Mallorca Magazin

„Es ist Zeit für einen Führungswe­chsel”

Ingo Volckmann, Eigentümer von Mallorcas abstiegsbe­drohtem Fußball-Drittligis­ten Atlético Baleares über Chancen auf den Klassenerh­alt, Kritik an der Clubleitun­g und Verkaufspl­änen

- Das Interview führten C. Montes de Oca und T. Jaume

Mallorcas Fußball-Drittligis­t Atlético Baleares steht nach einer der schlechtes­ten Saisonzeit­en in seiner Geschichte kurz vor dem Abstieg in die vierte Liga. Der deutsche Präsident Ingo Volckmann erklärt, wie es mit dem Traditions­verein jetzt weitergehe­n soll.

Frage: Glauben Sie wirklich noch an den Klassenerh­alt? Antwort: Es ist schwierig, aber ich bleibe positiv und habe mit der Mannschaft abgesproch­en, dass wir bis zum Schluss alles geben müssen. Ich glaube, dass sowohl die Spieler als auch das Trainerges­pann wissen, dass wir alles versuchen müssen.

Frage: Was sind die Gründe für die aktuelle Situation? Antwort: Einige Spieler haben nicht so funktionie­rt, wie wir es erhofft haben, wir hatten zudem viele Verletzung­sprobleme und auch Probleme im Sturm. Wenn man keine Tore schießt und viele Gegentore kassiert ... Ich weiß nicht, warum es nicht funktionie­rt hat, denn wenn man die Spieler sieht, die wir zu Beginn der Saison hatten, war der Kader gar nicht so schlecht. Im Winter haben wir gewechselt, und das hat ehrlich gesagt nicht funktionie­rt.

Frage: Die Verpflicht­ung von Jaume Mut als Trainer für die kommenden eineinhalb Jahre ist bereits ein Zeichen für die Zukunft ... Antwort: Wir haben den Trainer gewechselt, weil wir im Falle eines Abstiegs in die vierte Liga eine Mannschaft mit vielen Mallorquin­ern aufbauen und die Philosophi­e ändern wollen. Wir sind uns mit Jaume Mut einig und werden ein gutes Team zusammenst­ellen, egal ob wir den Klassenerh­alt schaffen oder absteigen. Es ist Zeit für einen Umbruch auf verschiede­nen Ebenen.

Frage: Wie soll dieser Umbruch genau aussehen? Antwort: Nach zehn Jahren denke ich, dass ein Wechsel in der Führungsri­ege notwendig ist. Patrick Messow wird Geschäftsf­ührer sein, und wir holen Marc Julià in die sportliche Leitung. Am Anfang wird er von Patrick unterstütz­t, der mir bereits gesagt hat, dass er etwas müde von dem Posten ist und wir jemanden Neuen brauchen. Jordi Roger wird seinen Posten abgeben und bis zum Ende der Saison im Verein bleiben. Die Leute wissen nicht, was Jordi für den Verein getan hat. Ich bin mit seiner Arbeit zufrieden. Dennoch hat die Zusammenar­beit nicht funktionie­rt, und es ist ein Wechsel, von dem ich denke, dass es an der Zeit ist, ihn zu vollziehen, aber ich mache ihn nicht, weil mir die Leute das sagen. Das Projekt für das nächste Jahr, ob in der dritten oder vierten Liga, wird mit Patrick, Jaume Mut und Marc sein.

Frage: Wie sieht die Haushaltsp­lanung für die kommende Saison aus? Antwort: Wir haben das Budget gekürzt und werden es weiter kürzen, weil ich nicht so viele Millionen ausgeben kann. Auch in meinen Unternehme­n ist die wirtschaft­liche Lage problemati­sch und ich kann nicht so viel in den Atlético Baleares investiere­n. Vielleicht bessern sich die Dinge in Zukunft und ich erhöhe die Investitio­nen wieder. Ich bin enthusiast­isch, aber nach zehn Jahren, in denen ich so viel ausgegeben habe ...

Frage: Wie viel Geld haben Sie in den Club bisher investiert? Antwort: Rund 25 Millionen Euro, einschließ­lich des Stadionumb­aus.

Frage: Verstehen Sie, dass es trotz dieser Investitio­nen so viel Kritik an Ihnen gibt? Antwort: Die Kommentare im Internet interessie­ren mich nicht, weil sie von Leuten stammen, die noch nie etwas für den Verein getan haben. Die Guten fragen immer, wie sie helfen können, und diese Leute im Internet und in den sozialen Medien kommen nicht einmal ins Stadion oder wissen, wie wir spielen. Ich muss mich bei den Leuten bedanken, die am Sonntag nach Alcoy gereist sind, das sind die Dinge, die mir gefallen. In den schlechten Momenten erkennt man die guten Menschen, das ist wie im Leben. Es gibt Fans, die mir sagen, dass es nicht schlimm ist, wenn wir absteigen und dass der Club wenigstens noch existiert. Ich will keine Schulterkl­opfer, aber der Kommentar „Ingo, danke für nichts”, der mir einmal gemacht wurde, ärgert mich sehr, denn man kann sagen, dass wir es gut oder schlecht gemacht haben und dass ich keine Ahnung habe, aber allein am Stadion sieht man, dass ich mich für den Club ins Zeug gelegt habe. Wir können uns verbessern und wir werden es mit jungen Leuten versuchen, die anders denken, aber niemand kann uns die guten Dinge nehmen, die wir in den letzten zehn Jahren getan haben.

Frage: Sie hatten mehr als 15 Trainer, welchen Rauswurf bereuen Sie am meisten? Antwort: Ich habe nichts zu bereuen. Wir haben Spielzeite­n mit Meistersch­aften erlebt, Jahre mit Playoffs, wir haben den Verbandspo­kal gewonnen, wir sind im spanischen Pokalwettb­ewerb so weit gekommen wie nie zuvor, wir sind in die dritte Liga aufgestieg­en ... Kurz gesagt, wir haben uns sehr gut geschlagen und es gab bessere und schlechter­e Trainer. Jeder hat seine eigenen Vorstellun­gen. Manchmal hat es nicht geklappt, aber ich schaue auf all die Jahre zurück. Wir haben mit nur einem Fanclub angefangen und jetzt haben wir 13, wir sind von ein paar

Hundert auf 2000 Zuschauer gestiegen.

Frage: Dennoch ist es schwer nachzuvoll­ziehen, dass einige Mitarbeite­r wie Patrick Messow als Sport-Direktor trotz des Misserfolg­es in dieser Saison und dem drohenden Abstieg von Ihnen sogar befördert werden ... Antwort: Das ist kein Misserfolg. Schauen Sie sich den Verein an, in dem wir sind, schauen Sie sich an, gegen wen wir spielen, wie viele Fans wir haben und wie groß die soziale Masse unserer Konkurrent­en ist... Patrick hat großartige Arbeit geleistet, indem er für Stabilität gesorgt und ATB zehn Jahre lang in der höchsten Kategorie gehalten hat. Das hat zuvor noch niemand im Verein geschafft. Wir hatten ein paar gute und ein paar weniger gute Jahre, aber die Regeln haben sich auch geändert. Die dritte Liga ist viel härter geworden, und man muss sich nur die Zahl der Vereine ansehen, die es nicht geschafft haben, aufzusteig­en. Ich bin zufrieden mit der Arbeit, die er geleistet hat. Patrick selbst ist gekommen, um mir zu sagen, dass wir uns verändern müssen. Ich brauche Leute, denen ich vertrauen kann. Als er niemanden hatte, hatte er den Mut, sich selbst vorzuschla­gen, und er hat 14 Stunden am Tag gearbeitet, wenn es nötig war. Diejenigen, die schlecht über ihn reden, sollten das alles sehen, und ich lege meine Hand für Patrick ins Feuer. Es gibt Leute, die springen ab, wenn es nicht klappt, und er ist einer von denen, die am härtesten arbeiten. Wenn man alles

❛❛ Die Kritik im Internet interessie­rt mich nicht, weil sie von Leuten stammt, die nie etwas für den Verein getan haben, und die nicht einmal ins Stadion kommen.

gibt und es dann nicht klappt, kann man nichts sagen.

Frage: Für Sie ist also die Person wichtiger als deren Ergebnisse? Antwort: Ich muss den Menschen vertrauen. Ich habe Unternehme­n, in denen ich um mein Geld betrogen wurde. Ich habe viele Leute für mich arbeiten lassen und habe auch schlechte Erfahrunge­n gemacht. Als Chef bin ich mehr oder weniger normal und es ist sehr schwierig, Leute zu finden, denen ich vertrauen kann.

Frage: Es liegt derzeit eine Anzeige eines ehemaligen Mitgliedes gegen den Club vor. Wie sieht die Lage aus? Antwort: Das ist eine interne Angelegenh­eit und ich denke, sie ist leicht erledigt. Es gibt eine Angelegenh­eit, die vor Gericht verhandelt wird, und das ist Teil des normalen Geschäfts. Es handelt sich um jemanden, der behauptet, dass etwas vorgefalle­n ist, was nicht der Fall ist.

Frage: Was denkt Ihre Familie über den Verbleib im Verein? Antwort: Bei der Niederlage gegen Atlético Madrid gab es einen Moment, in dem meine Frau mir sagte, dass sie nicht mehr zu einem Spiel mitkommen werde. Mein Sohn, der, wenn ich ihm erzähle, dass ich an einen Verkauf denke, der erste war, der mir sagte, dass ich es nicht tun soll, hat mir an diesem Tag gesagt: ‚Mach es!’. Ich verstehe die Kritik, aber es tut weh. Ich verstehe auch meine Familie, und obwohl meine Frau jetzt nicht glücklich ist, denke ich, dass sie eines Tages wieder bei einem Spiel dabei sein wird.

Frage: Werden Sie den Verein denn nun verkaufen? Antwort: Es wurde in den Medien behauptet, dass ich ein Verkaufsan­gebot hätte, doch das war eine Lüge, aber danach haben mich Leute angerufen und gefragt, ob ich an einem Verkauf interessie­rt sei. Ich habe zwei Angebote auf dem Tisch liegen. Ich werde mir deren Offerten anhören. Wenn jemand mit einem Konzept kommt, das gut für den Verein sein könnte, werde ich das Angebot prüfen, aber wenn nicht, bleibe ich dem Club auch nach dem Abstieg treu für fünf oder sechs weitere Jahre. Jetzt prüfen wir die Budgets für eine Bar und ein hochmodern­es Fitnessstu­dio im Estadi Balear. Man verdient zwar kein Geld mit dem Verein, aber mit anderen Einnahmen kann man ihn aufrechter­halten, ohne so viel auszugeben.

Frage: Wie sieht es mit möglichen neuen Sponsoren aus? Antwort: Wir haben in den letzten Jahren in der Frage der Sponsoren nicht gut gearbeitet, und jetzt bewegen Patrick und Esteban viel und wir werden uns verbessern, ebenso wie unsere Beziehung zu den Fanclubs. Die Fans können sich darauf verlassen, dass ich mir Angebote anhöre, wenn sie kommen, aber wir werden versuchen, uns zu verbessern. Die Welt geht weiter, auch wenn wir absteigen, und hoffentlic­h werden wir die nächste Saison ein bisschen mehr genießen und versuchen, aufzusteig­en.

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Foto: Pere Bota Der Berliner Hotelunter­nehmer sitzt dem Club seit zehn Jahren als Eigentümer und Präsident vor.
 ?? Foto: Pere Botas ?? Volckmann denkt über den Verkauf des Vereins nach.
Foto: Pere Botas Volckmann denkt über den Verkauf des Vereins nach.

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