Chance statt Apokalypse
Nachhaltigkeit als Chance: Wege zur Transformation unserer Gesellschaft – Ein Essay von Leser Alexander Gresbek
Es scheint, als wäre es zur Normalität geworden, unseren Kindern zu prophezeien, dass sie einer Welt des Klimawandels gegenüberstehen, die zu ihrem Untergang führen wird. Sei es steigende Meeresspiegel, verheerende Waldbrände, globale Hungersnöte oder das Artensterben – die Schlagzeilen sind düster und vermitteln das Bild einer apokalyptischen Zukunft.
Angesichts dieser Aussichten ist es kaum verwunderlich, dass die heutige Jugend von Ängsten geplagt ist und sich einer Zukunft voller Trostlosigkeit gegenübersieht. Auch in Spanien offenbaren sich Herausforderungen, die die Dringlichkeit einer nachhaltigen Transformation verdeutlichen.
Das Land wird von extremen Hitzewellen heimgesucht, mit Temperaturen bis zu 30 Grad mitten im Winter. Die Durchschnittstemperatur im Mittelmeerraum liegt bereits 2 Grad über dem globalen Durchschnitt. In Regionen wie Andalusien und Katalonien führt die anhaltende Dürre zu sinkenden Wasserpegeln in Stauseen und Feuchtgebieten. Die vermehrten Waldbrände, die auf den trockenen und heißen Boden zurückzuführen sind, zeigen deutlich die aktuellen Umweltprobleme, mit denen wir konfrontiert sind.
Es ist jedoch fraglich, ob die heutige Entwicklung wirklich im Kontrast zu der romantisierten Vorstellung steht, dass frühere Generationen im harmonischeren Einklang mit der Natur lebten. Insbesondere für die Zeit vor der Industrialisierung stellt sich die Frage, ob der damalige Lebensstil tatsächlich nachhaltiger war. Diese Vorstellung basiert oft auf einer idealisierten Sicht vergangener Epochen, in denen Bevölkerungszahlen niedriger und daher auch Umweltauswirkungen geringer waren. Es mag zwar stimmen, dass frühere Generationen aufgrund geringerer Bevölkerungszahlen und höherer Kindersterblichkeit tendenziell weniger Einfluss auf die Umwelt ausübten. Jedoch ging diese vermeintliche Nachhaltigkeit mit erheblichem menschlichem Leid einher, da die hohe Kindersterblichkeitsrate zahlreiche Familien in tiefe Trauer stürzte. Zudem sahen sich die Menschen in vielen
Gesellschaften erheblichen Herausforderungen im täglichen Überlebenskampf gegenüber, was ihre Lebensqualität stark beeinträchtigte.
Mit der industriellen Revolution stieg der Lebensstandard signifikant an, was zweifellos positive Auswirkungen auf das menschliche Wohlergehen hatte. Neue Technologien und Produktionsmethoden ermöglichten eine Steigerung des Lebensstandards. Menschen konnten sich Luxusgüter leisten, Bildung wurde zugänglicher, und medizinische Fortschritte verbesserten die Lebenserwartung.
Jedoch brachte dieser Fortschritt auch negative Konsequenzen mit sich. Die verstärkte Nutzung von Holz und fossilen Brennstoffen zur Energiegewinnung führte zu Entwaldung und erheblicher Luftverschmutzung durch die Freisetzung von Treibhausgasen. Die Ausdehnung landwirtschaftlicher Flächen auf Kosten der Wälder hatte nicht nur einen Verlust an Biodiversität zur Folge, sondern auch Bodenerosion und Wasserverschmutzung durch den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln.
Über lange Zeit wurde menschlicher Fortschritt auf Kosten der Umwelt erzielt, was zu einer Verschlechterung
der natürlichen Ressourcen und Ökosysteme führte.
Mit zunehmenden Innovationen erleben wir nun eine Entkopplung dieser Auswirkungen. Wir sind nicht mehr gezwungen, zwischen wirtschaftlichem Wohlstand und Umweltschutz zu wählen – wir können beides erreichen. Durch die Entwicklung und Implementierung nachhaltiger Technologien und Praktiken können wir eine Balance zwischen menschlichem Fortschritt und dem Schutz der Umwelt finden, um eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen zu sichern.
In den vergangenen Jahren hat sich viel im Bereich erneuerbarer Energien und Umweltschutz getan. Die drastische Reduzierung der Kosten für Solarenergie um 99,8 Prozent seit 1970 und um weitere 90 Prozent allein im letzten Jahrzehnt hat zu einem enormen Aufschwung dieser nachhaltigen Energiequellen geführt. In vielen Ländern weltweit sind Solar- und Windenergie mittlerweile die kostengünstigsten Optionen für die Energieerzeugung. In Spanien konnte im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Dieser Fortschritt zeigt, dass eine nachhaltige Zukunft nicht nur eine faszinierende Möglichkeit darstellt, sondern auch wirtschaftlich äußerst attraktiv ist.
Betrachten wir beispielsweise die Preise für Batterien, die seit 1990 um erstaunliche 98 Prozent gefallen sind. Eine Autobatterie, vergleichbar mit derjenigen, die heute in einem Tesla verwendet wird, hätte im Jahr 1990 noch rund eine Million Euro gekostet. Dies verdeutlicht nicht nur den technologischen Fortschritt, sondern auch die immer größer werdende Zugänglichkeit und Wirtschaftlichkeit von nachhaltigen Energietechnologien.
Doch all diese Errungenschaften erfordern auch eine Neudefinition unseres Denkens über Nachhaltigkeit. Oft wird sie als Verzicht dargestellt, als eine Einschränkung unseres Lebensstils auf ein absolutes Minimum. Doch dieses düstere Bild verfehlt die wahre Bedeutung von Nachhaltigkeit. Sie sollte nicht als Opfer betrachtet werden, sondern vielmehr als eine Chance, unsere Welt zu transformieren. Eine Chance, die uns ermöglicht, ein harmonisches Gleichgewicht zwischen menschlichem Fortschritt und Umweltschutz zu finden.
Es liegt an uns, diese Chance zu ergreifen und nachhaltige Praktiken in unserer Gesellschaft zu fördern. Indem wir bewusste Entscheidungen treffen und unsere Lebensweise neugestalten, können wir eine Zukunft schaffen, die nicht nur für uns, sondern auch für kommende Generationen lebenswert ist. Es ist an der Zeit, Nachhaltigkeit nicht als Last zu betrachten, sondern als eine inspirierende Möglichkeit, unsere Welt zum Besseren zu verändern.
Alexander Gresbek ist versierter Fotograf – sogar mit Drohne – und hat mehrere Bücher geschrieben, darunter „Spaniens Schätze: Kunst, Kultur und Kathedralen“und „Meer Erleben: Ihr Costa Blanca Reiseführer 2022“. Die Bücher sind bei Amazon erhältlich.