«Diese Rentenreform hat es vor dem Volk nicht einfach»
BERN. Eine SozialpolitikExpertin erklärt, was beim Scheitern der Altersreform passiert – und warum es weitere Schritte braucht.
Frau Beyeler*, das Parlament hat sich mit Ach und Krach auf eine Rentenreform geeinigt. Welche Chancen geben Sie der Vorlage an der Urne?
Einfach wird es nicht: Seit zwanzig Jahren ist an der Urne keine Altersreform mehr durchgekommen. Da es sich um einen gut schweizerischen Kompromiss handelt, ist eine Annahme aber realistisch.
Wo lauert die grösste Gefahr?
Der Widerstand kommt aus ganz verschiedenen Lagern: Ein Teil der Frauen könnte sich gegen das Rentenalter 65 stellen. Die Arbeitgeber wollen keine höheren Renten finanzieren. Junge wehren sich teilweise gegen höhere Lohnabzüge. Und die heutigen Rentner profitieren nicht vom AHV-Zustupf von 70 Franken. Allerdings müssen sich alle fragen: Was ist die Alternative, wenn die Vorlage scheitert?
Sagen Sie es uns.
Den Modellrechnungen des Bundes zufolge ist die AHV im Jahr 2030 praktisch bankrott. Das System könnte schlimmstenfalls kollabieren. Ich gehe darum davon aus, dass gerade bei den Jungen die meisten die Kröte schlucken werden.
Spätestens 2030 ist eine weitere Reform notwendig – für die Zeit danach gibt es noch keine Prognosen. Ein NZZ-Journalist verglich die Situation mit einem Sprung aus dem 50. Stock – der Bund berufe sich darauf, dass im 20. Stock noch alles im grünen Bereich sei. Stimmt das Bild für Sie?
Nicht unbedingt (lacht). Nach 20 Jahren Reformstau ist nun ein erster Schritt nötig – auch wenn dieser nicht reichen wird. Doch bis 2030 wird sich in der Arbeitswelt ohnehin vieles verändern – Stichwort Digitalisie- rung. Roboter zahlen schliesslich keine ine AHV!
Prof. Dr. r. Michelle Beyeler lehrt an der Berner Fachhochschule.