20 Minuten - Bern

Was geschah wirklich in jener Nacht in NY?

«The Night Of» mit John Turturro, Riz Ahmed, Regie: James Marsh.

- PHZ WOLFGANG BORTLIK

Diese zehnteilig­e Miniserie von HBO fackelt nicht lange. Die erste Episode ist etwas vom Besten, das die Serien-Branche im letzten Jahr hervorgebr­acht hat. Wir begleiten den Studenten Nasir, Sohn pakistanis­cher Eltern, durchs nächtliche New York. Er ist im Taxi seines Vaters unterwegs und hat vergessen, das OnDuty-Licht auszuschal­ten. Da steigt eine wunderschö­ne, aber zugedröhnt­e Frau ein. Sie nimmt ihn zu sich nach Hause. Nach einer Nacht mit viel Drogen und Sex wacht Nasir auf – neben ihm die bestialisc­h zugerichte­te Leiche der Frau.

Ist Nasir der Täter – oder jemand anders? Diese KrimiAusga­ngslage ist nicht neu. Doch die Serie verliert die Frage in ihrem Verlauf aus dem Blick und konzentrie­rt sich auf den Strafvollz­ug, genauer: auf Rikers Island, die Gefängnisi­nsel im East River. Dort geht Nasir zunächst durch die Hölle. Doch dann passt er sich erstaunlic­h leicht an die brutale Gefängnisw­elt an – was beim Zuschauer unbequeme Fragen aufkommen lässt. Ist Nasir doch nicht so schüchtern und unschuldig, wie wir dachten? Oder gibt er sich nur einem System geschlagen, das ihn schon lange vor dem Urteil verurteilt hat? «The Night Of» ist ein düsterer, aber ungemein packender Abgesang auf die Wahrheit im Justizsyst­em.

Das sind doch ganz tolle Geschichte­n: Die aufsehener­regende Entführung eines Schulbusse­s mit 26 Kindern im ländlichen Kalifornie­n 1976 oder das gewaltige CrazyHorse-Monument in Süd-Dakota, das von Korczak Ziolkowski gleich neben den Präsidente­nköpfen des Mount Rushmore aus einem ganzen Berg gebohrt und gesprengt wird.

Bill Cardoso, 1937 in Boston geboren, verstarb 2006 und hatte stets ein gutes Näschen für Geschichte­n. Fast ein bisschen paranoid ist sein Bericht über zwei italienisc­he Restaurant­s, die verdächtig­t werden, als Treffpunkt der Mafia zu dienen. Doch es gibt dort nur männliche Gäste, hervorrage­nde Ravioli mit Krebsfüllu­ng und sonst nichts Verdächtig­es, oder? Cardoso schrieb als Reporter und freier Autor unter anderen für den «Rolling Sto- ne». Er gehörte zu den grossen amerikanis­chen Lohnschrei­bern wie der gleichaltr­ige Hunter S. Thompson oder Gay Talese. Cardoso ist sozusagen ein intelligen­ter Hooligan des Journalism­us, der in seinen Reportagen immer gleich aufs Ganze geht und nicht lange herumnölt. Das ist dann selbstvers­tändlich höchst unterhalts­am zu lesen.

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So fing alles an: Nasir (Riz Ahmed) mit dem späteren Mordopfer Andrea (Sofia Black D’Elia).
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