«Kampfsport für straffällige Jugendliche ist falsch»
ZÜRICH. Auch wegen des Thaibox- Unterrichts ist Carlos so gefährlich. Bei Resozialisierungen findet ein Umdenken statt.
Die Aufseher des Gefängnisses Pfäffikon ZH betrachteten Carlos als so gefährlich, dass sie seine Zellentür nur unter Polizeischutz öffneten. Die Folge: Er erhielt keinen Freigang und litt unter erniedrigenden Haft- bedingungen, wie ein Bericht zeigte. Erst letzte Woche schlug Carlos aber zu: In der Strafanstalt Pöschwies attackierte er sieben Aufseher, einer musste ins Spital. Absurd ist: Die Behörden trugen dazu bei, dass Carlos so gefährlich ist. Als 16-Jähriger erhielt er in einem Sondersetting monatelang Thaibox-Unterricht.
Strafrechtsexperte Martin Killias kritisiert, dass straffällig gewordene Jugendliche in Kampfsport unterrichtet werden. «Eine so trainierte Person kann gezielter zuschlagen. Sie braucht also weniger Schläge, um jemanden ausser Gefecht zu setzen.» Killias plädiert schon lange dafür, dass keine Art von Kampfsport zur Resozialisierung eingesetzt wird. «Es gibt viele Studien, die beweisen, dass dies nicht funktioniert.»
Offenbar hat diese Haltung auch die Schweizer Haftanstal- ten erreicht. Laut dem Berner Amt für Justizvollzug werden in keinem Gefängnis Boxkurse angeboten. In Zürcher Gefängnissen kann es vorkommen, dass ein Boxsack für eine halbe Stunde aufgehängt wird. «Die Kampfkompetenz kann so aber nicht gesteigert werden», sagt Rebecca de Silva vom Amt für Justizvollzug. Bei der Zürcher Oberjugendanwaltschaft, die das Sondersetting für Carlos bewilligte, sind Kampf- sporttrainings für Jugendliche in einem Strafverfahren oder in einer Massnahme bewilligungspflichtig. Zurzeit werde niemand so unterrichtet.