Weil jeder Tropfen zählt
Forscherinnen ordnen Wasserkrise an Spaniens Mittelmeerküste ein: Warum Entsalzung allein nicht hilft
Als sei der Mangel nicht genug, trübt nun auch fehlende Reinheit in Spanien den Tag des Wassers am 22. März. Für zu viel Nitrat im Grundwasser rügte die EU aktuell wieder das Land, dessen Mittelmeerregionen zunehmend an der Dürre verzweifeln. Ein neuer Umgang mit dem Wasser müsse her, fordern daher auch Forscherinnen für Wassermanagement von der Universität UMH in Orihuela. Jedoch sei auch nicht alles düster. Maßnahmen für den Wandel seien im Gang – gerade an der dürregeplagten Küste. Doch um Auswege aus der Wassernot zu bieten, müssten sie ausgebaut und weiterentwickelt werden – auf kluge, sparsame und politisch saubere Weise.
Dies betonen Carmen Rocamora und Herminia Puerta, die auf regionaler Ebene an der Costa Blanca Fortschritte im Wassergebrauch vorantreiben. In der Fachgruppe Agua y Energía des Instituts Ciagro-UMH für Forschung und Innovation in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion entwickeln sie im Kreis Vega Baja Wege für nachhaltig-intelligenten Wassernutzen. Einerseits durch neue Technologien: „Informations- und Kommunikationstechnik, Big Data, Entscheidungsunterstützungssysteme bis zu Fernerkundung – mit all diesen Mitteln versuchen wir die Bewässerung zu optimieren“, sagt Forstund Agraringenieurin Rocamora.
Ein Beispiel? „Satelliten und Drohnen können uns Informationen über Vegetationsdecken liefern, und dadurch erfahren wir den Bewässerungszustand eines Anbauprodukts, also etwa, ob es Wasserstress erleidet oder ihm ein Nährstoff fehlt.“„Dieselbe Forschungslinie erarbeitet den Nutzen von nicht-konventionellen Wasservorräten, also etwa von wiederaufbereitetem städtischem Wasser“, fährt Kollegin Puerto fort. „Wir suchen produktive Antworten auf abiotische Stressfaktoren wie Temperatur, Versalzung, Wasserstress, Strahlung, CO2 oder Stickstoff.“
Alarmfolgen für Grundwasser
Antworten auf den Klimawandel dagegen ermitteln die Wissenschaftlerinnen in einer anderen Forschungslinie
zu nachhaltigem Gebrauch von Faktoren wie Boden, Wasser und Energie. Entwickelt würden dabei Strategien, um negative Klimafolgen für regionale Produkte wie Weintrauben, Granatäpfel oder Feigen abzuschwächen. „Ein Beispiel unserer Aktivität ist auch die Untersuchung von Flussbetten auf angesammelte Reste, von Pflanzen bis zu Abfällen“, sagt Rocamora. Auch hier erlauben es Drohnenbilder, Stoffe korrekt zu erkennen. Puerto: „Durch Fernerkundung wird auch die Evolution von Bewuchs in bestimmten Zonen ermittelt, wodurch Bewässerungsstrategien entwickelt werden können.“
Lauter positive Ansätze also. Dennoch klingen sie wie Tropfen auf dem Stein der immer heißer und trockener werdenden Küste. Besorgt über die aktuelle Wasserlage sind daher auch die Forscherinnen. „Dass die Marina Alta, also der Kreis mit dem höchsten Regenwert der Provinz Alicante, nun den höchsten Alarm erklärt, ist beunruhigend“, bekundet Agraringenieurin Puerto. Nun gelte im Land Valencia, das bisher noch nicht so stark vom extremen Wassermangel heimgesucht schien, bereits in vier
Wasserwirtschaftssystemen die Alarmstufe Rot – „und schon sechs befinden sich in der Situation anhaltender Dürre“, ergänzt Rocamora. Diese Alarmzustände hätten ernste Folgen, da sie ja die weitere Planung der zuständigen Ämter beeinflussten. Um den Zufluss aufrechtzuerhalten, sei zwar die Öffnung von Brunnen notwendig: „Aber das senkt den Wasserstand in den sowieso überbeanspruchten Grundwasserleitern weiter ab.“
Droht Valencia eine ähnliche Not, wie sie in Teilen Kataloniens und Andalusiens schon herrscht? Es gebe natürlich Gemeinsamkeiten, räumt Puerto ein, allem voran durch die Küstenlage. Diese bringe das Problem mit sich, dass selbst bei Normalwetter das Regenwasser von den Levante-Gewittern käme. Und diese ergießen sich so nah an der Küste, dass es „kaum machbar“sei, ihn systematisch für späteren Nutzen zu sammeln. Doch
sei Valencia in mehreren Bereichen besser aufgestellt als andere spanische Mittelmeerregionen – erstens in puncto Staubecken.
„Am 11. März betrug ihr Wasserstand 40,7 Prozent. Hier gibt es keine dramatische Abnahme im Vergleich zum Durchschnitt im vergangenen Jahrzehnt, der 49 Prozent betrug,“erklärt Rocamora. Wohlgemerkt sei in der Provinz Alicante das Level von 41,6 auf 21,9 Prozent gesunken. Doch das sei immer noch viel besser als in den stark betroffenen Zonen im Norden und Süden. „Katalonien hat zwar 43 Prozent gestautes Wasser, gegenüber 69 in der letzten Dekade. Aber die Provinz Barcelona erlitt mit aktuell nur neun Prozent den größten Rückgang.“
Noch dramatischer Andalusien, wo am 11. März die Wasserreserve in den Becken noch 28 Prozent betrug (Schnitt im vergangenen Jahrzehnt 55 Prozent), aber etwa in Almería nur mehr acht Prozent erreichte. „Almería jedoch, und auch Murcia sowie der Süden von Alicante, erhalten Wasser über den Tajo-Segura-Kanal“, betont Puerto. „Das ist eine sehr wichtige Leitung, um das strukturelle Defizit
im Südosten Spaniens abzuschwächen.“Dasselbe gelte für Leitungen wie den Kanal Júcar-Vinalopó, der im Hinterland der Costa Blanca einen „Ersatz“für das Anzapfen von Wasser aus dem Untergrund biete.
Referenz in Effizienz
Ein regelrechter Vorreiter, so die Forscherinnen, sei Valencia dagegen im Hinblick auf die sogenannten nicht-konventionellen Wasservorräte. Und zwar zunächst nicht einmal in der aktuell so viel zitierten Entsalzung, sondern: „Das Land Valencia ist in Spanien die Region, die die größte Menge wiederverwerteten Wassers verwendet“, lobt Rocamora. „Bis zu 60 Prozent des Wiedergebrauchs werden erreicht. Und das ist viel höher als der spanische Mittelwert.“Auf relativer Ebene sei hierbei Murcia mit sogar 97 Prozent noch besser.
Mehr als die Hälfte von Spaniens regeneriertem Wasser, das für die Landwirtschaft verwendet wird, produzieren allein die zwei Regionen Valencia und Murcia. „Man muss betonen, dass Alicante die Provinz ist, in der mit 68 die höchste Prozentzahl des Wiedergebrauchs erreicht wird, wovon 60 Prozent in die Landwirtschaft gehen und der Rest in Zwecke der Umwelt.“Sogar 100 Prozent der Wiederverwendung von Wasser erreichten die 14 Klärwerke der Vega Baja an Alicantes Grenze zu Murcia.
„In Valencia und Alicante sind wir eine Referenz in der Erschließung von Wasservorräten“, lobt Puerto. „Aber wir sind es auch in Sachen Effizienz im Wassergebrauch – im städtischen Bereich und in der Landwirtschaft.“Der Großteil der landwirtschaftlichen Fläche der Costa Blanca habe jeweils ein lokalisiertes Bewässerungssystem, was zu einer viel höheren Effizienz im Vergleich zu anderen Standorten führe. Dies falle in aktuellen Debatten oft unter
den Tisch. In Debatten, die etwa in der Meerwasserentsalzung den primären nötigen Fortschritt sehen.
Doch dieser einseitigen Sicht widersprechen die Forscherinnen. Natürlich sei im Land Valencia vor allem die Entsalzungsanlage in Torrevieja zu betonen, die bereits
„Wir können es uns nicht erlauben, auf ein Mittel zur Vergrößerung der Wasserressourcen zu verzichten.“
eine Kapazität von 80 Kubikhektometer Wasser im Jahr erreicht, und die Spaniens Regierung gewillt ist, auf 120 aufzustocken. Doch ein großes Problem bleibe die Energiezufuhr. „Aus dem Grund hatte die Anlage schon in der Vergangenheit lange gebraucht, um auf ihre heutige Kapazität zu kommen.“
Ob in Torrevieja, in der ähnlich großen Anlage in El Prat de Llobregat in Katalonien oder in den in den andalusischen Provinzen Almería bis Málaga verteilten Entsalzungswerken – der nötige Strom bleibe eine ernste Hürde. „Auch wenn man den Energiekonsum solcher Werke von 50 Kilowattstunden pro Kubikmeter bereits bemerkenswerterweise auf unter zehn reduziert hat, bleiben die Kosten für entsalzenes Wasser exzessiv hoch für Landwirte“, mahnt Puerto. Und dem nicht genug.
Denn sowieso sei der chemische Aufbau dieses Wassers „nicht optimal“für seinen direkten Nutzen in der Landwirtschaft. „Es weist eine geringe Salinität auf, ist aber zum Großteil durch Natrium-Ionen gekennzeichnet, die die Bodenstruktur verschlechtern, sowie durch Bor, ein Element, das spezifisch giftig für Zitrusfrüchte ist“, erläutert die Agraringenieurin. Das bedeute nicht, dass auf Entsalzungsanlagen nicht zu setzen sei, wie Rocamora betont: „Entsalzenes Wasser ist eine unentbehrliche Ressource bei der städtischen und landwirtschaftlichen Versorgung. Und wir können und müssen in der aktuellen Dürresituation und vor dem Horizont des Klimawandels die Erschließung aller Wasserquellen maximieren.“
Nur komplementär
Jedoch gelte es, alle möglichen Wasserquellen „mit Weisheit und jederzeit sparsam“zu nutzen – „mit oder ohne Dürre“. Die Entsalzung sei eine Option unter mehreren, die zur Verfügung stehe. „Sie ist nicht die einzige und auch nicht die beste, aber sehr wohl eine, die man in der Planung beachten und nutzen muss.“Die Politik jedoch gehe
nicht angemessen mit der aktuellen Wassernot um. „Dürre ist ein zyklisches Problem im Mittelmeerraum“, so Puerto, „und im Laufe der Zeit wurden verschiedene Lösungen dafür gegeben. Es ist nicht realistisch und auch nicht wissenschaftlich, mit einer einzigen technischen Alternative auf ein so komplexes, vielfältiges Problem zu reagieren.“
„Die politische Polarisierung erreicht Höhen, die man sich noch vor Jahren nicht vorstellen konnte“, kritisiert Rocamora. „Ein eindeutiges Beispiel ist die Debatte, was nun das Richtige sei: Entsalzungen versus Überleitungen. Dabei ist es irrational, für das eine und gegen das andere sein. Beide Lösungen sind technisch valide.“
Jede habe gewisse Charakteristiken, die je nach Umständen besser oder schlechter zum Tragen kämen. „Aber wir können es uns nicht erlauben, auf ein Mittel zu verzichten, das uns hilft, die Wasserresourcen
zu vergrößern“, sagt die Expertin. Die Mittel müssten komplementär angewendet werden, wobei jeweils in jedem Fall der Umfang analysiert werden müsse – „unter technischen Kriterien und auf rationale Weise“.
Leider, meint auch Puerto, würde statt auf technische Aspekte jeder Alternative vor allem auf politische Etiketten geschaut. „Und die einen entsorgen systematisch die Alternativen, die mit den anderen assoziiert werden – und andersrum.“Doch dürfe die Politik eben auch nicht als alleinige Zuständige gesehen werden. „Denn neben der Verwaltung des Angebots muss auch die Nachfrage analysiert werden – und hier sind wir als Gesellschaft gefragt. Müssen wir etwa immer so viel Wasser konsumieren, um jenes Produkt, Gut oder jenen Service zu bekommen? Oder können wir weniger verbrauchen?“