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Vater wollte Cataleya töten: Prozessauftakt
BERN. Im Mai 2019 schnitt ihr Vater Cataleya (18) zu Hause mit einem Messer in die Kehle. Ab heute steht er wegen versuchten Mordes in Burgdorf vor dem Regionalgericht.
Weil er mitbekommen hatte, dass sein Kind, das damals noch als Mann lebte, homosexuell war, drehte Cataleyas irakischstämmiger Vater durch und attackierte sie mit einem Messer: Nur durch Glück überlebte die damals 17-Jährige aus dem Kanton Bern den Angriff.
Eineinhalb Jahre nach der Tat treffen wir die junge Frau. Sie trägt Lippenstift und einen Rollkragenpullover, der die Narben an Hals, Brust, Rücken und Armen verdeckt. Cataleya, wie geht es dir? Nach der Tat war ich eine Woche im Spital, danach kam ich in eine Wohnung, die die Kesb für mich organisiert hatte. Ich habe versucht, meine Lehre abzuschliessen. Aber es ging nicht. Was mein Vater mir angetan hatte, war zu frisch, ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich habe oft gefehlt und die Lehrstelle verloren. Wie geht es dir körperlich? Ich habe Narben an der Luftröhre, kann nicht gut schlafen und atmen. Die Narben erinnern mich jeden Tag an die Tat. Ohne Rollkragenpullover verlasse ich das Haus nicht mehr.
Bist du in Therapie?
Ich habe es versucht, aber es hat nicht gepasst. Eine Therapeutin meinte gar, dass ich queer sei, sei «gegen die Natur». Mit so einer Person kann es nicht gut kommen. Ich denke jeden Tag daran, wie mein Vater mit einem Messer auf mich losging. Nachts habe ich Albträume. Ich wache auf und merke, dass mein Kissen nassgeweint ist. Warum, denkst du, hat dein Vater das getan?
Mein Vater ist gläubiger Moslem, dazu aufbrausend. Seine Abneigung gegen Homosexuelle hat er nie verheimlicht. Als Ausländer auf dem Land hat er immer sehr darauf geachtet, dass seine Kinder ihm keine Schande machen.
Was erhoffst du dir vom Prozess?
Ich gehe mit Wut, aber nicht mit Hass an die Verhandlung. Mein Vater tut mir auch leid, weil er in seinen homophoben Ideen gefangen ist. Trotzdem hoffe ich, dass er bestraft wird und im Gefängnis bleiben muss. Eine Entschuldigung wäre schön, aber utopisch. Als die Tat geschah, lebtest du als Mann, heute als Frau ... Seit ich neun bin, ist mir klar, dass ich nicht im richtigen Körper lebe, dass ich trans bin. Als Kind konnte ich mich niemandem anvertrauen. Ich
«Ich gehe mit Wut, aber nicht mit Hass an die Verhandlung. Mein Vater tut mir auch leid.»
Cataleya (18) wird am Prozess in Burgdorf teilnehmen
gehe als Frau an den Prozess, ich verstecke mich nicht mehr. Auch nicht vor meinem Vater. Seit dem Sommer mache ich eine Hormontherapie.
Wie ist es, als Frau zu leben? Die Männer reagieren auf mich, ich erhalte mehr Beachtung als früher. Meist bestätigt mich das auf meinem Weg. Ich erhalte aber auch sexistische, hasserfüllte Nachrichten. «Willkommen in der Frauenwelt», sagen meine Freundinnen dazu. Ich mache kein Geheimnis aus meiner TransIdentität. Manche Männer geilt das erst recht auf. Aber ich möchte nicht als aussergewöhnliches Sexualobjekt gelten, sondern einfach eine normale Frau sein.