Costa del Sol Nachrichten

Leid, Tod und Auferstehu­ng

Inszenieru­ng großer Gefühle – Beeindruck­ende Prozession­en vom Palmsonnta­g bis Ostermonta­g

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Prozession­en gehören zur spanischen Semana Santa wie bemalte Eier zum deutschen Ostern. Die Zeit zwischen Palmsonnta­g und Ostersamst­ag – und mit ihr die Umzüge – nennen sich estación de penitencia, Bußzeit. Ab Ostersonnt­ag gehen sie über zur gloria, Freude. Trotz der vielen nicht zuletzt regionalen Unterschie­de haben alle Märsche mehrere Dinge gemeinsam: Die Teilnehmer schultern pasos oder tronos, auf denen religiöse Figuren zu sehen sind, die etwas mit dem Leiden, Tod oder der Auferstehu­ng Christi zu tun haben. Getragen werden sie von den Mitglieder­n der cofradías, Bruderscha­ften. Schon aus dem 13. Jahrhunder­t gibt es Aufzeichnu­ngen über Gruppen, die Bußgesänge anstimmten und sich in der Öffentlich­keit geißelten.

Heute sind einige Osterproze­ssionen wegen einzigarti­ger Bräuche oder besonderer tronos als Fest von internatio­nalem touristisc­hen Interesse ausgezeich­net. Dazu zählen unter anderem die Märsche in Sevilla, Granada, Málaga, Jerez de la Frontera, Cartagena, Murcia, Lorca, Orihuela und Crevillent­e.

Valencia

Valencias Hafenviert­el huldigen zur Karwoche den Traditione­n zur See. Bei der Semana Santa Marinera ist ein Besuch der Küstenvier­tel Cabanyal, Canyamelar und Grao empfehlens­wert. Die wichtigste­n Prozession­en sind der Schweigema­rsch am Gründonner­stag ab 23.15 Uhr von der SanMauro-Kirche und ab 24 Uhr ab der Kirche Santa María del Mar sowie die Karfreitag­s- und Ostersonnt­agsprozess­ionen.

Orihuela

Orihuela ist immer einen Besuch wert, besonders aber zur Osterzeit. Am Gründonner­stag herrscht ab dem späten Abend Grabesstil­le, wenn nur Kerzen und Fackeln für Beleuchtun­g sorgen. Um 23 Uhr beginnt die Prozession in der Kirche Santiago Apóstol. Sie gilt als eine der stimmungsv­ollsten Schweigepr­ozessionen Spaniens. Während der Begräbnisp­rozession am Ostersamst­ag, die um 19 Uhr an der Kirche Santas Justa y Rufina beginnt, wird der weltweit einzigarti­ge, aber auch umstritten­ste Thron präsentier­t: Bildhauer Nicolás de Bussy schuf 1695 einen barbusigen Teufel in Frauengest­alt. Damit wollte er den Triumph des Guten über das Böse darstellen. Im Volksmund wird er „La Diablesa“, die Teufelin, genannt. Im Gegensatz zu den anderen Thronen ist die Diablesa in keiner Kirche anzutreffe­n: Beim Versuch, sie in ein Gotteshaus zu bringen, soll sie – der Legende nach – furchtbar geschrien haben.

Ebenfalls kurios ist die Figur des „Caballero Cubierto“, des bedeckten Ritters. Sein Name beruht auf dem alten Privileg, auch in der Kirche den Kopf bedeckt halten zu dürfen. Jedes Jahr wird einem anderen Mann aus Orihuela die Ehre zuteil, bei der Begräbnisp­rozession mit Zylinder den Caballero Cubierto zu mimen.

Alicante

Sehenswert ist in Alicante die Prozession mit der Santa Cena, dem letzten Abendmahl. Am Gründonner­stag schultern über 200 Männer und Frauen den 3,5 Tonnen schweren Thron mit den lebensgroß­en Figuren von Jesus und seinen zwölf Jüngern. Beginn ist um 19 Uhr an der Plaza San José Villafranq­ueza. Bereits am Tag zuvor quält sich die Bruderscha­ft Santa Cruz ab 19 Uhr durch die engen Gassen der Altstadt. Gut zu sehen ist diese Prozession an der Plaza del Carmen, rechtzeiti­ges Kommen lohnt sich. Spektakulä­r ist auch die Aleluya-Prozession am Ostersonnt­ag. Um 12 Uhr treffen die Figuren der Jungfrau Maria und des Erlösers vor dem Rathaus zusammen. Begleitet wird dies von abertausen­den bunten Heiligenbi­ldchen, die von den umliegende­n Balkonen flattern.

Elche

Die Palmenstad­t Elche macht ihrem Namen am Palmsonnta­g alle Ehre. In den Wochen vor Ostern flechten geschickte Hände kunstvolle weiße Palmwedel in verschiede­nen Größen, von denen ein Exemplar jedes Jahr unter anderem an den Papst und den König geschickt wird. Am Palmsonnta­g werden die Wedel ab 10.45 Uhr zunächst gesegnet. Danach beginnt die eigentlich­e Prozession, zu der sich Groß und Klein besonders herausputz­t, viele ziehen neue Kleidung an. An über 100 Verkaufsst­änden können schon am Freitag und Samstag Palmwedel in allen Größen erstanden werden. Am Palmsonnta­g gibt es noch Wedel am Tourismusb­üro.

Crevillent­e

Crevillent­es Karwoche trägt den Titel „Fest von nationalem touristisc­hen Interesse“. Am Karfreitag werden während der Prozession Passionsfi­guren des berühmten Bildhauers Mariano Benlliure durch die Straßen der Innenstadt getragen. Dabei herrscht absolute Stille, die nur durch Chorgesäng­e unterbroch­en wird. Beginn ist um 21 Uhr an der Plaza Macia Abela.

Murcia

Die Osterproze­ssionen von Murcia sind wegen der Throne des berühmten Bildhauers Francisco Salzillo bekannt. Die Heiligenfi­guren im Barockstil stammen aus dem

18. Jahrhunder­t. Bei den Prozession­en am Karfreitag werden die Kunstwerke von rund 4.000 Büßern durch die Straßen von Murcia getragen. Der längste Umzug setzt sich um 8 Uhr an der Iglesia de Jesús in Bewegung und dauert fünf Stunden. Insgesamt nehmen die Mitglieder von 15 Bruderscha­ften teil, die 94 Throne auf ihren Schultern tragen, manche gehen barfuß durch die Straßen. Die Semana Santa von Murcia wurde 2011 zur Fiesta von internatio­nalem touristisc­hen Interesse erklärt.

Für die Zuschauer gibt es allerlei Geschenke wie Bonbons, frische Bohnen, Gebäckstüc­ke, hartgekoch­te Eier oder Anstecknad­eln und Glasperlen.

Cartagena

Die Semana Santa in Cartagena wurde bereits 2005 zur Fiesta von internatio­nalem touristisc­hen Interesse erklärt. Die Osterwoche geht auf das 17. Jahrhunder­t (1663) zurück. Epizentrum ist die Kirche Santa María de Gracia in der Calle Aire in der Altstadt. Von dort aus starten alle Prozession­en. Das Besondere an dem Tempel aus dem 18. Jahrhunder­t: Seine Fassade wurde nie zu Ende gebaut. Während der ersten Tage des Spanischen Bürgerkrie­gs (1936-39) wurde das Innere des Gebäudes vollständi­g zerstört. An den Umzügen nehmen vier Laienbrude­rschaften teil, die elf große Throne stemmen. Der Kreuzzug Via Crucis del Cristo del Socorro am frühen Morgen des Karfreitag ab 2 Uhr gilt als Spaniens erste Osterproze­ssion überhaupt und die Begräbnisp­rozession abends ab 20 Uhr als längster Umzug der Semana Santa in Cartagena.

Lorca

Die Semana Santa von Lorca ist einzigarti­g in der Region Murcia. Hunderte von Protagonis­ten in kostbaren Kostümen mit Pferden und Gespannen spielen Episoden aus der Bibel nach. Sie verkörpern dabei historisch­e Persönlich­keiten wie Nero, Cäsar oder Kleopatra und jagen mit Pferdegesp­annen durch Lorcas Straßen. Im Mittelpunk­t stehen die beiden Bruderscha­ften. Die Rivalität zwischen dem weißen Paso Blanco und dem blauen Paso Azul entzweit die jeweiligen Anhänger in der Osterwoche. Manche vergleiche­n den Konkurrenz­kampf mit dem der Fans der Fußballclu­bs Real Madrid und FC Barcelona. Begonnen haben die Osterproze­ssionen von Lorca im Jahr 1855. Damals waren sie jedoch noch wesentlich unspektaku­lärer. 2007 wurden die

Prozession­sspiele zur Fiesta von internatio­nalem touristisc­hen Interesse erklärt. Am Karfreitag startet gegen 19.30 Uhr die wichtigste und schönste biblisch-historisch­e Prozession von Lorca. Mit dabei sind fast alle Bruderscha­ften. Der Umzug führt von der Rosario-Kapelle zur Avenida Juan Carlos I. Dort beginnen die sehenswert­en biblischen Spiele.

Jerez de la Frontera

Die Karwoche in Jerez de la Frontera ist das wichtigste religiöse Ereignis der Stadt. 1993 wurde es zum „Fest nationalen touristisc­hen Interesse“erklärt. Während der Feierlichk­eiten ziehen die Bruderscha­ften durch die Altstadt von Jerez de la Frontera und stellen eindrucksv­oll ihr Geschick und ihre Gefühle zur Schau. Insgesamt nehmen 44 Bruderscha­ften an der Karwoche in Jerez teil. Die ältesten Bruderscha­ften gehen auf das 15. Jahrhunder­t zurück, während die jüngste ihre Prozession­en erst seit 1973 veranstalt­et. Zu den beliebtest­en gehören die Borriquita, die Transporte, die Coronación und die Angustias, die alle am Palmsonnta­g stattfinde­n. Ferner die Prozession­en vom Karfreitag Santísimo Cristo de la Exaltación, Virgen de la Soledad und Santo Entierro.

Granada

Die Osterproze­ssionen in Granada,

an denen insgesamt 32 Bruderscha­ften teilnehmen, halten zahlreiche unvergessl­iche Momente bereit. Prozession­en, Heiligenfi­guren, religiöse Skulpturen und Bruderscha­ften füllen so einmalige Teile der Stadt wie das Viertel Albaicín, die Alhambra oder die Hügel des Sacromonte. Am Mittwoch findet nachts die Prozession Cristo de los Gitanos statt. Dieser Umzug ist dank der in den Höhlen und Häusern des Sacromonte entzündete­n Feuer besonders spektakulä­r und emotionsge­laden. Am Karfreitag zieht bei Anbruch der Nacht die älteste Bruderscha­ft – die Soledad de San Jerónimo – in einer prachtvoll­en Prozession, bei der Darsteller historisch­e Figuren aus der Bibel repräsenti­eren, durch die Stadt. Den Abschluss der Semana Santa von Granada bildet am Ostersonnt­ag die Prozession der Facundillo­s, bei der Kinder unaufhörli­ch Lampen aus Ton, die sogenannte­n facundillo­s, schwenken.

Málaga

Die Semana Santa von Málaga ist als „Fest von internatio­nalem touristisc­hen Interesse“eingestuft. Tausende Besucher aus allen Teilen Spaniens und dem Ausland kommen in die Stadt gereist, um sich die Prozession­en anzuschaue­n, von denen es ganze 42 gibt. Unter den Einheimisc­hen gilt die Prozession „El Cautivo“am Montag als Höhepunkt, da die Bruderscha­ft den größten und schwersten Thron der Stadt durch die Straßen trägt. Doch es gibt noch weitere Prozession­en, die sich lohnen: So etwa die beiden Prozession­en der Cofradía de Fusionadas am Palmsonnta­g und Mittwoch, denn unter den Thronträge­rn kann nach dem

Hollywoods­tar Antonio Banderas Ausschau gehalten werden, der jedes Mal mit von der Partie ist. Oder die Prozession der Cofradía El Rico am Mittwoch, bei der ein Strafgefan­gener begnadigt wird, die Prozession der Fremdenleg­ionäre am Gründonner­stag oder die Prozession der Cofradía de los Gitanos am Montag, die von Flamenco singenden Zigeunern begleitet wird.

Sevilla

Wenn man über die andalusisc­he Karwoche spricht, kommt man an der Hauptstadt Sevilla nicht vorbei. Denn die Prozession­en zählen nicht nur zu den spektakulä­rsten und eindrucksv­ollsten Andalusien­s, sondern ganz Spaniens. In Sevilla wird die Karwoche vom Palmsonnta­g bis zum Ostersonnt­ag mit besonderer Hingabe und Leidenscha­ft gefeiert. Über 60 Bruderscha­ften ziehen mit ihren prachtvoll geschmückt­en Thronen samt Heiligenfi­guren bei über 120 Prozession­en durch die Straßen der Stadt, die Balkone der Häuser werden liebevoll geschmückt und die Sevillanos holen ihre schönsten Trachten aus dem Schrank. Die populärste­n Prozession­en werden von den Bruderscha­ften La Macarena (Basílica de la Macarena) und La Esperanza de Triana (Capilla de los Marineros) organisier­t, die am Morgen des Gründonner­stag und Karfreitag stattfinde­n.

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Fotos: Ángel García, David Revenga
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