich als eine gesellschaftliche Bewegung behaupten. Es ist eine Weltanschauung. Das Kabinett hat am 8-M eine institutionelle Erklärung verabschiedet, in der es Spanien als ein feministisches Land erklärt. Wie lange es wohl dauern mag, bis diese Botschaft auch an den Haustüren angeschlagen werden kann? Die Bewegung verliert seit ihrem Höhepunkt 2018 an Schwung, als sie die Empörung gegen die Misshandlung von Frauen und gegen Gruppenvergewaltigungen einte und trug.
Ausgebremst haben sie die unerwünschten Nebenwirkungen beim „Nur ein Ja ist Ja“-Gesetz zur sexuellen Freiheit, das Frauen vor Übergriffen schützen soll, aber fast 1.100 Sexualstraftätern Haftminderung oder vorzeitige Entlassung bescherte. Gespalten hat die Feministen das Transsexuellen-Gesetz und die darin verankerte Selbstbestimmung des Geschlechts. Enttäuscht hat sie die Abkehr von der Abschaffung der Prostitution. Die Linksregierung brachte unter der Führung der früheren Gleichstellungsministerin Irene Montero (Unidas Podemos) eine ganze Reihe fortschrittlicher Gesetze auf den Weg – hat sie die Schraube überdreht oder geht das in eine falsche Richtung?
Konservative schlagen in diese Kerbe. PP-Ikone Isabel Díaz Ayuso ruft am Weltfrauentag nach einem Tag für Männer, an dem die Probleme des anderen Geschlechts zur Sprache kommen. Der radikale Feminismus schlage einen Konfrontationskurs gegen den Mann, die Familie und die Mutterschaft ein, meint ausgerechnet sie. An welchem „Männer-Recht“haben Frauen bisher gerüttelt, was haben sie „ihm“denn Schlechtes getan? Sind es nicht vielmehr Privilegien und überholte Traditionen, die zur Disposition stehen? Überraschen dürfte es wohl niemanden, dass der radikale Flügel der politischen Rechten die Frauenbewegung unter Beschuss nimmt. Das aber ist nicht ihr größtes Problem.
Mehr Sorgen sollten ihr machen, dass ihre Ideale eher beim gestandenen spanischen Senior auf fruchtbareren Boden fallen als beim modernen jungen Mann. In der angeblich so gebildeten Generation Z identifizieren sich laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts 40db nur 35 Prozent der Männer zwischen 18 und 26 Jahren mit feministischen Idealen, bei den Baby-Boomern ab 59 Jahren sind es 46,8 Prozent. Die alten Herren sind toleranter als die Z-Jungspunde und die anderen beiden Generationen nach ihnen, bei den Frauen verhält es sich dagegen genau umgekehrt. Die maskuline
Diskrepanz spiegelt sich auch in ihren Haltungen zum Machismo, zur Benachteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt, zur Elternzeit oder zum sozialen Schutz alleinerziehender Mütter wider. Nun, die Babyboomer erblickten in den 1960ern das Licht der Welt und wuchsen in den 1970ern auf. Damals wehte ein anderer Zeitgeist um junge Männer als der in Sozialen Netzwerken und pornographischen Plattformen. „Sie machen Scherze darüber, aber sie haben diese Gewalt normalisiert“, sagt die 22-jährige Demonstrantin Elena Herranz über ihre männlichen Altersgenossen.
Während die inklusive, transsexuelle Frauen einbeziehende 8-MBewegung unter dem Motto „Patriarchat, Genozide und Privilegien – Schluss damit!“durch die Straßen Madrids zog, stand bei den traditionellen Feministinnen „Prostitution ist keine Arbeit. Schluss damit!“im Zentrum ihrer Forderungen. In ihrem Manifest wetterten die Frauenrechtlerinnen nicht nur gegen eine Ausbeutung der Frau, sondern prangerten eine ganze Batterie sozialer Missstände an, von der Pornographie und der
„Kultur der Vergewaltigungen“bis hin zu „patriarchischer Justiz“, sie mobilisierten gegen Leihmutterschaft, den „Genozid in Palästina“, die Gehaltsschere und die „reaktionäre Vorstellung vom falschen Körper“, machten sich aber auch für das Gesundheitswesen, die Erziehung im Sinne einer Kultur der Frauen und die Sozialleistungen stark. Ein weites Feld also. Eine ihrer Sprecherinnen, die 48-jährige Psychologin Loreto de la Carrera, verglich feministische Politik mit einem Körper, dessen Integrität es zu schützen und zu pflegen gilt. So kann man den Feminismus als eine antikapitalistische Bewegung verstehen, die sich einem materialistischen Gesellschaftsbild entgegenstellt, das sich dem Kapital unterordnet und den Fortschritt am Bruttosozialprodukt misst.
Weitet sich der Aktionskreis der Feministen, weil sich der Eindruck verstärkt, dass ihr traditionelles Ziel der Gleichberechtigung am Arbeitsplatz in gar nicht mehr so weiter Ferne liegt? Hochrechnungen zufolge liegt die geschlechtliche Parität in der Wirtschaftswelt bei 64 Prozent und dürfte der Studie „Closingap“zufolge noch 32 Jahre von Spanien entfernt sein. Mutet nicht viel an, bedenkt man, dass die Anfänge der Frauenbewegung noch gar nicht so weit zurückliegen, der Kampf um Gleichberechtigung begann in der
Arbeitswelt industrieller Gesellschaften Mitte des 19. Jahrhunderts. Schriftstellerin Emilia Pardo Bazán gilt als eine der „Mütter“der Frauenbewegung in Spanien. Als Adelige kämpfte sie für Frauenrechte, aber nicht an der Arbeitsbank einer Fabrik, sondern mit Stift und Papier. Dafür saß sie 1904 als erste Frau am Steuer eines Automobils, einen Führerschein gab man ihr aber erst 1925. Clara Campoamor erstritt 1931 das Wahlrecht der Frauen und verankerte es in der Verfassung der Republik. Das Glück währte nicht lange.
Kein Konto, keine Scheidung
Franco schickte die Frauen wieder an den Herd, sodass sie erst mit Beginn der Demokratie und seit 1977 wählen können. Scheiden lassen geht auch erst seit 1981, und das Abtreibungsgesetz liegt in Spanien vor dem Verfassungsgericht, während es beim Nachbarn Frankreich im Grundgesetz verankert worden ist. Mögen Anekdoten der Geschichte sein, aber das Selbstverständnis etwa einer Französin dürfte ein anderes sein als das Bild einer Spanierin von ihrer Rolle als Frau.
Heute finden angeblich 39 Prozent aller Frauen in Spanien ihr Gehalt angemessen für die Arbeit, die sie leisten, in den Aufsichtsräten der börsennotierten Unternehmen liegt der weibliche Anteil bei 34,5 Prozent und die Führungspositionen in Unternehmen zwischen 50 und 500 Mitarbeitern werden bereits zu 40 Prozent von Frauen besetzt. Doch stellten 70 Prozent aller arbeitslosen Frauen über 50 Jahren ihre berufliche Verwirklichung für die Kindererziehung hinten an. Und entlang der Mittelmeerküste, wo sich börsennotierte Unternehmen rar machen, entsprechen Statistiken nur bedingt der Realität.
Dort bestimmen Kleinstbetriebe das Bild, in denen das Geschlecht bei der Besetzung wohl einen Ausschlag geben dürfte, wenn das Personal knapp bemessen ist und man von flexiblen Arbeitszeiten nichts hören mag. In dieser Arbeitswelt dürfte eine alleinerziehende Mutter der Arbeitsministerin Yolanda Díaz wohl recht geben, wenn sie zum 8-M sagt, „was Gleichberechtigung betrifft, gibt es noch viel zu tun“.
Senioren haben mehr Verständnis für den Feminismus als junge Männer