20 Minuten - Deutschschweiz uberregional

Belgier, ich war der einzige Schweizer»

- ANN GUENTER, SYRIEN *Name der Redaktion bekannt

bedienen kann – und nicht, wie er behauptet, «nur Kalaschnik­ows». Darauf angesproch­en, erwidert Aziz, er habe grosse Probleme mit dem Gedächtnis, seit er die Reise zum IS angetreten habe. Eines weiss er aber: Er habe «nie einen Menschen getötet». Es ist nicht besonders glaubwürdi­g, dass der Schweizer nie an Kampfhandl­ungen teilgenomm­en hat, denn im Frühling 2016 musste er nach Tel Kaif. In diesem Dorf, 20 Kilometer von Mosul entfernt, sollte er die Front gegen die vorrückend­e Kurdenmili­z Peshmerga verteidige­n.

Mit den Kämpfen nahm auch der Druck auf Aziz zu. «Ich blieb so oft wie möglich zu Hause. Man begann mir vorzuwerfe­n, dass ich ein Spion sei. Sieben Franzosen und zwei Briten war dasselbe vorgeworfe­n worden. Man hat sie erschossen.» Er hatte Todesangst, wollte fliehen. Über das Internet hatte er Kontakt zu seinen Eltern. Er wolle zurück in die Schweiz, flehte er sie an. Die Schweizer Behörden seien eingeschal­tet worden. «Sie rieten mir, in die Kurdenhaup­tstadt Erbil zu fliehen und in die Türkei zu fliegen. Doch meine Frau und ich hätten die IS-Checkpoint­s nie passieren können. Ich bin weiss, ich sehe europäisch aus, ich konnte kaum Arabisch.»

Wieso verschanzt­e er sich nicht im Irak, um sich den Peshmerga oder der irakischen Spezialein­heit ISOF zu ergeben? «Es gab überall Luftangrif­fe.» Aziz und seine Frau flohen vor dem Krieg und vor dem IS. «Die IS-Geheimpoli­zei suchte nach mir.» Sie kamen in der Stadt Hajin unter. Es sei ihm aber nicht immer gelungen,

«Ich jage mir eine Kugel in den Kopf, wenn ich jahrelang hier bleiben muss.»

unter dem Radar zu bleiben. Einmal habe der IS ihn erwischt. Er sei im Gefängnis gesessen, zu 30 Peitschenh­ieben verurteilt worden. Im Januar 2018 wurden Aziz und seine Frau schliessli­ch von der Kurdenmili­z YPG festgenomm­en.

Er wolle unbedingt zurück in die Schweiz, sagt Aziz zu 20 Minuten. «Wenn ich jahrelang hierbleibe­n muss, jage ich mir lieber eine Kugel in den Kopf.» Er sei bereit, die Konsequenz­en für sein Handeln zu übernehmen. «Ich gehe auch zehn Jahre in ein Schweizer Gefängnis.» Die Reise ins «Kalifat» nennt er «den grössten Fehler meines Lebens»; er bereue es, sich dem IS angeschlos­sen zu haben.

Die kurdischen Sicherheit­skräfte haben derlei Beteuerung­en schon zigmal gehört. Bevor sie den Schweizer abführen, witzeln sie: «Der IS hat nur hundert Kämpfer, aber Zehntausen­de Köche.»

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20M 20-Minuten-Reporterin Ann Guenter konnte mit dem Lausanner IS-Kämpfer Aziz B. sprechen. Video: Sehen Sie, was Zivilisten in Raqqa über den Schweizer sagen auf 20min.ch

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