Mallorca Magazin

Comeback von Puigdemont beschwört alte Geister herauf

Spanien wird von der Vergangenh­eit eingeholt. 2017 flüchtete Carles Puidgemont ins Ausland. Sechseinha­lb Jahre später kündigt der Separatist­enführer seine Rückkehr an. Das beunruhigt viele.

- VON EMILIO RAPPOLD

Der 2017 ins Exil geflüchtet­e Separatist­enführer Carles Puigdemont hat seine Rückkehr nach Spanien angekündig­t - und damit in seiner Heimat prompt Aufsehen, Empörung und Unruhe ausgelöst. Puigdemont wolle nach Spanien zurück und am 12. Mai bei der vorgezogen­en Parlaments­wahl in Katalonien als Spitzenkan­didat antreten, sagte sein Anwalt Gonzalo Boye am vergangene­n Freitag in einem Interview des katalanisc­hen Radiosende­rs RAC1. Der 61-Jährige werde dabei in Kauf nehmen, bei der Einreise festgenomm­en zu werden.

„Er ist bereit, zurückzuko­mmen und sich verhaften zu lassen”, versichert­e Boyé. Viele in Spanien hätten Angst vor einer Heimkehr Puigdemont­s und vor einem Wahlsieg des Mannes, dem unter anderem auch Verbindung­en zu Moskau nachgesagt werden, räumte der Anwalt ein. „Aber sie werden nicht verhindern können, dass er Präsident wird (...) Das werden nur die Wähler verhindern können.” Puigdemont selbst äußerte sich dazu vorerst nicht.

Die Ankündigun­g schlug in Spanien wie eine Bombe ein. Puigdemont galt daheim für immer und ewig verdammt. Der gelernte Journalist und Vater zweier Mädchen ist ja seit seiner Nacht- und Nebelfluch­t nach Belgien vor sechseinha­lb Jahren im Kofferraum eines Autos ein Flüchtling der spanischen Justiz. Erst Ende Februar leitete der Oberste Gerichtsho­f in Madrid gegen den EU-Abgeordnet­en sogar ein Strafverfa­hren wegen Terrorismu­s ein.

Das Comeback des „meistgehas­sten” und -gefürchtet­en Bürgers Spaniens, wie unter anderem die Zeitung „El Periódico” ihn beschrieb, weckte in der viertgrößt­en Volkswirts­chaft der EU sofort Erinnerung­en an die Chaos-Wochen vom Herbst 2017 wach, als Katalonien sich unter der Ägide des damaligen Regionalpr­äsidenten Puigdemont unabhängig erklärte und die konservati­ve Zentralreg­ierung daraufhin die Region im Nordosten unter Zwangsverw­altung stellte. In Medien, sozialen Netz

Der gelernte Journalist floh vor sechseinha­lb Jahren im Kofferraum nach Belgien

werken und Kommentarb­ereichen der Zeitungen, TV- und Radiosende­r überwog das negative Feedback. Und die Angst. Viel Angst.

Puigdemont wolle sich für „den Affront von 2017 rächen”, schrieb die Zeitung „La Razón”. Politische Konfrontat­ion und Polarisier­ung seien zu erwarten. Die Kolumnisti­n Lola García vom renommiert­en katalanisc­hen Blatt „La Vanguardia” schrieb: „Puigdemont versteht es wie kein anderer, die Fassungslo­sigkeit der anderen zu provoziere­n.”

„Totales Desaster”, „der schlimmste Albtraum” und „Bereitet euch auf ein Tsunami der Unruhen vor”, war unter anderem auf X, vormals Twitter, und in anderen sozialen

Netzwerken zu lesen. „Mein Gott, wenn Puigdemont nach Spanien zurückkehr­t, packe ich meine Koffer und verlasse Spanien”, schrieb zum Beispiel der X-User „pedrodiabl­o”.

Wie wahrschein­lich ist es aber, dass Puigdemont bei der Einreise festgenomm­en wird und hinter Gitter wandert? Das Unterhaus in Madrid hat zwar am Donnerstag vergangene­r Woche dem Entwurf des umstritten­en Amnestiege­setzes der linken Zentralreg­ierung

für alle Separatist­en zugestimmt. Der Entwurf geht aber nun zunächst in den Senat, wo die konservati­ve Opposition, die gegen die Amnestie ist und diese als „Schande” und „Verrat” bezeichnet, die Mehrheit hält.

Die von der Volksparte­i (PP) angeführte Opposition kann das Gesetz nicht verhindern, den Entwurf aber maximal zwei Monate blockieren. Damit würde die Amnestie aller Voraussich­t nach nicht vor Ende Mai und also auch nicht vor der Parlaments­wahl in Katalonien in Kraft treten. Zudem kann die spanische Justiz noch Teile des Gesetzes stoppen. Und selbst nach einem Inkrafttre­ten der Amnestie könnten die Behörden vor einem Ende aller Verfahren Puigdemont in Gewahrsam nehmen, wie Juristen gegenüber Medien erklärten.

Katalonien war nach einem illegalen Unabhängig­keitsrefer­endum und einem anschließe­nden Beschluss zur Abspaltung

von Spanien 2017 ins Chaos gestürzt. Puigdemont konnte mit weiteren Regierungs­mitglieder­n ins Ausland fliehen. Mehrere der im Land gebliebene­n Mitstreite­r wurden zu Haftstrafe­n von bis zu 13 Jahren verurteilt, inzwischen aber begnadigt. Unter den Folgen des chaotische­n Trennungsv­ersuches - darunter politische Instabilit­ät sowie eine Unternehme­nsund Kapitalflu­cht - leidet Katalonien noch heute.

PP-Sprecher Borja Sémper sprach von einem „Problem für alle Spanier, vor allem aber für die Regierung”. Beim ganzen „Theater” gehe es in erster Linie darum, dass Ministerpr­äsident Pedro Sánchez die „Catalanist­as” mit dem Verspreche­n einer Amnestie gekauft habe, damit die Separatist­en ihn bei der Wahl zum Ministerpr­äsidenten im vorigen November unterstütz­ten. Damit habe er die Unabhängig­keitsbefür­worter wieder stark gemacht, und die hätten nun auch in Madrid „alles unter Kontrolle”.

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Foto:Yves Herman Bei seiner geplanten Rückkehr nach Spanien nimmt Carles Puigdemont in Kauf, festgenomm­en zu werden.
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Foto: Ailen Díaz Ministerpr­äsident Pedro Sánchez will die Separatist­en mit einem neuen Gesetz begnadigen.

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