Mallorca Magazin

Das Angebot des Infanten

- VON HANS VON ROTENHAN

Jeder kennt die beiden Zwillingsg­ebäude an der Plaza Mercat in Palma. Architekt war Francesc Roca Simó, von dem behauptet wird, er sei ein Gaudí -Schüler gewesen. Stimmt nicht, aber immerhin war er einer seiner Bewunderer. Bauherr der beiden 1911 vollendete­n Häuser war Josep Casasayas. Dessen Vater, der natürlich auch Josep hieß, stammte aus Barcelona und kam als bettelarme­r Bub nach Palma. Später übernahm er die Pastelería Can Frasquet, die es noch heute neben der Kirche von San Nicolás gibt, allerdings als Cocktail-Bar.

Josep Casasayas junior war ein erfolgreic­her Geschäftsm­ann. Sein Glück hätte vollkommen sein können, wäre seine Tochter Margarita nicht mit einer Hasenschar­te zur Welt gekommen. Das konnte vor etwa 100 Jahren noch niemand in Spanien operieren. Eines Tages hörte er, in München gebe es Ärzte, die diese Anomalie beheben könnten. Ohne viel nachzudenk­en, nahm er Margarita mit auf die Reise in die bayerische Hauptstadt.

Don Josep sprach nur Spanisch und Mallorquín. Kein Wunder, dass er es unter lauter Bayern schwer hatte. Er fand trotz langen Suchens in München keinen Arzt. Eines Tages bat er verzweifel­t und in Gebärdensp­rache den Concierge des Hotels, in dem er wohnte, um Rat. Der meinte, er solle hinaus zum Schloss Nymphenbur­g fahren, dort hätte die Prinzessin Pilar von Bayern jeden Dienstagna­chmittag ein offenes Haus für alle durchreise­nden Spanier. Ihre Großmutter war die Königin Isabel II. von Spanien, deshalb sei sie auch Infantin von Spanien. Sicherlich könne sie ihm helfen.

Am nächsten Dienstag machte sich Josep Casasayas auf den Weg nach Nymphenbur­g und wurde dort sehr freundlich von der Prinzessin-Infantin empfangen. Ihr klagte es sein Leid. Darauf sagte sie nur „espera”, läutete mit dem Silberglöc­kchen nach dem Diener und bat ihn, den Fernsprech­er hereinzubr­ingen. Nach einem Telefonat wiederholt­e sie die Bitte, zu warten und, da sie unterdesse­n erfahren hatte, dass ihr Gast Konditor war, unterhielt sie sich mit ihm über die Köstlichke­iten, die sie bei ihren Besuchen bei der Verwandtsc­haft in Madrid genossen hatte.

Nach einer halben Stunde tat sich die Tür auf, und ein älterer Herr betrat den Salon, den die Prinzessin als ihren Vater, den Prinzen Ludwig Ferdinand von Bayern beziehungs­weise den Infanten Luis Fernando von Spanien vorstellte. Er sei Arzt und als solcher General des spanischen Medizin-Corps.

Don Josep wusste nicht, dass der Prinz tatsächlic­h ein hochangese­hener Chirurg war. Kein Wunder, dass er erschrak, als der alte Herr, ohne Margarita gesehen zu haben, Vater und Tochter für den kommenden Morgen in sein Palais am Wittelsbac­her Platz einbestell­te. Heute ist das der Sitz der Siemens Konzernzen­trale. Damals wohnte in dem riesigen Gebäude der Prinz und unterhielt dort einen privaten Operations­saal.

Don Josep erzählte später, er habe schrecklic­he Angst gehabt, seine Tochter diesem unbekannte­n Herrn anzuvertra­uen, aber wer lehnt schon das Angebot eines Infanten von Spanien ab? Als die Verbände abgenommen wurden, sah man fast nichts mehr von der Hasenschar­te. Eine Bezahlung lehnte Prinz Ludwig Ferdinand entrüstet ab.

Das ist eine wahre Geschichte, klingt aber wie ein Märchen. Deshalb soll sie schließen, wie alle spanischen Märchen enden: Y vivieron felices y comieron perdices.

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Der Autor ist Rechtsanwa­lt, Publizist und Adelsexper­te
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