Erinnerung nach dem Gusto von Vox
Regierungen in Castilla y León und Valencia legen Gesetzentwürfe über Umgang mit Vergangenheit vor
Valladolid – ann. Es dürfte einer dieser unbequemen Momente für die Volkspartei (PP) sein, die ihr die Regierungspakte mit der rechten Vox einbringen. In Castilla y León und Valencia haben PP und Vox jetzt jeweils eigene Gesetzesentwürfe vorgelegt, die den Umgang mit Spaniens jüngster Vergangenheit in den Regionen neu regeln und das staatliche Gesetz zur demokratischen Erinnerung aushebeln sollen. Es war eine der Forderungen der Rechten, um mit den Konservativen zu einer Koalitionsübereinkunft zu kommen.
Das Ley de la Concordia (Gesetz der Eintracht), wie das neue Gesetz in beiden autonomen Regionen betitelt ist, ist auch ganz ähnlich gestrickt und weist in beiden Fällen einen prinzipiellen Unterschied zum nationalen Gesetz der demokratischen Erinnerung auf: Es umfasst die Zeitspanne von 1931 über den Bürgerkrieg und die Franco-Diktatur bis in die Aktualität, schließt also die Zweite Republik (1931-36) mit einer demokratisch gewählten Regierung mit ein.
„Wir sprechen von einem politischen System, das einige als Demokratie erachten, andere aber als einen Angriff auf ein demokratisches System, und wir sind der Ansicht, dass man dies miteinschließen kann, und so haben es unsere Experten getan. Wir sind nicht hier, um Geschichtsunterricht zu geben“, sagte der Sprecher von Vox in Valencia, José María Llanos, auf die Frage, wieso das Gesetz auf die Zweite Republik ausgeweitet worden sei.
Der Gesetzentwurf in Castilla y León geht noch weiter: Er verzichtet darauf, die Verbrechen, die zwischen 1936 und 1978, also im Bürgerkrieg und im Franquismus begangen wurden, explizit zu verurteilen
und streicht auch den Terminus „Diktatur“komplett aus dem Gesetzestext. Die Verurteilung der Diktatur sei „im Geist des Gesetzestextes inbegriffen“, startete PP-Sprecher Raúl de la Hoz einen Erklärungsversuch. In keinem Fall wolle das Gesetz die Zweite Republik mit der Franco-Diktatur gleichsetzen. Es macht aber praktisch auch keinen Unterschied zwischen beiden.
Zwei Jahre hatten PP und Vox an dem Gesetzentwurf gefeilt, um die Forderungen der Rechten zu erfüllen, aber ohne den Eindruck zu erwecken, man wolle die jüngste spanische Geschichte neu erfinden. Das Thema sorgt regelmäßig, selbst im Parlament, für ideologische Zusammenstöße und teilt Spanien in zwei Lager – in Faschisten und Republikaner, Sieger und Besiegte, in Rechts und Links.
Die spanische Regierung will
das Verfassungsgericht anrufen, da die regionalen Gesetzesvorhaben ihrer Meinung nach gegen das staatliche Gesetz zur demokratischen Erinnerung verstoßen. Zuvor will Minister Ángel Torres in bilateralen Verhandlungen die Regierungen von Kastilien und León und Valencia zum Einlenken bewegen, im Fall von Aragón dürfte das unmöglich sein. Das Gesetz ist bereits verabschiedet. Allerdings sieht Torres darin einen Verstoß gegen internationales Recht. Es stehe dem Recht der Menschen aus Aragón im Wege, etwa ihre Landsleute zu würdigen, die in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten ihr Leben verloren. Ferner enthalte
es keine „Verurteilung des Franquismus“mehr.
Weitere Neuheit des Gesetzes in Castilla y León ist die Gründung einer „Kommission für Exhumierungen“. Was zunächst positiv klingt, um in Massengräbern verscharrte Opfer beider Seiten zu lokalisieren, dürfte vielen Angehörigen nicht gefallen. Sie ersetzt den Rat der historischen Erinnerung, dem einige Opferverbände angehörten, die jetzt außen vor bleiben.
Wie wenig die Volkspartei in Valencia das neue Ley de la Concordia an die große Glocke hängen will, zeigt die fast inexistente Öffentlichkeitsarbeit. Die Generalitat unter Carlos Mazón, die sonst keine Pressemitteilung auslässt, um die Arbeit der Landesregierung zu loben, erwähnte das Ley de Concordia am 22. März ganz beiläufig in einem kurzen Absatz über das neue Gesetz der Bildungsfreiheit.
„Wir sind nicht hier, um Geschichtsunterricht zu geben“