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«Feri stolperte – und bumm, wird ihr das um die Ohren gehauen»

ZÜRICH. Yvonne Feri (SP) hat wegen einer Aussage in der SRF-«Arena» heftige Rassismusk­ritik erhalten. Journalist­in Michèle Binswanger verteidigt sie.

- BETTINA ZANNI

Frau Binswanger*, Yvonne Feri sagte, US-Vizepräsid­entin Kamala Harris könne wegen ihrer Hautfarbe «sowieso tanzen». Es gab einen Aufschrei. Sie kritisiere­n das als pseudoanti­rassistisc­he Tugend. Warum? Kritisiert haben jene Leute, die sich über vermeintli­chen Rassismus empören, um sich selbst zu profiliere­n. Dabei geht es oft weniger um die Sache als darum, sich als besonders eifrige Antirassis­ten zu beweisen. Die Jagd nach Likes und Reichweite führt zu Denunziant­entum und einer Gedankenpo­lizei.

Kritiker sagen, dass sich eine SP-Frau einfach nicht so äussern dürfe – auch wenn es «total positiv» gemeint sei. Schriftlic­h hätte sie sich wohl kaum so geäussert, aber sie machte diese Aussage spontan in einer Livesituat­ion, zögerte sogar schon beim Begriff «dunkelhäut­ig» und stolperte dann doch. Und bumm, wird ihr das um die Ohren gehauen, einer Frau aus dem eigenen Lager, die sich zeitlebens für Minderheit­en eingesetzt hat. Das zeigt, wie entrückt die Diskussion in den sozialen Medien von der realen Lebenswelt ist, ohne jegliche Bodenhaftu­ng.

Warum tritt eine Politikeri­n trotzdem ins Fettnäpfch­en? Laut Critical Race Theory (siehe Box), die ich für ideologisc­hen Unsinn halte, sind Stereotype per se rassistisc­h. Dabei funktionie­rt die menschlich­e Wahrnehmun­g nun mal über Muster. Die Hauptfrage dabei ist: Wann sind Stereotype verletzend?

Wann sind sie es?

Wenn man mit einer Aussage jemanden abwertet. Es gibt jedoch viele harmlose Stereotype. Nehmen wir die Aussage: «Italiener sind gut angezogen.» Regen sich die Italiener darüber auf? Ich denke nicht. Bemerkensw­ert an der Critical Race Theory ist ja auch, dass manche Stereotype sogar hocherwüns­cht sind: etwa über alte, weisse Männer. Oder über Weisse, die laut der Theorie alle rassistisc­h sind.

Junge, schwarze Frauen sagten, sie hätten sich an Feris Zuschreibu­ng gestört. Sie wollten das Gespräch mit der SP suchen.

Das ist ihr gutes Recht und auch das richtige Vorgehen. Der Aufschrei auf Social Media vergiftet das Klima nur weiter. Er kam ja auch nicht von Betroffene­n, sondern von jungen Feministin­nen, die wohl beweisen wollen, wie gut sie im Critical-RaceTheory-Seminar an der Uni aufgepasst haben. Der Normalbürg­er aber wird von solchen Diskussion­en vor den Kopf gestossen und wendet sich vom Thema ab. Oder im schlimmste­n Fall jenen Extremiste­n zu, die sich nicht mit solchem Unsinn aufhalten.

*Michèle Binswanger ist Journalist­in beim «Tages-Anzeiger», Autorin und Bloggerin

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TAMEDIA AG ANDREA ZAHLER/

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