Costa del Sol Nachrichten

Im Tal der Kirschblüt­en

Ein Besuch in den kleinen, idyllische­n Dörfern zwischen den Bergketten und grünen Feldern im Tal des Río Gallinera

- Marie Altpeter Vall de Gallinera

Der Frühling ist da. Die Temperatur­en steigen und die Sonne scheint immer kräftiger. Auch in der Natur ist die wärmere Jahreszeit längst angekommen. Im Vall de Gallinera öffnen die Kirschbäum­e ihre Blüten. Das Tal des Río Gallinera liegt im Norden der Provinz Alicante und ist berühmt für seine herausrage­nden Kirschen, aber auch für seine besondere Landschaft. Bizarre Gebirgslan­dschaften mit zerklüftet­en Schluchten und kargen Felsformat­ionen, nehmen Besucher mit in eine andere Welt.

Malerisch sind auch die insgesamt acht Dörfer zwischen Benirrama und Benissili mit ihren engen Gassen, alten Kirchtürme­n und kleinen Dorfplätze­n. Die Ortschafte­n sind über eine schmale, kurvige Straße, die CV-700, miteinande­r verbunden. In Benialí steht das Rathaus, das die Dörfer gemeinscha­ftlich verwaltet. Durch die Dörfer, über die Berge und entlang der Schnellstr­aße führt eine beliebte Wanderrout­e. Die über 16 Kilometer lange „Ruta de los 8 Pueblos“führt durch Benirrama, Benialí, Benissivà, Benitaia, La Carroja, Alpatró, Llombai und Benissili.

Umfassende Informatio­nen zu allen Wanderwege­n, der Anfahrt und spannenden Hintergrun­dinformati­onen gibt es in der Touristeni­nformation in Pego. María José arbeitet hier und erklärt, dass die sonst so typischen Kirschblüt­en dieses Jahr keine große Touristena­ttraktion darstellen. „Die Kirschbäum­e blühen zwar gerade, aber es sind nicht so viele Blüten. Es war einfach zu warm im vorangegan­gen Winter.“Trotzdem gibt es gerade im Frühling viel in der Region zu sehen. Eine Empfehlung sei der Wanderweg „Itinerari Botànic Ombria de Benirrama“, auf dem die botanische Vielfalt im Tal mit seinem eigenen Mikroklima entdeckt werden kann.

Von Pego aus erreicht man nach etwa 15 Minuten Fahrt das erste Dorf des Vall de Gallinera. In der Nähe von Benirrama startet auch die „Ruta de los 8 Pueblos“an dem Brunnen Font de la Mata. Mit 311 Metern über dem Meeresspie­gel ist das Dorf das am tiefsten gelegene des Tals. Es ist noch früh am Morgen und in dem kleinen Örtchen ist noch nicht viel los. Gerade einmal 80 Einwohner leben hier, am Wochenende sind es einige mehr. Ein mit Wanderbekl­eidung

ausgerüste­tes Ehepaar macht sich gerade auf den Weg, einen der vielen Wanderwege zu entdecken.

In Benirrama gibt es keine Geschäfte, keine Bank und keine Apotheke. Den kleinen Ort mit seiner Kirche, der Bar und dem Spielplatz hat man schnell abgelaufen. Die Menschen kommen trotzdem gut klar und sind zufrieden. Ein Mann ist gerade dabei die Eisengitte­r

eines Fensters neu zu lackieren. Hinter ihm kann man durch die geöffneten Türen des Hauses blicken, in dem gerade renoviert wird. Miguel Rovira wohnt seit zwei Jahren in der Nähe, das Haus an dem er gerade arbeitet, ist nicht seines. Er kennt die Familie aber gut. Er selbst wohne etwas außerhalb, liebe es aber, hier zu sein. „Ich mag alles, die Leute, die Landschaft“, erzählt er. „Wir haben eine Bar, direkt eine Straße weiter, da trifft man immer Leute.“Man spürt die Verbundenh­eit der Menschen. Jeder kennt jeden. Auch ein Deutscher habe jahrelang nur ein paar Straßen weiter gewohnt, sei aber für die Arbeit fortgezoge­n, erzählt Miguel Rovira.

Brot vor der Haustür

Langsam füllt sich die Straße in der wir uns unterhalte­n mit Menschen. Rovira erklärt: „Das Brot kommt.“Da es keinen Supermarkt im Dorf gibt, kommt jeden Morgen ein Transporte­r gefüllt mit frischen Brötchen, Eiern und anderen Produkten des täglichen

Gebrauchs wie beispielsw­eise Toilettenp­apier vorbeigefa­hren. Etwa gegen halb 11 kommen die Menschen des Dorfs in der Calle Mayor zusammen, unterhalte­n sich und kaufen frische Brötchen.

Mehr Zeit für das Leben

Consuelo Pérez ist vor etwa vier Jahren von Valencia nach Benirrama gezogen, um ihren Ruhestand in dem kleinen Dorf zu verbringen. Ihr Haus hatte sie zuvor schon jahrelang als Ferienwohn­ung genutzt, so wie viele. „Es ist ruhig hier“, meint sie, während sie sich umblickt. Eine Sache, die das Dorf für sie so lebenswert mache, seien die Menschen. „Es wohnen viele ältere Menschen hier. Gerade wohnen nur drei Familien mit Kindern im Ort“, erklärt Consuelo Pérez.

Dass es keinen Supermarkt gibt, sei kein Problem. „Man ist schnell in der nächstgröß­eren Stadt. Es ist ja nicht anders, wie wenn man in Paris lebt und von den Außenbezir­ken erst einmal in die Innenstadt fahren muss“, meint die Einwohneri­n. Einen großen Unterschie­d zu Paris macht immerhin die beeindruck­ende Landschaft im Vall de Gallinera. Grüne Berge umgeben das kleine Dorf, und auch der Weg in die nächstgröß­ere Stadt lässt sich nicht mit der Metro zurücklege­n, sondern nur mit dem Auto über die Landstraße.

In wenigen Minuten ist man im nächsten Dorf Benialí angekommen. Den Weg dorthin säumen viele Kirsch- und Olivenbäum­e. Die sind seit Jahren ein wichtiges landwirtsc­haftliches Standbein in der Region. Einst lebte die bäuerliche Bevölkerun­g vom Wein- und Olivenanba­u. Doch als um das Jahr 1920 insbesonde­re in der Gegend um Alpatró infolge eines starken Bakterienb­efalls die Rebstöcke vernichtet wurden, stiegen die Bauern auf Kirschbäum­e um. Die bieten heute eine tolle Kulisse zum Wandern.

Pepetono Ortiz und Belén Franco sind gerade mit ihrem Hund Samba unterwegs. Sie wohnen jetzt schon seit ein paar Jahren in Benialí. „Das Haus haben wir vor 20 Jahren gekauft, damals war es eine regelrecht­e Ruine“, erzählt Pepetono Ortiz. Die beiden Rentner haben sich nach der Pandemie dazu entschiede­n, von der Stadt raus aufs Land zu ziehen. „Viele Häuser sind in einem schlechten Zustand. Es muss Geld investiert werden“, sagt Ortiz. Die Kinder erben die Häuser ihrer Eltern, seien aber nicht bereit, sie umzubauen. Für die beiden war das Haus jahrelang nur der Zweitwohns­itz, zu dem sie in den Ferien oder am Wochenende gefahren sind. „Hier ist es ganz anders als in Valencia.

Die Menschen haben Zeit. Es ist ruhiger und die zwischenme­nschlichen Verbindung­en sind viel stärker“, erzählt Belén Franco. Einen eigenen Laden gibt es auch in Benialí nicht. „Wir fahren meistens nach Pego zum Einkaufen“, erzählt Pepetono Ortiz „und den Fisch kaufen wir in Oliva“, ergänzt Belén Franco mit einem Lächeln auf den Lippen.

Sie berichten, dass auch viele Ausländer in dem Dörfchen wohnen, vor allem Nordeuropä­er. Das Interesse, sich in der Dorfgemein­schaft zu integriere­n, sei dabei ganz unterschie­dlich. „Mit unseren Nachbarn Sabine und Joël verstehen wir uns super. Die beiden kommen aus Deutschlan­d und hatten sofort Lust, Spanisch zu lernen“, freuen sich Pepetono und Belén. Sie nehmen auch an verschiede­nen kulturelle­n Aktivitäte­n Teil, wie zum Beispiel einem regelmäßig­en Treffen im Casa Gallinera in Benissivà. Dort tauschen sie sich gemeinsam mit anderen Interessie­rten über eine Kurzgeschi­chte aus.

Auch das Rathaus bietet regelmäßig Ausflüge an, bei denen die Anwohner mehr über ihre Region lernen können, erzählen sie. Von ihrem Garten blickt man auf die Terrassen, die vor Jahrhunder­ten in den Berg gehauen wurden, um Wein, Oliven und Kirschen anzupflanz­en. Der fruchtbare Boden, macht das Gebiet landwirtsc­haftlich so attraktiv und sei auch der Grund für die vielen natürliche­n Brunnen, die sich entlang der Dörfer finden.

„Die menschlich­en Verbindung­en sind hier stärker“

Kleiner Laden, große Auswahl

Weiter geht es nach Benissivá und Benitaia, die nicht einmal einen Kilometer entfernt voneinande­r liegen. Die Ortsnamen, die mit der Vorsilbe „Ben“beginnen, gehen auf die arabische Geschichte der Siedlungen zurück und bedeuten etwa so viel wie „Familie“.

In Benissivá, dem kleinen Dorf mit weniger als 100 Einwohnern, gibt es sogar einen kleinen Laden, direkt an der Hauptstraß­e. Der Raum ist eng und dunkel. Hinter einer großen Theke liegt frisches Gebäck bereit. An den Seiten stehen Regale gefüllt mit Haushaltsg­egenstände­n sowie ein kleiner Kühlschran­k mit Kaltgeträn­ken. Das Ehepaar, das das Geschäft leitet, hat alle Hände voll zu tun. Sie bereiten gerade die Waren für den nächsten Tag vor. Von hier aus wird auch das frische Brot in die Nachbargem­einden geliefert, die keinen eigenen Laden haben. Auch in Benissivá gibt es eine kleine Kirche, die die Häuser überragt und schon von weitem zu sehen ist.

In einer kleinen Bar sitzen die Menschen in der Sonne und trinken zusammen Kaffee. Darunter

ist auch eine kleine Familie. Auf dem Weg durch die schmalen Straßen, begegnet uns ein Ehepaar, das gerade dabei ist, den Wocheneink­auf auszuräume­n. Der Kofferraum ist randvoll und sie schleppen prall gefüllte Einkaufsta­schen in ihr Haus. Einen richtigen Einkaufsla­den gibt es nur in einem Dorf des Vall de Gallinera. In Alpatró gibt es ein Geschäft, das einem Supermarkt am nächsten kommt. Mehrere Regale reihen sich eng aneinander. In einer Tiefkühltr­uhe gibt es Gemüse, Fisch und Fleisch, aber auch frisches Obst, Gemüse und Backwaren. Es ist kaum genug Platz, sich in dem engen Gang an den anderen Kunden

vorbeizuqu­etschen. Das Geschäft hat jeden Tag geöffnet, auch sonn- und feiertags. Neben der Einkaufsmö­glichkeit gibt es auch in Alpatró eine eindrucksv­olle Kirche in der Stadtmitte zu bewundern. Sie wurde im 16. Jahrhunder­t auf den Grundmauer­n einer muslimisch­en Mezquita errichtet. Außerdem empfiehlt sich ein Rundgang durch den alten Ortskern entlang der Ruta Urbana. Der Weg führt entlang historisch­er Sehenswürd­igkeiten durch die Straßen, vorbei an der ehemaligen Olivenmühl­e, in der heute das Volkskunde­museum untergebra­cht ist.

In den acht bunten Dörfern des Vall de Gallinera lässt sich die Zeit wunderbar verbringen. Für alle, die gerne wandern gehen, aber auch jene die gerne einmal die Herzlichke­it und Gastfreund­lichkeit der Menschen vor Ort erleben möchten.

„Der Winter war nicht kalt genug für die Kirschblüt­e“

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Fotos: Marie Altpeter Ausblick auf die grünen Plantagen zwischen der Sierra de l’Almirant im Norden und der Sierra Foradada im Süden.
 ?? ?? Ende April blühen die Kirschen im Vall de Gallinera.
Ende April blühen die Kirschen im Vall de Gallinera.
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Die kurvige Schnellstr­aße CV-700 führt durch die kleinen Dörfer.
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Ein Spaziergan­g durch den alten Ortskern Benissivás lohnt sich.

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