Deutsch ist eine Entdeckungsreise
Wie sich Lehrer und Schüler aus Torrox für die deutsche Sprache stark machen
Torrox – sg. Der, die, das, umständlicher Satzbau, unzählige Grammatikregeln und ihre Ausnahmen oder Bandwurmwörter wie Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung: „Ja, Deutsch ist schwierig“, gibt Juan Antonio Lobato zu. Er muss es wissen, denn er unterrichtet bereits seit 30 Jahren Deutsch, davon 17 Jahre an der weiterführenden Schule IES Jorge Guillén in Torrox. „Nach all den Jahren macht es mir noch genauso viel Freude. Nicht einmal habe ich daran gedacht, aufzuhören.“
Juan Antonio Lobato engagiert sich für die deutsche Sprache. Als er sich vor elf Jahren erstmals mit anderen Deutschlehrern aus Andalusien traf, um sich auszutauschen, war schnell klar: Daraus soll ein regelmäßiges Treffen werden für Lehrer und Schüler. Seitdem findet jedes Jahr für drei Tage ein Camp rund um die deutsche Sprache statt, seit sieben Jahren in Mollina nahe Antequera. „Das liegt in der Mitte und ist für alle Teilnehmer aus Chiclana, Sevilla, Córdoba, Granada, Almería und Torrox gut zu erreichen.“
Deutschlehrerin geehrt
Beim letzten Treffen, das am 21. März zu Ende ging, waren 180 Schüler im Alter von 13 Jahren dabei, 20 Lehrer und Muttersprachler, die für ein Jahr an der Schule bleiben und den Deutschunterricht unterstützen. „Man lernt sich kennen, tauscht Erfahrungen aus, knüpft Freundschaften und verbessert sein Deutsch“, sagt Lobato. Auf dem Programm standen Ausflüge und Workshops wie Theaterspielen, Singen oder Videos. Jede Schule steuerte einen eigenen Beitrag bei. „Alles fand auf Deutsch statt, auch die Gespräche“, sagt der Spanier und fügt hinzu: „Diese drei Tage waren sehr, sehr, sehr intensiv“. Vermutlich gerade deshalb fiel den Schülern der Abschied voneinander schwer. „Sie haben Freundschaften geknüpft, fiebern
schon dem nächsten Treffen entgegen und hoffen, dass es länger dauern wird. Schon allein deshalb lohnen sich die Treffen jedes Mal wieder.“
Das diesjährige Camp war besonders, weil es der verstorbenen Deutschlehrerin Hiltrut Hengst gewidmet war. Die Philologin hat die deutsche Sprache in den 1970er Jahren nach Andalusien gebracht und setzte sich unermüdlich bis zu ihrem Tod 2008 für den Deutschunterricht an andalusischen Schulen ein. Zu ihren Ehren heißt das Treffen ab jetzt Deutsch-Camp Hiltrut Hengst.
Juan Antonio Lobato ist es wichtig, zu betonen, dass es sich um öffentliche Schulen handelt, die zweisprachigen Unterricht anbieten, nicht um private Einrichtungen. Finanzielle Unterstützung erhalten die Schulen und das Deutsch-Camp vom deutschen Konsulat in Málaga, vom Goethe Institut und vom Verband der Germanisten in Andalusien, AGA. Die Aktivitäten werden von den Eltern bezahlt. Bei der Eröffnung des Camps waren Vertreter des Konsulats, Delegierte des Landesministeriums
für Bildung aus Málaga und Familienangehörige von Hiltrut Hengst dabei. „Wir wollen Deutsch sichtbarer machen und zeigen, was wir dafür alles tun.“
Ziel sei es auch, den Eltern zu vermitteln, welche Vorteile ihre Kinder haben, wenn sie Deutsch sprechen, und dass sie die Sprache an einer öffentlichen Schule lernen können. „Das ist ein Privileg.“Fast jeder könne heute Englisch, „aber Deutsch ist ein Plus“, sagt Juan Antonio Lobato, „nicht nur, weil in Torrox viele Deutsche leben. Die Schüler können später mit Erasmus in Deutschland studieren, Praktika absolvieren und Arbeit finden.“
Wie genau funktioniert zweisprachiger Unterricht? „Fächer wie Geschichte, Physik, Chemie, Biologie und Sport werden auf Deutsch unterrichtet“, erklärt der Lehrer. Das setzt allerdings ein entsprechendes Niveau voraus. „Die Schüler haben Deutsch als erste Fremdsprache schon von der Vorschule an gelernt.“
Der Lehrer beschreibt Deutsch als Entdeckungsreise, als Spiel und ein bisschen wie Mathematik. Seine Schüler beschäftigen sich gerade mit den Modalverben müssen, können, sollen, wollen, dürfen und mögen. „Sie fragen sich, wo denn das Vollverb in dem Satz geblieben ist? Ich gebe dann den Tipp am Ende nachzusehen.“Auch bei der Frage, ob ein Wort männlich, weiblich oder neutral ist, lohne sich ein Blick auf die Endung. Ein „Madre mía“(Oh mein Gott!) entfährt den Schülern auch beim Anblick von Bandwurmwörtern, besonders wenn sich viele Konsonanten oder Umlaute aneinanderreihen, wie bei „Angstschweiß“oder „Schlüsselanhänger“. „Wie sollen wir das nur aussprechen?“fragen sie sich. „Dann zerlegen wir die Wörter und es wird einfacher.“
Nach seinem Lieblingswort gefragt, antwortet Juan Antonio Lobato: „Fröhlichkeit, weil es auch Fröhlichkeit vermittelt, wenn man es ausspricht, vermutlich wegen des Ös“.
„Oh mein Gott, wie sollen wir das Wort nur aussprechen?“