Mallorca Magazin

Bahnhof Alaró: Mallorcas Endstation Sehnsucht

Noch bis in die 1920er Jahre verkehrte zwischen der Haltestell­e und dem Dorf die kurioseste Bahn-Linie der Insel. Ein Plan, die einstige Gleisspur als Fußweg zu rehabiliti­eren, scheiterte jetzt aus Kostengrün­den

- VON ANDREAS JOHN

Der Fortschrit­t ist schon eine praktische Erfindung, wenn man nicht von ihm, und das im wahrsten Sinne des Wortes, einfach links liegen gelassen wird. So geschehen anno 1875 in dem kleinen, kultigen Tramuntana­Dorf Alaró. Dort, oder besser rund dreieinhal­b Kilometer rechts davon, hatte man damals die Gleise für die noch heute bestehende Zugverbind­ung zwischen der Inselhaupt­stadt und Inca verlegt. Zum Ärger der Alaroneras und Alaroner, die alles andere als verzückt von der Aussicht waren, von nun an die Strecke zum Bahnhof per pedes zurücklege­n zu dürfen.

Drei befreundet­e wohlhabend­e Unternehme­r aus dem Dorf kamen 1880 schließlic­h auf die Idee, eine eigene, örtliche Eisenbahng­esellschaf­t zu gründen. Ziel war es, Alaró mit einer eigenen Gleisspur an die Bahnlinie Palma-Inca anzuschlie­ßen, ein gerissener wie gleichwohl ehrgeizige­r Plan, der allerdings seine Macken hatte. So schaffte es das Unternehme­n zwar innerhalb von zwei Jahren, eine insgesamt 3,4 Kilometer lange Schmalspur-Gleisanlag­e vom Bahnhof des Nachbarort­es Consell nach Alaró zu bauen, besaß anschließe­nd jedoch keine finanziell­en Mittel mehr für den Kauf einer Lokomotive. Oder anders gesagt: Die Eisenbahng­esellschaf­t ging pleite, bevor sie überhaupt auf die Schienen kam.

Doch wer wird deswegen gleich das Handtuch werfen? Findige Einwohner spannten vor dem einzig gebauten Waggon einfach zwei Maultiere, die das Gefährt auf den Schmalspur-Gleisen vom Bahnhof zum höher gelegenen Dorf zogen. Die Fahrtdauer betrug rund 15 Minuten, und es ging mitunter sogar recht komfortabe­l zu. So bot die Alaró-Bahn ihren Passagiere­n eine erste und eine zweite Klasse. Bei letzteren handelte es sich um das Waggon-Dach, auf dem die Reisenden auf Holzbänken saßen und durch eine Art Brüstung davon abgehalten wurden, herunterzu­fallen, wenn die Gäule an einem heißen Sommertag durchginge­n. Im kühlen Inneren des Waggons durften es sich die feineren Herrschaft­en bequem machen.

Für den Weg zurück zum Bahnhof wurde das Gespann abgehängt, und der Waggon rollte wieder zum Bahnhof hinunter, wobei der „Zugführer” immer wieder eine Bremse betätigte, um nicht zu entgleisen. 1922 wurden die Gäule durch Dampflokom­otiven ersetzt, die den Weg von und zum Bahnhof allerdings in derselben Zeit zurücklegt­en. 1951 wurde die Verbindung aus Kostengrün­den schließlic­h eingestell­t. Zurück blieben die Schmalspur-Gleise, die mit der Zeit mit Unkraut zuwucherte­n und in Vergessenh­eit gerieten.

Bis zum Jahr 2014. Da riefen verärgerte Alaró-Einwohner eine Bürgerinit­iative unter dem Motto „Volem Via verda” (Wir wollen einen grünen Weg) ins Leben. Grund war erneut der immer noch über drei Kilometer entfernte Bahnhof, zu dem es keinen Fußgänger- und Fahrradweg gab. Stattdesse­n mussten die Einwohner aus Alaró mit täglich zwischen dem Bahnhof und dem Dorf pendelnden Shuttle-Bussen fahren, um anschließe­nd mit dem Zug beispielsw­eise nach Palma oder Inca zu gelangen. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad die Kilometer lange Strecke zurückzule­gen, war insbesonde­re nach Sonnenunte­rgang aufgrund des fehlenden Bürgerstei­ges sowie der mangelnden Straßenbel­euchtung zum Teil

1880 kamen findige Unternehme­r auf die Idee, eine eigene Linie zum Bahnhof zu bauen

Mallorcas Inselrat will bald einen Radweg entlang der Landstraße bauen

lebensgefä­hrlich.

Der von der Initiative vorgeschla­gene „grüne Weg” zum Bahnhof sollte entlang der seit etlichen Jahrzehnte­n stillgeleg­ten Schmalspur­trasse verlaufen Doch der Plan wurde vom Inselrat aufgrund der damit verbundene­n hohen Baukosten abgeschmet­tert, vor wenigen Wochen erklärte ein beauftragt­es Bauunterne­hmen, dass das für das Projekt von der Institutio­n bewilligte Budget bei weitem nicht dafür ausreiche.

Jetzt scheint man eine Alternativ­e gefunden zu haben: Nach Ankündigun­g aus dem Inselrat soll der geforderte Fußgänger- und Radweg direkt an der Landstraße verlaufen, die Consell mit Alaró verbindet. Stromspare­nde LedLampen sollen den Weg auch nach Sonnenunte­rgang ausreichen­d beleuchten, der Wegesrand soll begrünt werden. Die Arbeiten sollen bis Ende des Jahres fertiggest­ellt sein. Ob das die Gemüter in Alaró beruhigen wird, bleibt allerdings abzuwarten.*

 ?? Foto: UH ?? Alaró und das Nachbardor­f Consell teilen sich einen Bahnhof. Die Anfahrt für die Alaroner ist aber wesentlich länger.
Foto: UH Alaró und das Nachbardor­f Consell teilen sich einen Bahnhof. Die Anfahrt für die Alaroner ist aber wesentlich länger.
 ?? Foto: Archiv A. Sanchis/UH ?? Noch bis 1922 verband ein von Pferden gezogener Waggon das Tramuntana-Dörfchen mit dem Bahnhof.
Foto: Archiv A. Sanchis/UH Noch bis 1922 verband ein von Pferden gezogener Waggon das Tramuntana-Dörfchen mit dem Bahnhof.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Spain