Golddisteln und Blutwürste
Futternd quer durchs Hinterland: Fünf Gastro-Fiestas in den Bergen der Provinz Málaga – Ausflugstipps für den April
Málaga – mar. Fünf Ausflüge führen uns im April ins Hinterland von Málaga, schmackhafte Gelegenheiten, die Dörfer in der Sierra de Mijas, der Hochebene von Antequera, Orte um die Stauseen des Guadalhorce oder die Bandoleronester der Axarquía oder bei Ronda kennenzulernen. Hier werden nicht einfach lokale Spezialitäten zu den Fiestas gereicht, sondern die Fiestas entstanden überhaupt erst um die Speisen herum. Jetzt ist die Zeit für solche Ausflüge, denn bald verhängt der Wettergott mit Bullenhitze eine inoffizielle Ausgangssperre über das Hinterland.
Wir beginnen in Villanueva del Rosario, östlich von Antequera in den Ausläufern des Torcálgebirges. Der Pico Chamizo ist überragendes Ziel dieses Wandergebietes, mit 1.641 Metern und viel Fels, darunter gibt es Bachläufe und den Aussichtspunkt Mirador de Alto de Hondonero. Das weiße Dorf mit knapp 4.000 Einwohnern hat sich in den vergangenen Jahr zu einem kreativen Nest bildender Künstler gemausert. Am 6. April wird die Tagarnina gefeiert, die Spanische Golddistel, die seit Jahrhunderten hier wächst und mit sehr wenig Wasser auskommt, was ihre Zukunft garantiert. Dorfbewohner kochen sie zum Eintopf, aber auch in Salaten oder „revueltos“mit Rührei. Zunächst braucht es etwas Geschick, die Stacheln zu entfernen, dann wird ein sofrito aus angebratenem Gemüse angesetzt und die Stile kleingeschnitten gegart, anschließend mit Wein abgelöscht.
Diese guisos gibt es fast pur mit einem Ei darin oder aufgemöbelt mit Blutwürsten, Speck oder Chorizo. Die Distel war in armen Zeiten ein Notbehelf gegen den Hunger am Ende des Winters, bevor die ersten Habas-Bohnen erntereif waren. Zur Fiesta de la Tagarnina wird an etlichen Ständen gekocht, es gibt Musik, geführte Touren rund ums und durchs Dorf.
Am 13. April geht es nach Casarabonela zum Día del Pipeo. Der Ort liegt auf halbem Weg zwischen Málaga und Ronda, am Rande der Sierra de las Nieves, die immer seltener ihrem Namen Ehre macht und Schnee trägt. Doch aus sehr alten Zeiten hat sich hier der Pipeo-Eintopf gehalten, dessen Rezeptur aus der Zeit der Morisken stammen soll, also jenen Mauren, die – pro forma und gewaltsam
konvertiert und enteignet – im Hinterland ein Überleben in ihrer alten Heimat versuchten, bis man sie im frühen 17. Jahrhundert endgültig deportierte. Die Zutaten sind frugal, man musste mit dem auskommen, was hier wuchs. Im Grunde handelt es sich um einen Eintopf aus Habas-Bohnen und Salatblättern, dessen Clou in Bällchen aus gestoßenem Brot, Ei, Petersilie und Knoblauch besteht, albóndigas
für sehr Arme also. Zur Fiesta wird das Süppchen kostenlos verteilt. Nur ein paar Schritte über der Dorfkirche in diesem niedlichen Ort befinden sich übrigens die Überreste der Burg aus der Nasriden-Epoche.
Am 14. April fahren wir ins Hinterland von Vélez-Málaga in die Axarquía, ein paar Kilometer nördlich des fast gänzlich leergepumpten Stausees La Viñuela liegt Periana. Gefeiert wird hier das Aceite Verdial, ein Olivenöl unter Herkunftsschutz. Der Name verweist auf „verde“, grün, denn die Verdial wird früh geerntet und ihr Öl hat üblicherweise eine intensive
grasgrüne Farbe, einen fruchtigen Geschmack. Der Klassiker hier wird das „Bauernfrühstück“à la Periana sein: Brot, Fetzen vom Kabeljau, grüne Habas-Böhnchen und eine Schüssel Verdial-Öl.
Örtliche Kooperativen mit teils uralten Ölmühlen stehen den Besuchern offen, mit Verkostung auch der lokalen Süßigkeiten und des Moscatel-Weins und der Rosinen. Dazu gibt es die „Verdiales“zu hören, Bauerntänze, gespielt von mit Blumenhüten geschmückten pandas, Gruppen mit Geige, Gitarren und den typischen kleinen Schellen. Die Verdiales sind so alt, dass die Musikwissenschaft nur
Was einst Notlösung im Hungerwinter war, ist heute eine Spezialität
noch darüber streitet, ob sie ihren Ursprung bei den Römern oder den Keltiberern haben.
Von Ronda nach Norden liegt, fast schon an der Grenze zu Sevilla, Cañete La Real, ein Bilderbuch-Städtchen mit über ihm thronender Burg. Hier feiert man den Truthahn an zwei Tagen, dem 20. und 21. April bei der Feria del Pavo de Cañete La Real, als Erinnerung an die Geflügelmärkte, die hier seit Urzeiten abgehalten wurden. Auch hier gibt es wieder eine Menge kostenloser Kostproben, Pute als Eintopf, vom Grill, in der Paella-Pfanne für Riesen, die Plaza de la Paz wird zur Küche umfunktioniert. Dazu werden Dutzende Bauern und Produzenten aus dem Umland für einen Markt erwartet, mit Würsten und Käse, Honig, Wein und Öl. Während der Feria bietet die stolze Stadt, die schon unter Römern und Mauren blühte, Führungen zur Burg Castillo Hins Canít, zum Konvent und dem Touristenzentrum. Der Ort war im späten 9. Jahrhundert Bastion des Goten-Rebellen Omar ben Hafsún, auch als Samuel bekannt, der die Emire von Córdoba herausforderte, die ihn aber bald rupften wie einen Truthahn.
Die letzte Station unserer gastrosophischen Rundreise wird Canillas de Aceituno, eine dörfliche Augenweide in der Axarquía zu Füßen des majestätischen Berges La Maroma mit seinen 2.069 Metern, der höchste Punkt des Kreises und der Sierras de Tejeda, Almijara und Alhama. All die Namen könnten wieder auf Olivenöl oder maurisches Küchenerbe verweisen, aber nein, am 28. April wird die Morcilla, also die Blutwurst gefeiert, die in ganz Spanien ein Tapas-Renner ist und von der es in jeder Region und jedem Dorf ein eigenes, das jeweils einzig wahre Rezept gibt. Die Blutwürste, das Rathaus hat 300 Kilo bestellt, werden hier einfach aufgeschnitten und auf dem Rost gegrillt, ihr deftiger Geschmack kontrastiert ganz erquicklich mit der leichten Süße des heimischen Weines. Der Ort ist übrigens auch für den chivo, den Braten von der Hausziege, bekannt, sowie das jährliche Gedrängel um die Grills. Die Dorfkapelle heizt die Stimmung zusätzlich an. Detailinfos gibt es zu allen genannten Fiestas auf den Webseiten der Rathäuser.