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«Eltern ertragen Heimweh der Kinder nicht mehr»
ZÜRICH. Lehrer sind zunehmend mit Heimweh-Kindern konfrontiert. An dieser Entwicklung seien auch die Eltern schuld, so ein Experte.
Fünf oder sechs Zürcher Sechstklässler packte vor zwei Wochen im Klassenlager gleichzeitig das Heimweh. «So etwas habe ich noch nie erlebt», sagt die Lehrerin der «SonntagsZeitung». Zudem stellt ein Berner Oberstufenlehrer fest, dass auch 15-Jährige vermehrt Mühe damit hätten, auswärts zu übernachten.
Nicht die Heimweh-Häufigkeit habe sich verändert, sondern die Art, wie damit umgegangen werde, sagt Familientherapeut Jürgen Feigel: «Heimweh gab es schon immer, daran hat sich nichts geändert. Durch die Handykommunikation kann das Kind dieses gegenüber den Eltern heute aber einfacher ausdrücken und die Eltern können unvermittelt eingreifen.» In seinem Therapiealltag erlebt Feigel, wie Eltern zunehmend versuchen würden, per Handy mehr Kontrolle über ihre Kinder zu erlangen. Gegenwärtig hätten Eltern tendenziell mehr Mühe damit, das Leid des eigenen Kindes mit anzusehen. «Sie neigen vermehrt dazu, den Kindern Last oder Leid abzunehmen, anstatt ihm schwierige Situationen zuzutrauen.» Das könne das Selbstbewusstsein des Kindes allenfalls langfristig schwächen, da es nicht lerne, Verantwortung zu übernehmen.
Andere Schulen geben Gegensteuer. Sekundarlehrer Daniel Kachel: «Mit den 13- bis 14-Jährigen organisieren wir jeweils ein Lager im Tessin, dabei ist das Mitbringen von Handys verboten.»