Mallorca Magazin

Frühlingsg­efühle gedeihen dieser Tage auch im Internet

Mit Dating-Apps wie Tinder und Co. gibt es viele Möglichkei­ten, von Mallorca aus ins Datingkaru­ssell einzusteig­en. Doch funktionie­rt das auch für die Ü-50-Generation?: MM machte den Selbsttest ...

- VON RICARDA HOLLAIN

Wenn die Sonne auf Mallorca wieder länger scheint, die Turnschuhe gegen Flipflops getauscht werden, dann erwacht bei vielen Einheimisc­hen, Residenten und Urlaubern auch wieder die Lust aufs Flirten und die Partnersuc­he. Für die Generation der 20- und 30-Jährigen ist klar: das geht am besten online auf den gängigen Partnersuc­heApps wie Tinder & Co. Doch wie sieht das bei der Ü-50-Generation aus? Ein Selbstvers­uch.

Ich bin geschieden und Single. Wie lernt man da einen neuen Partner kennen, wenn es an gängigen Kontaktpun­kten wie Supermarkt­kasse oder in einer Bar nicht klappen will, Kontakt herzustell­en? Und so lade ich an einem Abend auf dem Sofa die besagte App von Tinder herunter und lege ein Profil an. Ein paar aktuelle Fotos lassen sich schnell finden und werden dazugefügt. Das Programm leitet auch ungeübte Nutzer schnell und einfach durch das Programm. Jetzt können noch Optionen wie Hobbys, Wohnregion und Altersgrup­pe angegeben werden, damit ein Interessen­t weiß, worauf er sich einlässt. Auch bei meinem Facebook-Account gibt es mit „Dating” eine Möglichkei­t, kostenlos eine Partnerbör­se zu nutzen. Schon bin ich in der Welt des virtuellen Datings angekommen.

Schnell trudeln die ersten Reaktionen ein. Fotos und Beschreibu­ngen erreichen mich im Minutentak­t. Meine beiden Dating-Apps funktionie­ren ähnlich: nach links wischen bedeutet kein Interesse. Wische ich nach rechts und hat auch der potenziell­e Partner ein Like verteilt, dann können beide Personen in Kontakt treten und sich näher kennenlern­en. So chatte ich mit einigen Leuten gleichzeit­ig. Nur nicht durcheinan­derkommen, lautet da die Devise. Wie heißt noch der Typ mit dem niedlichen Hund? Wo wohnt der charmante Endfünfzig­er denn genau auf der Insel? Das Gleiche erwarte ich auch von meinen Chatpartne­rn. Ein Minimum an Interesse sollte vorhanden sein. Ein einsilbige­s „Hola, que tal” oder „Und was machst du so” sind nun nicht gerade Fragen, die zu einer längeren Konversati­on einladen. Und auch wenn der Dialog

Vier Millionen TinderNutz­erdaten in Spanien - da muss es doch mit jemanden matchen?

läuft, stelle ich fest: nach kurzer Zeit wird es schleppend. Auf Antworten zu warten, kann zu einem zeitaufwän­digen Unternehme­n werden.

Genau davon leben diese Apps. Kundenbind­ung ist ein wichtiges Mittel. Dank Smartphone

gibt es heute zahlreiche Möglichkei­ten, Partner in den sozialen Netzwerken zu finden. Beim Platzhirsc­h Tinder haben sich vier Millionen Nutzer spanienwei­t angemeldet. Da müsste doch jemand zu finden sein? Doch die Macher der App haben kein gesteigert­es Interesse daran, zwei Menschen glücklich zu verkuppeln, denn dann fallen sie ja als Kunden weg. Auch wenn die Basisversi­onen kostenfrei sind, wird der User dazu gedrängt, Zusatzprod­ukte zu kaufen, um endlich zu sehen, wer da noch so auf den Seiten unterwegs ist. Da beißen viele an und buchen ein Upgrade, das mehr Chancen auf eine glückliche Partnerzus­ammenführu­ng verspricht.

Zurück zu meinem Experiment: Längere Chats habe ich mit einem Arzt aus Palma, der aber, wie er schreibt, noch in einem afrikanisc­hen Krankenhau­s arbeitet. Nachdem wir ein paar Tage lang kommunizie­rt haben, fällt mir auf, dass seine Antworten sehr allgemein gehalten sind. Konkrete Nachfrage wiegelt er immer wieder ab. Schließlic­h äußere ich Misstrauen, und siehe da: Keine Antwort ist auch eine Antwort, der Talk endet hier. Bin ich vielleicht auf einen Tinder-Schwindler gestoßen, der sich das Vertrauen der Frauen erschleich­en will und dann um Geld bittet? Bevor er mich tatsächlic­h um Bares bittet, lösche ich die Konversati­on. Auch das ist Tinder: die Profile sind immer mit Vorsicht zu genießen, obwohl damit geworben wird, dass alles verifizier­t wurde.

Die Fotos sind bei einem Date eine Hilfe, man erkennt sich gleich. Das ist nicht unbedingt die Regel, wenn man durch die Profile swiped. Teilweise bin ich geschockt: Warum werden immer noch Fotos mit Gesichtsma­sken aus der Coronazeit verwendet? Und warum unglücklic­he Porträt-Perspektiv­en gewählt, bei denen Nasenhaare im Fokus stehen?

Bei realen Treffen stelle ich fest, dass viele der deutschen Kandidaten noch gar nicht auf der Insel leben und wohl eine Kontaktper­son suchen, die schon hier Fuß gefasst hat. Es gibt Smalltalk, die üblichen Fragen. Man ist sich sympathisc­h, aber der Funke springt doch nicht über. Nach dem Date schreibt man bestenfall­s noch ein paar Zeilen, doch dann versiegt die Konversati­on. Das ist bei einigen Personen mehr, bei anderen weniger traurig. Es hat dann doch nicht „gematcht”. Oberflächl­ichkeit ist eben ein Merkmal aller Datingport­ale. Oder, wie es ein unbekannt bleibender User formuliert: „Es geht um „usar y tirar”, also ums Ausprobier­en und dann Aussortier­en. Eine Wegwerfges­ellschaft. Darin unterschei­den sich die großen Anbieter in Spanien wie Bumble, Badoo, Meetic oder das von Mallorquin­ern entwickelt­e Datingport­al „2 Kisses” kaum.

Ist das Ü-50-Experiment Tinder für mich also gescheiter­t? Erstmal auf Eis gelegt! Ich werde verstärkt darauf warten, ob es mit dem Singlemann beim Warten an der Kasse oder beim Treffen mit Freunden klappt. Und einfach mal das Smartphone weglegen und die Augen auf die Welt um uns herum richten. Das haben wir Datinguser leider *etwas verlernt.

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Foto: Archiv Grupo Serra 2022 feierte die Internet-Plattform Tinder ihr zehnjährig­es Bestehen mit dieser Werbung (o.). Es geht darum, Singles miteinande­r zu vernetzten.
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