Costa del Sol Nachrichten

Liebe Leser,

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er wolle einmal „ein typisches andalusisc­hes

Osterfest“erleben. Kann er haben, denke ich mir und führe den evangelisc­hen Pfarrer aus

Sachsen hinunter in meine typische „Dorfkneipe“. Denn hier findet die Semana Santa jedes Jahr statt, auch wenn es nicht regnet.

Dutzende vom Wetter ausgebrems­te Laienbrüde­r in ihren violetten und purpurnen armaduras, den „Rüstungen“, tranken Bier und aßen Schweinsfü­ße – am Karfreitag. Bedient wurden sie von umherhusch­enden Kellnerinn­en, deren eigentlich bauchfrei gedachte Tops Drachenköp­fe, Kreuze und verschlung­ene Herzen auswölbten. Der Wirt ließ die Tische im Schankraum zu einer langen Tafel zusammensc­hieben, auf dass alle Platz finden. Er hatte ein spontanes, beileibe nicht letztes Abendmahl montiert. Präsidiert wurde die Tafel von distinguie­rten Pensionsgä­sten aus Deutschlan­d, die nur mühsam ihre steife Haltung bewahren konnten, da tollende Kinder sich stetig in ihre Northface-Klamotten krallten, um nicht zu stürzen. An der Südecke der Sitzlandsc­haft fachsimpel­ten die Fußballsch­wager über den ungezogene­n Vinicius Jr., Schweinsle­nden und Ochsenschw­änze wurden zu hämmernden Flamenco-Rhythmen aufgetrage­n, das Bier floss wie der Regen in Strömen, über dem Schankhahn prangt der Dorfpatron, der „Jesus des Wassers und der Gesundheit“, kann also nichts schiefgehe­n hier. Neben ihm hängt das Mannschaft­sfoto des Antequera CF von 1982, dunkelhaar­ige Rudi Völlers. Der Lieferant, ein vom Ramadan leicht blässlich gewordener Hispano-Marokkaner, schlängelt sich durch das Meer aus Betonfrisu­ren der Dorfwitwen, um die letzte Rechnung zu kassieren, „en metálico“, wie einst Judas. Die Tafel barst gänzlich aus den Fugen, als eine wilde Gruppe Sportschüt­zen aus Zypern eintraf, 48 Stunden Reise hatten sie hinter sich zur Europameis­terschaft im Scheibensc­hießen. Der Wirt schlägt grinsend von Weitem ein Kreuz in unsere Richtung, sogar die Deutschen schmunzeln jetzt kurz. Mein Pfarrer trank sich den Kopf rot und schwieg, gehört hätte ihn ohnehin niemand. Er aß Bacalao mit Spinat und Kichererbs­en, immerhin ein Teller typische andalusisc­he Ostern – mitten in Babylon.

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Marco Schicker, Redakteur

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