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SBI-Erfinder Hans-Ueli Vogt im Interview
BERN. SVP-Professor HansUeli Vogt sagt, die Gegner reagierten «hysterisch» auf die SelbstbestimmungsInitiative (SBI) – obwohl sie nicht radikal sei.
Herr Vogt, laut den Gegnern fährt die SVP einen «hinterlistigen Angriff auf die Demokratie». Fühlen Sie sich als Erfinder der SBI verunglimpft?
Das Stimmrecht der Bürger wurde heimlich durch immer mehr Einfluss des internationalen Rechts eingeschränkt. Die Gegner wollen verhindern, dass das korrigiert wird. Ihre überdrehte Reaktion steht im krassen Widerspruch zur Initiative. Diese ist nicht radikal. Sie will nur, dass die Bevölkerung bei wichtigen Fragen das letzte Wort hat.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga sagt, sie sei «ein Fan der direkten Demokratie». Warum sollten die Gegner das Stimmrecht aushöhlen wollen?
Es gibt eine unbegründete Angst, dass die SVP durchmarschiert, wenn das letzte Wort beim Volk liegt. Dabei verliert sie die meisten Abstimmungen. Uns geht es um das System: Auch linke Initiativen werden nicht mehr umgesetzt, wenn sie internationalen Verträgen widersprechen. So stand die Fair-Food-Initiative im Konflikt zu Freihandelsabkommen.
Wo wird das Stimmrecht Ihrer Meinung nach eingeschränkt?
Auslöser der Initiative ist ein Bundesgerichtsurteil von 2012: Es besagt, dass Verfassungsbestimmungen, die Volk und Stände angenommen haben, nur innerhalb des Rahmens der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte umgesetzt werden können. Der Kurswechsel hat zur Folge, dass das Volk nur noch dann mitreden kann, wenn kein internationaler Vertrag tangiert ist.
Haben Sie ein Beispiel?
EU-Bürger, die eine schwere Straftat begangen haben, können wegen der Personenfreizügigkeit nicht ausgeschafft werden – trotz Annahme der Ausschaffungsinitiative.
Die Operation Libero sagt, die Schweiz würde bei einem Ja zur SBI «zur Vertragsbrecherin».
Eine Kündigung ist kein Vertragsbruch! Wir fordern, dass ein Vertrag nachverhandelt oder ein Vorbehalt angebracht wird, wenn er der Verfassung widerspricht. Nötigenfalls soll er gekündigt werden.
Wer sagt, welche Verträge gekündigt werden müssen? Laut Kritikern hätte das Volk in dieser Frage nichts mehr zu sagen.
Falsch. Über die Kündigung aller wichtigen Verträge wie das
Freizügigkeitsabkommen oder die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) müsste das Parlament entscheiden. Gegen den Beschluss könnte man das Referendum ergreifen.
Greifen Sie die EMRK an?
Nein. Dass ein Urteil aus Strassburg unserer Bundesverfassung widerspricht, kommt selten vor. Gibts aber einen Konflikt, muss die Verfassung vorgehen. So handhabt es Deutschland schon heute – ohne Kündigung der EMRK.
Wie würde Brüssel auf ein Ja zur SBI reagieren?
Vielleicht verstimmt. Aber es wäre ein Signal, dass hierzulande die Bürger das letzte Wort haben.