«Sie wollten mich in die Sonderschule schicken»
Rund 800 000 Erwachsene haben Mühe mit Lesen und Schreiben. Marco (40) hat an seiner Schwäche gearbeitet.
«Es war nicht so, dass meinen Aufsätzen die Fantasie gefehlt hätte», erzählt Marco Grüter, «es war die Rechtschreibung, die katastrophal war. Bei der Rückgabe waren meine Aufsätze voller roter Markierungen.» Die ersten Anzeichen der Lese- und Schreibschwäche zeigten sich in der 3. Klasse; in der 6. war das Problem bereits stark ausgeprägt.
«Ich war damals lieber draussen, statt mich mit Lesen zu beschäftigen – dabei war ich kein schlechter Schüler», erinnert sich Marco. Mit dem Lesen und Schreiben habe ihm aber ein wichtiges Element gefehlt, um im Unterricht vorwärtskommen zu können. Als gar ein Übertritt an eine Sonder- schule zum Thema wurde, wurden dem Schüler erstmals die Augen geöffnet: «Ich beschloss, etwas gegen meine Lese- und Schreibschwäche zu tun. Von da an habe ich bewusst sehr viel gelesen.» Seine Familie unterstützte den Teenager, indem sie ihn mit Büchergutscheinen überhäufte. «Es ging nicht von heute auf morgen», erinnert sich Marco, «doch ich sah selbst, dass ich ziemlich schnell besser wurde.» Seine Noten reichten schliesslich für einen Übertritt ans Gymi.
Heute ist der Investmentmanager froh, dass ihn die Lehrer nicht haben «schleifen lassen». Dass es in der Schweiz über 800 000 Erwachsene gibt, die trotz Absolvierung der obligatorischen Schulzeit Mühe mit dem Lesen und Schreiben haben, hat für ihn verschiedene Gründe: «Es braucht Lehrer, die auf das Problem hinweisen, Eltern, die sagen, ‹der Lehrer hat recht›, und Schüler, die motiviert sind, etwas dagegen zu tun.» Auch die Schulen sind nicht ganz unschuldig: «Oft werden Schüler gezwungen, Texte zu lesen, die sie nicht mögen oder auch nur ansatzweise verstehen.»
Doch was, wenn man als Schüler nicht die Motivation aufgebracht hat, an seiner Schwäche zu arbeiten, oder wenn von aussen keine Unterstützung kam? Ist für Erwachsene mit Lese- und Schreibschwäche der Zug bereits abgefahren? Das glaubt Marco nicht. Er ist überzeugt, dass Lesen unabhängig vom Alter hilft. Gemeinsam mit seinen Kollegen Adrian Fluri und Labinot Sadiki hat er die Plattform Tapastories.com gegründet, auf der die Nutzer kostenlos Kurzgeschichten lesen und hören können, die sich für den Einstieg in die Lesewelt eignen.
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