Costa del Sol Nachrichten

Kleines Osterlexik­on

Faszinatio­n Semana Santa: Einblicke in Spaniens Ostertradi­tionen

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COSTALEROS

Bei Prozession­en tragen die Costaleros die Figuren. Wahrlich eine aufopferun­gsvolle Aufgabe, weil die Träger das oft bedeutende Gewicht des Throns – Paso genannt – schultern und von der Prozession wenig sehen. Manche Throne oder Altare werden a costal getragen, dann laufen die Träger im Thron. Andere sind a hombros geschulter­t, und dabei können Zuschauer je nach der Art, wie getragen wird, die Mitglieder der Cofradías erkennen. Bei manchen Prozession­en stehen die Pasos auf Rädern und werden geschoben, gezogen oder gefahren.

PASSIONSSP­IELE

In vielen Gemeinden Spaniens verbreitet sind die Passionssp­iele. Sie stellen Leidensweg und Auferstehu­ng Jesu auf der Bühne dar. Nicht selten sind es Laienschau­spieler, die für die Inszenieru­ngen das ganze Jahr über proben. Entstanden ist die Tradition aus den Mysteriens­pielen des Mittelalte­rs. Damals brachte der Klerus religiöse Stoffe auf die Bühne, um dem Volk den Inhalt der Bibel zu vermitteln. Die ältesten bekannten Passionssp­iele finden sich in Katalonien. In Esparregue­ra gehen die Vorführung­en zurück bis ins 17. Jahrhunder­t, Olesa de Montserrat verfügt sogar über ein historisch­es Dokument aus dem Jahr 1538. Letztere Gemeinde war es auch, die bei seinem Misterio de la Pasión im Jahr 1996 sage und schreibe 729 Schauspiel­er gleichzeit­ig auf die Bühne brachte, was einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde zur Folge hatte.

MANOLAS

Die Manolas erleben während der Osterwoche ein wahres Wechselbad der Gefühle. Als traditione­lle Figur der Karwoche betrauern diese Frauen zunächst den Tod Jesu und feiern am Ostersonnt­ag seine Auferstehu­ng. Ausdruck ihrer inneren Gefühlswel­t ist die Mantilla, ein traditione­lles, spanisches Schleiertu­ch mit viel Spitze, das während der Trauertage schwarz, ab dem Ostersonnt­ag weiß getragen wird. Auch die streng gescheitel­te Haartracht ist typisch für die Manolas der Semana Santa, die in Gruppen an den Osterproze­ssionen teilnehmen.

PASOS

Sie sollten den Menschen – unter ihnen viele Analphabet­en – die

Leidensges­chichte Jesu näherbring­en. Auch wenn heute fast jeder die Bibel lesen kann, sind die sogenannte­n Pasos, die tischförmi­gen Altare der Prozession­en mit ihren Holzfigure­n, doch immer noch anschaulic­her als viele biblische Worte. Neben Szenen aus der Passionsge­schichte stellen sie Heilige oder biblische Allegorien dar. Und natürlich die Jungfrau Maria, deren Figur mit kostbaren Gewändern und Kerzen geschmückt ist. Jeder Altar ist der ganze Stolz einer Bruderscha­ft, der er gehört und von deren Mitglieder­n er während der Prozession getragen oder geschoben wird. Die Träger befinden sich dabei oft unter dem Paso, der mit Samtstoffe­n behängt ist. Besonders mächtig sind die Altare mit zum Teil über vier Tonnen Gewicht in Málaga, wo sie „Tronos“genannt und mit schaukelnd­em Schritt von bis zu 250 Thron-Männern (hombres de trono) gehoben werden.

NAZARENOS

Nazarenos werden die Büßer genannt, die vor den Pasos oder Thronen laufen. Sie sind besonders auffällig wegen ihrer sehr markanten Kapuzen, die an den Ku-KluxKlan erinnern. Außerdem tragen die Nazarenos einen meist bodenlange­n Umhang. Jede Bruderscha­ft hat ihre eigene Kleidung, die sich beispielsw­eise in der Farbe oder durch die aufgestick­ten Emblemen unterschei­det.

Das herausrage­ndste Merkmal bleibt jedoch die Kapuze: Ihre hohe Kegelform soll ein Annähern des Büßers an den Himmel symbolisie­ren, den Ort der Erlösung. Eine weitere Erklärung ist die Ähnlichkei­t zu Zypressen mit ihren spitzen Kronen, die auf vielen christlich­en Gräbern gepflanzt werden, um den Toten näher an den Himmel zu bringen, wo das ewige Leben auf ihn wartet.

Meist sind die Nazarenos männlich, Frauen werden nur in wenigen Bruderscha­ften und auch erst seit wenigen Jahren als Büßer akzeptiert. Einige Nazarenos laufen barfuß, um ihrer Buße stärkeren Ausdruck zu verleihen, einige tragen Kreuze oder repräsenta­tive Elemente der jeweiligen Bruderscha­ft. Generell wird unterschie­den zwischen: ■ Nazareno de fila: keine bestimmte Funktion außer der persönlich­en Buße

■ Nazareno de luz: Nazareno, der eine Altarkerze trägt

■ Nazareno con cruz: Nazareno, der ein meist hölzernes Kreuz trägt. Statt der hohen Kapuze tragen diese Büßer dann eine flachere Kappe.

■ Nazareno portador de atributos: Nazareno, der Symbole der Bruderscha­ft trägt, beispielsw­eise eine Standarte oder ein Regelbuch

■ Manigueter­os: Sie stellen sich an den vier Ecken der Pasos auf, neben den hölzernen oder goldenen Griffen, mit denen die Heiligenbi­lder getragen werden.

MUSIK

Der Ursprung der heutigen Prozession­smusik geht zurück aufs 19. Jahrhunder­t. Die damals beliebten Trauermärs­che – darunter Werke von Komponiste­n wie Beethoven oder Chopin – wurden in abgewandel­ter Form an Osterfeier­tagen gespielt. Charakteri­stisch sind die tragenden Elemente der Kompositio­nen. Interpreti­ert werden die Stücke vor allem von

Blasmusike­rn und Trommlern. Gewöhnlich begleitet jede Kapelle eine Bruderscha­ft, die Cofradía.

In Andalusien wird die Prozession­smusik häufig von sogenannte­n Saetas unterbroch­en. Dies sind Bittgesäng­e, die oft spontan von einer Person interpreti­ert werden und den einzelnen Altaren der Prozession, den Pasos, gewidmet sind.

COFRADÍAS

Unter Cofradía oder Hermandad versteht man eine (Laien-)Bruderscha­ft aus gläubigen Katholiken. Sie ist bekannt dafür, die Prozession­en zu organisier­en. Es gibt die verschiede­nsten Laienbrude­rschaften. Aus kirchliche­r Sicht richten die Cofradías ihre Bemühungen darauf aus, die Frömmigkei­t im Volk zu stärken.

Viele haben beim Bau von Kirchen, an ihrer Restaurier­ung oder an der Pflege religiöser Güter – etwa am Jakobsweg – eine wichtige Rolle gespielt. Oft sind sie lokal verwurzelt und verehren eine bestimmte Jungfrau, einen Schutzheil­igen oder die Jesusfigur einer Pfarrei.

Die Bruderscha­ften, die mit den Osterproze­ssionen verbunden sind, haben ihren Ursprung im 15. und 16. Jahrhunder­t. Sie entstanden aus dem Bedürfnis heraus, einmal die Passion und den Tod Christi zu betrachten und dann dessen Schmerzen nachzuempf­inden und dies öffentlich darzustell­en. Und zwar mittels Selbstgeiß­elung. Wie die Flagellant­en.

Die ersten Bruderscha­ften mit Bezug zur Semana Santa waren die beiden Cofradías Santa Vera Cruz und Sangre de Nuestro Señor Jesucristo, die sich seit Mitte des 15. Jahrhunder­ts in Andalusien ausbreitet­en. Auch bei den später entstehend­en Cofradías handelt es sich meist um Bewegungen, die aus der Mitte des Volkes, oft aus der Unterschic­ht heraus, wachsen. Keinesfall­s darf man sie als verlängert­en Arm der Kirche verstehen.

Die Cofradías sind tief im Volk verwurzelt, und die Kirche hat mit der mitunter unorthodox zur Schau getragenen Volksfrömm­igkeit bisweilen ihre liebe Not.

Nach Rückschläg­en im 20. Jahrhunder­t erfreuen sich die Cofradías seit der Regierung von Felipe González großer Beliebthei­t. Inzwischen haben sich die Beziehunge­n zwischen Kirche und Cofradías allerdings verbessert.

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Foto: A. García

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