Kampf gegen den IS: Sind die Kurden die grossen Verlierer?
DAMASKUS. Was bedeutet die Niederlage des IS für die Kurden? Auf den Punkt gebracht: nichts Gutes.
Der «Islamische Staat» hat fast kein Territorium mehr – das ist zum Grossteil den Kurden im Irak und in Syrien geschuldet. Doch dem Sieg über den IS dürfte ein Ende der bisherigen kurdischen Autonomie in der Region folgen. Die wieder erstarkte irakische Zentralregierung verfügte nach dem gescheiterten Unabhängigkeitsreferendum im September 2017, dass die Kurden aus der Provinz Kirkuk abziehen mussten.
In Syrien haben sich die Kurden im Norden viele Freiheiten erkämpft. Diese wolle man verteidigen, sagten Vertreter der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG zu 20 Mi- nuten. «Ich befürchte aber», so der Nahostexperte Guido Steinberg, «dass es wie im Irak sein wird: Wenn der Staat sich stabilisiert, wird er die kurdische Autonomie beschränken wollen, weil er eine eigenständige Kurdenregion nicht dulden kann.» Dabei sind viele Fragen offen, etwa, wie stark Regime und Militär sein werden.
Die Kurden haben in der Region nur Feinde und sind auf US-Unterstützung angewiesen. Dass die USA keine verlässlichen Partner sind, zeigte sich im Irak mit der Einnahme von Kirkuk. In Syrien ist die Frage, ob die 2000 US-Soldaten abgezogen werden, wenn der Bürgerkrieg endet. Sollte dies geschehen, werde es ernst für die Kurden, sagt Steinberg.
Es bleibt paradox: Nach ihrem Kampf gegen den IS haben die Kurden in Syrien und im Irak so viel zu verlieren wie nie. «Wir haben für die ganze Welt gekämpft, vor allem unsere Leute starben im Kampf gegen die IS-Tiere. Der Lohn muss unsere Selbstbestimmung sein», heisst es immer wieder.
Das ist so nachvollziehbar wie unrealistisch. «Syrien und der Irak sind arabische Nationalstaaten, deren Herrscher zentralistisch denken», so Steinberg. «Das weist auf die Zukunft der Kurden hin. Ihre einzige Hoffnung kann sein, dass Irak und Syrien nicht auf die Beine kommen.» Der Kampf gegen den IS zeigt: Die Kurden können Freiheit nur durch die Schwäche anderer erlangen.