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Sitzungen beginnen jetzt mit 30 Minuten Stillschweigen
ZÜRICH. Eine Methode von Amazon-Chef Jeff Bezos zieht in Sitzungszimmer weltweit ein: Meetings beginnen neuerdings mit langem Schweigen.
Endlose Besprechungen mit viel Geschwafel und wenigen Ergebnissen – Sitzungen haben in vielen Firmen einen schlechten Ruf. Darum setzen manche Unternehmen auf neue Varianten – etwa Meetings, bei denen erstmal überhaupt nicht gesprochen wird. In der Chefetage von Amazon beginnen Sitzungen oft mit einer Stille-Phase von bis zu 30 Minuten. Der sogenannte Silent Start dient dazu, dass die Teilnehmer das Sitzungsmemo lesen und sich zum Beispiel mit Notizen auf die Diskussion vorbereiten.
Martin Eppler, Kommunikationsprofessor an der Universität St.Gallen, sieht Vorteile: «Silent Start lohnt sich, wenn Meeting-Teilnehmer chronisch schlecht vorbereitet sind.» Aber auch wer das Memo bereits zum Voraus gelesen habe, profitiere extrem davon, sich noch einmal einzuarbeiten. Eppler hat selbst dabei geholfen, diese Art von Sitzung bei Organisationen wie der Europäischen Zentralbank oder bei der Schweizer Bank Pictet einzuführen. Die Erfahrungen sind laut dem Experten positiv, wobei es aber nicht immer wie bei Amazon eines langen Memos bedarf; es kommen auch andere, teils kürzere Unterlagen zum Einsatz.
Manche Firmen gehen bei stillen Sitzungen noch weiter: Sie finden schriftlich per Messenger statt. Das verhindert Dreinreden, kann helfen, sich aufs Wesentliche zu beschränken, und es entsteht ein Protokoll. Solche Meetings seien aber relativ selten, sagt Eppler.